Schwerter gegen Bestien: Fantasy Sammelband 1026 Seiten Sword & Sorcery. Robert E. HowardЧитать онлайн книгу.
verstand nicht die Worte, wohl aber deren Bedeutung. Mit einem Dankeswort nahm er sein Schwert von Cormac entgegen, wandte sich den wartenden Nordmännern zu und hob die Klinge mit beiden Händen schweigend hoch über den Kopf, ehe er sie in die Scheide schob.
„Komm“, sagte Bran und berührte den Atlanter am Arm. „Der Feind marschiert heran, und wir haben viel zu tun. Die Zeit reicht kaum aus, unser Heer zu ordnen. Folge mir jenen Abhang hinan.“
Vom Hügel aus hatten sie Ausblick auf ein Tal, das von Norden nach Süden verlief. Am nördlichen Ende war es nicht mehr als eine Schlucht, während es sich nach Süden zu verbreitete und in eine Ebene überging. Insgesamt war es kaum eine Meile lang.
„Der Feind wird dieses Tal entlangziehen“, erklärte der Pikte, „weil der Boden zu beiden Seiten für die Wagen des Trosses nicht befahrbar ist. Hier planen wir einen Hinterhalt.“
„Warum liegen deine Männer nicht schon längst auf der Lauer? Und wie willst du die Vorhut täuschen?“
„Meine Wilden hätten es nie so lange ausgehalten“, antwortete Bran bitter. „Und erst mußte ich mich der Nordmänner versichern. Selbst jetzt könnte es geschehen, daß sie vor einer ziehenden Wolke oder einem fallenden Blatt erschrecken und sich in alle Winde zerstreuen. König Kull, das Schicksal der piktischen Nation steht auf dem Spiel. Man nennt mich König der Pikten, aber meine Herrschaft ist keineswegs gesichert. Die Hügel sind voll von Clans, die sich weigern, mir zu folgen. Von den tausend Bogenschützen, die ich befehlige, sind mehr als die Hälfte aus meinem eigenen Clan. Etwa achtzehn Hundertschaften Römer marschieren gegen uns. Es handelt sich nicht um eine richtige Invasion, doch hängt viel davon ab. Es ist der Beginn eines Versuchs, die Grenze nach Norden zu verschieben. Ihr Plan ist, einen Tagesmarsch nördlich von hier eine Befestigung zu errichten. Gelingt ihnen das, so bauen sie weitere Befestigungen, ziehen stählerne Bänder um die Herzen der freien Völker. Gewinne ich diese Schlacht, so erringe ich einen zweifachen Sieg. Dann schließen sich die Stämme mir an, und dem nächsten Versuch der Römer vermag ich festen Widerstand zu bieten. Verliere ich, so zerstreuen sich die Clans, fliehen nordwärts, bis es nicht weitergeht, und kämpfen jeder für sich anstatt zur Nation vereint.
Ich befehlige tausend Bogenschützen, fünfhundert Reiter, fünfzig Streitwagen mit hundertfünfzig Mann Besatzung und – dank dir – dreihundert schwerbewaffnete nordische Seeräuber. Wie würdest du sie aufstellen?“
„Nun, ich hätte das Nordende des Tales verbarrikadiert – nein! Das sähe nach Falle aus. Aber ich würde es mit einem Trupp weniger Männer verstopfen, so wie du sie mir gegeben hast. Dreihundert könnten den Eingang zur Schlucht gegen jede Anzahl eine ziemliche Weile halten. Während der Feind gegen sie anrennt, würde ich von beiden Seiten Bogenschützenfeuer eröffnen. In die entstehende Verwirrung würde ich die Reiterei und die Kampfwagen schicken, die sich bisher verborgen gehalten hat, und den Feind vernichten.“
Brans Augen glühten. „Genau, König von Valusien. Genau so ist mein Plan.“
„Aber die römischen Späher?“
„Meine Krieger sind wie Panther. Sie verstecken sich unter den Nasen der Römer. Die in das Tal hineinreiten, werden nur das sehen, was sie sehen sollen. Und diejenigen, die über die Hügelkämme reiten, werden nicht zurückkehren. Ein Pfeil ist rasch und lautlos. Aber alles beruht auf den Männern, die die Schlucht halten. Sie müssen zu Fuß kämpfen und den Angriffen der schweren Legionen so lange standhalten können, bis sich die Falle geschlossen hat. Mit Ausnahme der Nordmänner verfüge ich nicht über solche Krieger. Meine nackten Pikten mit ihren kurzen Schwertern können den Angriff nicht einen Augenblick lang abwehren. Auch die Rüstung der Kelten ist dafür nicht geeignet. Außerdem sind sie keine Fußkämpfer, und ich benötige sie anderswo. Du siehst also, weshalb ich die Nordleute so notwendig brauchte. Willst du also mit ihnen vor der Schlucht stehen und die Römer aufhalten, bis ich die Falle geschlossen habe? Vergiß nicht, die meisten von euch werden sterben!“
Kull lächelte. „Mein ganzes Leben lang habe ich waghalsige Dinge getan, obwohl Tu, mein engster Berater, sagen würde, mein Leben gehöre Valusien, und ich hätte kein Recht, es zu riskieren.“ Ein Schatten huschte über sein Gesicht. „Bei Valka!“ Er lachte unsicher. „Manchmal vergesse ich, daß alles nur ein Traum ist. Alles ist so wirklich. Aber natürlich ist es ein Traum! Sollte ich sterben, so erwache ich einfach wie schon so oft zuvor. Ich bin bereit, König von Kaledonien!“
Auf dem Weg zu seinen Kriegern war Cormac tief in Gedanken versunken. Sicher war das ganze nur ein Schauspiel, und doch hatte er die Vermutungen der Männer gehört, als sie sich bewaffneten und auf ihre Aufgabe vorbereiteten: Der schwarzhaarige König wäre Neid selbst, der keltische Kriegsgott; er wäre ein König, der von Gonar aus der Zeit vor der Flut geholt worden war; er sei ein Kämpe aus Walhalla. Er wäre überhaupt kein Mensch, sondern ein Geist! Nein, er sei sterblich, denn er hatte geblutet. Aber selbst Götter bluteten, wenn sie auch nicht stürben. So waren die Meinungen aufeinandergeprallt. Aber selbst wenn es sich nur um ein Schauspiel handelte, um die Krieger zu beeindrucken, so hatte es seinen Zweck erfüllt. Der Glaube, daß Kull mehr war als ein gewöhnlicher Sterblicher, versetzte Kelten, Pikten und Wikinger in wilde Kampfeslust. Und was glaubte er selbst, fragte sich Cormac. Sicherlich stammte der Mann aus einem fernen Land, doch wies alles darauf hin, daß es sich um mehr als lediglich räumliche Entfernung handelte. Die gewaltigen Abgründe der Zeit selbst schienen zwischen dem schwarzhaarigen Fremden und den Männern zu liegen, unter denen er sich befand und mit denen er sprach.
Die Sonne senkte sich dem westlichen Horizont entgegen. Stille lag wie ein unsichtbarer Nebel über dem Tal. Cormac packte die Zügel fester und blickte die Abhänge links und rechts hoch. Nichts verriet die Anwesenheit von Hunderten wilder Krieger, die sich zwischen dem wogenden Heidekraut verbargen. Am Eingang zur Schlucht waren die einzigen Menschen zu sehen. Dort standen in Keilformation die dreihundert Nordmänner, und allen voran, wie die Spitze eines Speeres, der Mann, der sich Kull, König von Valusien, nannte. Er trug keinen Helm, nur das schwere Stirnband aus hartem Gold, jedoch den mächtigen Schild Rognars in der Linken, während er in der Rechten die schwere Eisenkeule des toten Seekönigs hielt. Die Wikinger betrachteten ihn mit Verwunderung und wilder Begeisterung. Sie verstanden nicht seine Sprache, und er nicht die ihre, doch waren keine weiteren Befehle nötig. Bran hatte sie angewiesen, sich im Eingang zur Schlucht aufzustellen, und ihr einziger Auftrag lautete: Haltet den Paß!
Bran Mak Morn stand vor Kull, und die beiden Männer sahen einander an. Des einen Königreich war noch nicht geboren, während das des anderen vor undenklichen Zeiten im Nebel der Vergangenheit verschwunden war. Beherrscher der Nacht, dachte Cormac, namenlose Könige der Dunkelheit, deren Reiche aus Abgründen und Schatten bestehen.
Der Piktenkönig streckte die Hand aus. „König Kull, du bist mehr als ein König: du bist ein Mann. Vielleicht sterben wir beide in der nächsten Stunde, doch sollten wir leben, verlange von mir, was du willst.“
Kull lächelte und ergriff die dargebotene Hand. „Auch du bist ein Mann meines Herzens, König der Schatten. Sicher bist du mehr als nur eine Laune meines schlafenden Geistes. Vielleicht treffen wir einander eines Tages in wachem Zustand.“
Bran schüttelte verwirrt den Kopf, schwang sich in den Sattel, ritt den östlichen Abhang hinan und verschwand über den Kamm des Hügels. Cormac fragte zögernd: „Fremder, bestehst du in der Tat aus Fleisch und Blut, oder bist du ein Geist?“
„Wenn wir träumen, sind wir alle Fleisch und Blut –solange wir träumen“, antwortete Kull. „Das ist der seltsamste Traum meines Lebens, aber du, der du bei meinem Erwachen ins Nichts verschwinden wirst, erscheinst mir jetzt ebenso real wie Brule oder Kananu oder Tu oder Kelkor.“
Cormac schüttelte den Kopf, wie es Bran getan hatte, und ritt mit einem letzten Salut, den Kull mit barbarischer Würde erwiderte, von dannen. Auf dem Kamm der westlichen Hügelkette hielt er sein Roß an. Weit im Süden erhob sich eine Staubwolke, und die Spitze der marschierenden Heersäule kam in Sicht. Bereits jetzt vermeinte er, den Boden unter dem gleichmäßigen Schritt von Tausenden gepanzerter Füße vibrieren zu spüren. Er stieg ab, und einer seiner Unterführer, Domnail, führte das Pferd auf der anderen Seite des Hügels hinab