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Der Tempel der Drachen. Frank RehfeldЧитать онлайн книгу.

Der Tempel der Drachen - Frank Rehfeld


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Zimmer war nicht übermäßig komfortabel, aber sauber und geräumig. Aylon fühlte sich sogar zu müde, um sich auszuziehen, sondern streckte sich auf einem der beiden Betten aus. Er wollte nur einen Moment ruhen, um sich anschließend fertigzumachen, doch kaum hatte er sich hingelegt, griff der Schlaf wie eine dunkle Hand nach seinen Gedanken und löschte sie aus.

      *

      AYLON WUSSTE NICHT, wie viel Zeit verstrichen war, aber er musste eine ganze Weile geschlafen haben, denn er war tief in die Dramaturgie eines wirren Traums verstrickt, als er irgendwann seinen Namen hörte. Er versuchte sich einzureden, dass es nur Teil seines Traums wäre und wollte sich unwillig auf die andere Seite drehen, aber dann rüttelte ihn jemand an der Schulter und rief abermals leise seinen Namen. Aylon schlug die Augen auf und sah Maziroc vor sich stehen. "Was ist los?", nuschelte er und gähnte.

      Erschrocken legte der Magier seinen Zeigefinger vor die Lippen. "Leise", flüsterte er. "Wach schon auf."

      "Was ist denn passiert?", fragte Aylon noch einmal, diesmal leiser und deutlicher. Er blinzelte und strich sich die Haare aus der Stirn.

      "Der Damon", stieß Maziroc hervor. "Er ist hier. Komm endlich zu dir."

      Die Worte rissen Aylon endgültig aus seiner Benommenheit. Er sprang auf und folgte Maziroc aus dem Zimmer in die mittlerweile leere Gaststube hinunter. Die hölzerne Treppe knarrte unter dem Gewicht des Magiers bei jedem Schritt. In der herrschenden Stille kamen Aylon die Geräusche doppelt laut vor, aber er glaubte auch seinen Atem und das aufgeregte Schlagen seines Herzens wie das Dröhnen eines Hammerwerks zu hören. Die Eingangstür war von innen verriegelt. So leise wie möglich öffnete Maziroc sie und sie traten ins Freie. Furchtsam schaute sich Aylon um, konnte den Damon jedoch nirgendwo erblicken. "Wo ist er?", flüsterte er fast unhörbar. Sein Herz raste jetzt, als wollte es zerspringen. Selbst mit aller Kraft gelang es ihm kaum, seine Angst niederzuringen.

      "Irgendwo in der Nähe. Wir werden uns ihm stellen müssen, aber nicht hier. Ich möchte nicht, dass Unbeteiligte zu Schaden kommen."

      Durch eine schmale Gasse zwischen einigen Häusern gelangten sie an den Rand des Dorfes und aufs freie Feld hinaus. Hier erblickte Aylon den Damon erstmals aus der Nähe. Er prallte mit einem entsetzten Schrei zurück, als die geflügelte Kreatur plötzlich pfeilschnell hinter den Häusern hervorgeschossen kam. Noch aber zögerte die Bestie, sie anzugreifen. Stattdessen schraubte sie sich mit einigen Flügelschlägen höher in den Himmel hinauf. Der Damon war in der Tat gigantisch, mindestens um das Fünffache größer als ein Adler, für den Aylon ihn erst gehalten, und zudem noch wesentlich schrecklicher, als er ihn sich in seiner Phantasie ausgemalt hatte. Die gewaltigen, gezackten Schwingen trugen einen schmalen, mit furchterregenden Klauen bewehrten Körper, der in einem langen, peitschenähnlichen Schwanz endete. Der eher kleine Schädel schien fast nur aus zwei rotglühenden Augen und einem Maul voller mehr als fingerlanger Reißzähne zu bestehen.

      "Kannst du ihn ... vernichten?"

      Maziroc lächelte kalt. "Vermutlich. Ich sagte schon, er ist nur eine Dienerkreatur. Aber warum?"

      "Warum? Er ist ein Damon", antwortete Aylon verwirrt, als wäre dies schon Erklärung genug. "Er will uns töten."

      "Und? Er ist nur ein Tier, das von seinen Herren zum Töten abgerichtet wurde. Vermutlich hatte er den Auftrag, jeden anzugreifen, der Cavillon verlässt. Willst du alle Raubtiere töten, denen du begegnest? Es gibt andere, ebenso wirkungsvolle Methode."

      "Ich verstehe nicht ..."

      "Dann lerne es", erwiderte Maziroc hart. "Es wird Zeit, dir etwas über Charalons Reif zu sagen. Ich weiß nicht alles über ihn, aber er besitzt zumindest zwei Funktionen, die ich kenne. Er schützt dich vor fremder Magie, aber das hilft jetzt nichts. Der Damon ist kein Zauberwesen, sondern real. Aber er besitzt keinen eigenen Verstand und lässt sich deshalb durch jeden Zauber recht leicht täuschen. Das ist die zweite Kraft des Reifs. Er vermag Trugbilder zu erzeugen. Einen Menschen oder gar einen anderen Magier wirst du erst nach intensiver Übung damit täuschen können, aber für so ein Tier dürfte es auch so reichen."

      "Aber das Skiil ist noch nicht an mich angepasst", wandte Aylon ein. "Es würde mir nicht gehorchen."

      Maziroc lachte leise. "Glaubst du? Charalons Reif ist mehr als nur irgendein Skiil. Er sucht sich seinen Träger selbst, und er hat dich längst akzeptiert, sonst könntest du ihn gar nicht tragen. Lausche in dich hinein, dann wirst du es spüren."

      "Aber ..." Zweifelnd betrachtete Aylon den Reif und wusste im gleichen Moment, dass Maziroc recht hatte. Das Pulsieren, das er in seinem Geist wahrnahm, war ein deutlicherer Beweis, als alle Worte. Er ließ seinen Blick wieder zu dem gewaltigen Schatten wandern, der über ihnen am Himmel kreiste und sich mal ein Stück in die Tiefe gleiten ließ, um gleich darauf wieder aufzusteigen. "Was muss ich tun?"

      "Du musst mit dem Skiil verschmelzen. Spürst du seine Kraft? Sammle sie in deinem Geist und verleihe ihr Gestalt."

      Aylon verdrängte seine Angst und konzentrierte sich auf den Reif. Das Pulsieren schien stärker zu werden, das Wispern lauter. Er meinte, das Schlagen von Flügeln in seinen Gedanken zu hören, mächtiger als die des Damons. Etwas Finsteres, Körperloses ballte sich wie schattenhafter Rauch vor ihm zusammen, in steter brodelnder Bewegung begriffen. Der Schatten dehnte sich aus und gewann an Festigkeit, wogte unbeständig hin und her, und erst jetzt begriff Aylon wirklich, dass er ihn erzeugt hatte und ihn beherrschen konnte. Es ging sogar einfacher, als er erwartet hatte. Was er vor sich sah war nichts, jedenfalls nichts Reales, sondern nur eine Illusion, die er durch die Kraft des Reifs erschuf und lenkte.

      Der Damon kam wie ein Stein vom Himmel herabgeschossen. Erst wenige Meter über der Erde spreizte er die Schwingen und peitschte mit ihnen die Luft. Kaum eine Armlänge entfernt strich er über die Köpfe der beiden Männer hinweg, so nah, dass er sie fast streifte. Ein Fauchen drang aus seinem weit aufgerissenen Maul. Aylon wusste, dass die Bestie beim nächsten Anflug wirklich angreifen würde, trotzdem beachtete er sie kaum. Seine Gedanken beschäftigten sich mit dem schattenhaften Etwas, formten es nach seinem Willen. Immer rascher verwandelte es sich in die schreckliche Bestie, als die er sich den Damon ursprünglich vorgestellt hatte, einen gestaltgewordenen Alptraum aus messerscharfen Klauen, Reißzähnen und Panzerschuppen, übersät mit hornigen Stacheln und einem guten Dutzend langen, schleimglänzenden Tentakeln, die wild umherpeitschten. Zum Schluss verlieh er dem Monstrum ebenfalls ein paar Schwingen und schickte es dem Damon entgegen, als dieser zum entscheidenden Angriff ansetzte.

      Die beiden Giganten rasten aufeinander zu. Aylon wagte kaum zu atmen. Einige Sekunden lang schien es so, als würde der Damon seinen Gegner überhaupt nicht beachten, die Illusion durchschauen. Dann aber stieß er einen klagenden Schrei aus, der anschwoll, während er gleichzeitig schriller und furchterfüllter wurde. Der Damon änderte seine Flugrichtung und jagte kreischend davon, floh vor dem Trugbild eines menschlichen Geistes.

      Erst als Aylon sicher war, dass das Ungeheuer nicht zurückkehren würde, ließ er die Schatten wieder zerfließen. Ein stechender Schmerz fuhr durch seinen Kopf. Er taumelte vor Schwäche und wäre gestürzt, wenn Maziroc ihn nicht aufgefangen hätte. "Der Einsatz eines Skiils fordert seinen Preis", drangen die Worte des Magiers wie aus weiter Ferne an sein Ohr, dann verlor er das Bewusstsein.

      Maramon

      Fünfeinhalb


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