8 Krimis: Killer kennen kein Gebot: Krimi Sammelband 8009. Frank RehfeldЧитать онлайн книгу.
Sie zitterte. Der Baron merkte, wie sehr sie sich fürchtete. Vor ihm? Vor der Wahrheit? Oder vor diesem Jemand, der in ihrem Zimmer gewartet hatte?
„Wer war der Mann?“, fragte Alexander beharrlich.
„Ich kann es dir nur sagen, wenn niemand dabei ist“, flüsterte sie.
„Ich sagte Ihnen doch, dass ich gleich komme und Sie unten auf mich warten sollen!“, wandte sich der Baron an den jungen Mann, der seine Aufgabe offensichtlich mit großem Diensteifer zu vollziehen gedachte.
Nur widerstrebend ging der junge Beamte wieder.
Lucy drängte sich dicht an Alexander und flüsterte: „Geh nicht weg, Alexander, ich habe solche Angst!“
„Den Namen!“
Und dann sagte sie ihn leise dem Baron ins Ohr, bevor sie ihn auf die Wange küsste.
Es war der Name, mit dem er gerechnet hatte.
„Zieh dich um und komm zum Flughafen. Ein G-man wird dich begleiten. Beeil dich, Lucy, ich fahre voraus.“
Ihr Blick war trotzdem voller Angst und verriet, wie sie darauf hoffte, dass Alexander bleiben möge, um mit ihr gemeinsam zu fahren. Aber dieser beharrliche G-man würde das nicht begreifen, und der Baron wollte hier nicht noch Auseinandersetzungen heraufbeschwören. Für den jungen Mann galt nur der Spruch: Dienst ist Dienst und Befehl ist Befehl!
Sie lächelte, als Alexander ging. Ein gezwungenes, schmerzliches Lächeln.
12
Gesundheitlich hatte die Ablösung nicht schlecht auf den Baron gewirkt. Während des Fluges hatte er bestens geschlafen. Sehr zum Leidwesen der Stewardess, die ihre Leckerbissen unbedingt anzubringen hoffte.
Seelisch war ihm nach der Landung zumute wie einem Seemann, der dem Untergang seines Schiffes von einem Rettungsboot aus zugesehen hatte. Zum … Nein, das half auch nichts.
Dass es regnete, passte zu seiner Laune. Was nicht dazu passte war das vorzügliche Essen, was man ihm vorsetzte. Dennoch hätte er es vor Wut an die Wand klatschen können. Aus Mitleid mit den Köchen und seinem Magen schlang er es schließlich herunter. Und dann kam er zu einem alten Freund, der ihm einen Gefallen erwiesen hatte und jetzt sehr wütend aussah: Gouverneur Edmond Hages.
Er saß hinter seinem Schreibtisch, spielte mit dem Brieföffner und sah den Baron unter den buschigen Brauen hervor väterlich an. Er war ein gutaussehender Mittfünfziger. Ein Profi unter den Politikern.
Er hätte brüllen können, toben, von dem Baron aus mit einem Aktenordner nach ihm werfen, aber diesen Blick, den konnte er im Augenblick so gut vertragen wie eine Eiswürfeldusche.
„Alexander, Sie haben einen Schritt vom Wege getan. Und darüber wollen wir uns unterhalten.“ Sein Ton war geradezu sanft und versöhnlich. Wie ein Vater zum unartigen Kinde, dem er mit liebevoller Erläuterung die Fehler klarmachen will, die es getan hat.
Es war zum Davonlaufen. Was wusste dieser Mann von Mike Ferrenc, den der Baron kannte? Was wusste er von … er konnte es nicht wissen. Nur die Regeln, diese lausigen Regeln, die galten hier. Sonst nichts. Und in diesem Moment erschienen sie ihm unmenschlich. Richtig unmenschlich. Was würde er denn tun, wenn es sich herausstellte, dass irgendein naher Verwandter, ein Freund, gar sein Kind unter Mordverdacht stand. Kannte er da noch seine Regeln? Konnte er da noch kalt und stur nach seinem Prinzip verfahren?
Er ahnte wohl, was in dem Baron vorging und bestellte über die Sprechanlage Kaffee. Das war bei ihm eine Geste der Freundschaft. Heute bedeutete es dem Baron nichts. Er wollte keinen Zucker zu den bitteren Pillen. Sollte er endlich weitermachen und ihm seine Weisheiten verpassen.
„Alexander, ich kann mir denken, wie schwer es für Sie ist, erkennen zu müssen, dass ein Freund …“
„Ed, ich möchte darüber bitte nicht reden“, sagte Alexander schärfer als beabsichtigt. „Was ich im Falle Koog getan habe, kann ich verantworten. Es ist nichts geschehen, was etwa nicht zu vertreten wäre.“
Er richtete sich etwas im Stuhl auf.
Sein Gesichtsausdruck verwandelte sich von väterlicher Milde zur strengen Miene. „Alexander, was ich da für Sie getan habe, könnte mir bei der nächsten Wahl das politische Genick brechen. Sie sind kein Politiker, und Sie sollten das Profis überlassen!“
Dem Baron platzte die Geduld. „Ed, ich will nicht wissen, wer Sie hier mit Informationen gefüttert hat, aber es sind schlechte Informationen. Ich habe kurz vor der Lösung gestanden, als Sie mich abrufen ließen. Zudem befindet sich jetzt ein Mensch in akuter Lebensgefahr. Miss Gillmore hat …“
„Alexander“, sagte er nun etwas freundlicher, „Sie haben einen Tag, eine Nacht und einen halben Tag auf dem Eis getanzt. Das war es. Und jetzt schlafen Sie sich erst aus. Ich weiß den Fall bei Tross in guten Händen. Außerdem ist dieser ausgekochte Hartman da, und Evans ist auch kein Anfänger, Sie aber sind in dieser Angelegenheit völlig falsch. Wenn ich gewusst hätte, dass Sie es für Ferrenc tun wollten … Also das hätten Sie mir sagen können. Und dies werfe ich Ihnen vor.“
„Vielleicht ist das alles richtig. Ich bin nicht ganz okay.“
Er sah Alexander lächelnd an. „Sie werden vernünftig. Vergessen Sie die Sache! Überlassen Sie das Profis! Sie hätten mich wenigstens aufklären sollen, warum Sie auf die Geschichte scharf sind. Ich bin Ihnen zu Dank verpflichtet, weil Sie mir schon viele Gefallen getan haben, aber hier kann ich Ihnen nicht mehr helfen!“
Alexander dachte an Lucy. Sie war nicht gekommen. Der Anruf, mit dem er rechnete, hatte ihn noch nicht erreicht.
Im Vorzimmer rief der Baron Miami an. Evans war am Apparat. Der Baron fragte nach Lucy.
„Eh, ich habe vorhin anrufen lassen, hat es Ihnen keiner berichtet? Sie ist verschwunden, Baron. Spurlos. In ihrem Zimmer lagen die Sachen kreuz und quer, als hätte sie packen wollen. Aber sie selbst ist weg.“
Der Baron legte auf und stürmte aus dem Bau. Er hatte keine Minute mehr zu verschenken. Jetzt ging es nicht nur um Mike, jetzt ging es vor allem um Lucy.
Ein Taxi brachte ihn zum Flugplatz. Aber wenn man Pech hat, geht alles schief. Da klagen die Luftfahrtgesellschaften über leere Plätze, heute war nicht einer nach Miami frei. Und die nächste Maschine, für die er buchen konnte, flog morgen früh. Jetzt war es fünf Uhr nachmittags.
Der Baron rief einen bekannten Sportpiloten an. Diesmal hatte er das tröstliche Glück, ihn überhaupt anzutreffen. Als er ihm erklärte, dass nur noch ein Katapult ihn retten könnte, versprach der dem Baron, in einer Stunde mit seiner Cessna zu starten.
In einer Stunde, aber schneller ging es nicht. Eine Stunde kann verflixt lang sein, wenn man weiß, dass Minuten zählen.
Vielleicht war alles umsonst, und Lucy lebte schon nicht mehr. Lag in irgendeinem Keller wie jene blonde Frau …
13
Es war Nacht, als sie in Miami landeten. Der Baron bedankte sich bei seinem alten Bekannten, der ihn hierher geflogen hatte. Die Bezahlung musste er aufschieben, denn im Augenblick hatte er nicht soviel Geld bei sich. Und schenken kann ein Sportflieger diesen langen Flug auch einem Freund nicht.
Vor dem Flughafengebäude gab es einen Autovermieter. Er lieh ihm einen Oldsmobile, eine müde und vom vielen Fahrerwechsel lahm gedroschene Mühle. Immerhin, im Stadtverkehr brauchte er ja keine Rennen zu fahren.
Eine Stunde später war er damit in der City und hielt vor dem Jackson Hospital. Eine kurze Nachfrage ergab, dass der Mann, den er suchte, nicht anwesend war. So rief er beim FBI an. Dort meldete sich Evans.
Der Baron verschwieg ihm, dass er von Miami aus anrief, und fragte nach Larry Tross.
„Der schwirrt mit Hartman in der Landschaft herum“, erklärte