8 Krimis: Killer kennen kein Gebot: Krimi Sammelband 8009. Frank RehfeldЧитать онлайн книгу.
schriftlichen Bericht werde ich größtenteils noch heute diktieren, sodass Ihr Field Office ihn wahrscheinlich irgendwann im Verlauf des Tages auf dem Schreibtisch hat. Aber die wesentlichen Daten kann ich Ihnen ja jetzt mündlich zusammenfassen.“
„Wir sind ganz Ohr“, versprach ich.
„Wollen Sie, dass ich Ihnen an der Leiche demonstriere, was ich herausgefunden habe oder reicht es Ihnen, wenn wir das in meinem Arbeitszimmer besprechen.“
„Letzteres reicht vollkommen“, versicherte Milo.
„Wie Sie wollen.“
Er führte uns in sein Arbeitszimmer und holte aus dem Nachbarraum einen Bürostuhl, damit wir uns alle setzen könnten. „Ich habe ein toxikologisches Gutachten und eine Blutuntersuchung in Auftrag gegeben, die wahrscheinlich ein, zwei Tage brauchen, bis die Kollegen damit fertig sind. Aber ich gehe davon aus, dass diese Gutachten meine Hypothesen nur bestätigen“, begann der Gerichtsmediziner.
„Welche Hypothesen?“, hakte Milo nach.
„Der Reihe nach“, lächelte Dr. Claus. „Zunächst einmal geht es um den Alkohol. Lieutenant McKenzie hatte eine Alkoholmenge in seinem Körper, die für eine akute Alkoholvergiftung ausgereicht hätte. Sie oder ich wären sofort ins Koma gefallen.“
„Wir haben erfahren, dass McKenzie trockener Alkoholiker war“, gab ich zu bedenken.
„Das wird bei der Bewertung der von mir in Auftrag gegebenen Gutachten vielleicht ein interessanter Aspekt werden, aber der Punkt, auf den ich hinaus will, ist ein anderer. McKenzie hatte zwar jede Menge Alkohol in seinem Körper, aber an der falschen Stelle – nämlich im Magen. Er muss eine ganze Flasche hochprozentigen Whisky oder etwas Vergleichbares geschluckt haben. Das würde niemand auf diese Weise tun – weder ein trockener noch ein aktiver Alkoholiker.“
„Meinen Sie, dass ihm das Zeug eingeflößt wurde?“, fragte ich.
„Beinahe. Man zwang ihn dazu, es zu trinken. Wenn es ihm eingeflößt worden wäre, hätten wir entsprechende Druckspuren vorliegen. Die sind aber nicht vorhanden. Unmittelbar nachdem er den Whisky geleert hatte, ist er gestorben.“
„Durch die Räder des Trucks?“
„Nein, als er überrollt wurde, war er längst tot. Die damit einhergehenden Verletzungen waren post mortem und sollten uns über die Todesursache in die Irre führen. Ich gebe zu, beinahe hätte ich sie auch übersehen, unter all den Brüchen, Quetschungen und so weiter.“
„Wodurch starb er?“
„Durch einen Schlag gegen die Kehle, wie er in verschiedenen Kampfsportarten trainiert wird. Er könnte mit der Handkante, aber auch mit einem Gegenstand durchgeführt worden sein, der nicht breiter als zweieinhalb Zentimeter ist, aber keinerlei Ecken oder Kanten besitzt. Danach wurde der Tote weggeschleift.“
„Auf dem Parkplatz wurden keine entsprechenden Spuren gefunden.“
„Ein Täter, der so planvoll vorgeht, denkt vielleicht auch daran, solche Spuren zu beseitigen. Jedenfalls trifft den Truck Fahrer überhaupt keine Schuld. Er hat eine Leiche überfahren.“
„Dann wurde der Wagen wohl auch nur die Böschung hinunter gestoßen, um einen falschen Eindruck zu erwecken!“, glaubte Milo.
„Ein Profi“, schloss ich.
„Zumindest jemand, der sich sehr viele Gedanken über seine Vorgehensweise gemacht hat“, nickte Dr. Claus.
Ich erhob mich von meinem Platz und sagte: „Danke, jetzt wissen wir auf jeden Fall mit Sicherheit, dass McKenzie auch Opfer eines Verbrechens wurde.“
„Gibt es irgendetwas, was diesen Fall mit dem Mord an O’Rourke verbindet – aus gerichtsmedizinischer Sicht meine ich.“
Dr. Claus schüttelte den Kopf. „Leider nein. Aber vielleicht wollte der Täter auch genau das vermeiden. Ich möchte annehmen, dass er eine Waffe in der Hand hielt, als er McKenzie dazu zwang, den Alkohol zu trinken.“
„Aber er wolle nicht, dass man ihn an Hand dieser Waffe identifiziert. Deswegen hat er sie nicht benutzt“, schloss ich.
„Exakt“, bestätigte Dr. Claus. „Ich habe übrigens noch einen Toten hier im Institut, der im Zusammenhang mit Ihrem Fall in der Fahndung ist. Meine Kollegin Dr. Sandhurst ist gerade dabei, die Obduktion durchzuführen. Aber der Fall liegt relativ klar auf der Hand…“
„Um wen geht es?“
„Um einen gewissen Kenneth Jakobs. Er bekam eine Kugel in den Kopf und wurde auf einer Müllkippe in New Rochelle gefunden.“
„Welches Kaliber?“, fragte ich.
„Er wurde mit einer 45er getötet. Das Projektil ist bei den Ballistikern.“
„Ich hatte es befürchtet“, meinte Milo.
„In diesem Fall steht übrigens fest, dass der Tote schon mindestens eine Woche auf der Müllkippe lag. Man hatte ihn ziemlich sorgfältig eingepackt, aber Ratten fressen sich schließlich überall durch, wie die Erfahrung zeigt.“
35
Wir kehrten zunächst zum Bundesgebäude an der Federal Plaza zurück und versuchten, uns einen Reim auf das zu machen, was an neuen Erkenntnissen vorlag.
Max Carter hatte inzwischen alles, was es über Eddie Vincente herauszufinden gab zusammengetragen.
„Der hat einen Lebenslauf wie Aschenputtel“, meinte Max, als wir in unserem Dienstzimmer darüber sprachen. „Als Jugendlicher wurde er mit einer großen Portion Drogen erwischt, was ihn wohl davor rettete eine Karriere bei Gangs wie den ‚Matadores’ zu machen.“
„Und womit verdient er jetzt sein Geld?“, fragte Milo skeptisch.
„Er wird auf der Homepage einer großen Bank als Ansprechpartner im Kreditwesen angegeben. Die Seite ist mit Foto und dieses Foto wiederum passt zu den Aufnahmen, die bei seiner ersten Verhaftung gemacht worden waren.“
„Wird das Strafregister bei Jugendlichen nicht nach ein paar Jahren gelöscht?“, fragte Milo.
„Ja, aber es gab einen Prozess und deswegen auch eine Akte. Diese Unterlagen habe ich mir besorgt. Der Mann scheint wirklich sauber zu sein.“
„Der Grund, weshalb er telefonischen Kontakt mit Sean McKenzie hatte, könnte also auch ganz harmlos sein“, schloss ich.
„Wir werden ihn einfach mal selbst fragen“, schlug Milo vor.
„Ganz so harmlos ist er vielleicht doch nicht, auch wenn ich zugebe, dass die Verbindung zu Gonzales sehr vage ist“, schränkte Max ein.
„Was für eine Verbindung?“, hakte ich nach.
„Gonzales und Vincente sind im selben Straßenzug groß geworden. Ob in der Schule oder in einer Gangs – bei dem geringen Altersunterschied müssen sie sich eigentlich irgendwann mal über den Weg gelaufen sein.“
Vor Dienstschluss fuhren wir noch zur DeKalb Street, um Eddie Vincente zu befragen – den Mann, der als letzter mit Sean McKenzie telefoniert hatte.
Er öffnete uns, nachdem wir an seiner Wohnungstür geklingelt hatten. Er trug Anzug und Krawatte. Letzter war leicht gelockert.
„Was wollen Sie?“, fragte er etwa ungehalten.
„Milo Tucker, FBI“, stellte sich Milo vor. Er zeigte Vincente seinen Ausweis und deutete anschließend auf mich. „Dies ist mein Kollege Jesse Trevellian. Können wir einen Moment hereinkommen, um Ihnen ein paar Fragen zu stellen?“
„Fragen? Wieso?“
„Es geht um den Mord an einem Polizisten und Sie könnten ein wichtiger Zeuge sein.“
„Ich habe nichts gesehen