Physikalische Chemie. Peter W. AtkinsЧитать онлайн книгу.
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Abb. 4-7 Die typischen Bereiche eines Einkomponenten-Phasendiagramms. Die Linien entsprechen Bedingungen, bei denen die beiden angrenzenden Phasen im Gleichgewicht stehen. Ein Punkt gibt die (eindeutigen) Bedingungen an, bei denen drei Phasen miteinander im Gleichgewicht stehen. Vier Phasen können nicht miteinander im Gleichgewicht stehen.
Befinden sich drei Phasen miteinander im Gleichgewicht, wird F = 0: Das System ist invariant. Dieser Zustand wird nur bei einem bestimmten Temperatur/Druck-Wertepaar erreicht, das für jeden Stoff charakteristisch ist; diesen Punkt kann man nicht beeinflussen. Das Gleichgewicht dreier Phasen entspricht einem Punkt im Phasendiagramm, dem Tripelpunkt. Da F nicht negativ werden kann, können in einem Einkomponentensystem niemals mehr als drei Phasen koexistieren. Eine Zusammenfassung all dieser Merkmale gibt Abb. 4-7; Sie sollten sie bei der folgenden Diskussion der Phasendiagramme dreier Reinstoffe stets im Hinterkopf behalten.
Kohlendioxid
Das Phasendiagramm von Kohlendioxid ist in Abb. 4-8 gezeigt. Die Phasengrenzlinie fest/flüssig besitzt (wie bei den meisten Substanzen) eine positive Steigung – das bedeutet, dass die Schmelztemperatur von Kohlendioxid mit zunehmendem Druck ansteigt. Der Tripelpunkt liegt oberhalb des Atmosphärendrucks; flüssiges CO2 kann daher bei diesem Druck bei keiner Temperatur existieren, sodass der Feststoff sublimiert (daher auch der Name „Trockeneis“). Zur Erzeugung der flüssigen Phase muss ein Druck von mindestens 0.52 MPa ausgeübt werden. CO2-Druckgasflaschen enthalten flüssiges CO2 oder komprimiertes Gas; wenn Gas und Flüssigkeit im Gleichgewicht vorliegen, beträgt der Dampfdruck bei 25 °C immerhin 6.8 MPa. Beim Ausströmen durch das Ventil kühlt sich das Gas infolge des Joule–Thomson-Effekts ab. Wenn der äußere Druck etwa 0.1 MPa (1 bar) beträgt, kondensiert es dabei sofort zu einem fein verteilten, schneeähnlichen Feststoff. Dass gasförmiges Kohlendioxid nur durch Anwendung von Druck verflüssigt werden kann, ist eine Folge der schwachen Wechselwirkungen zwischen den Molekülen (siehe Abschnitt 17.2.1).
Abb. 4-8 Das experimentell bestimmte Phasendiagramm von Kohlendioxid. Der Druck am Tripelpunkt ist wesentlich größer als der Atmosphärendruck, daher existiert unter normalen Bedingungen kein flüssiges CO2.Um dieses zu erhalten, muss ein Druck von mindestens 0.51 MPa ausgeübt werden.
Wasser
Das Phasendiagramm von Wasser ist in Abb. 4-9 gezeigt. Die Grenzlinie flüssig/gasförmig gibt die Temperaturabhängigkeit des Dampfdrucks von flüssigem Wasser und gleichzeitig die Druckabhängigkeit seines Siedepunkts an (dazu lesen wir einfach die Temperatur ab, bei der der Dampfdruck dem vorherrschenden Atmosphärendruck entspricht). Die Grenzlinie fest/flüssig zeigt, wie die Schmelztemperatur vom Druck abhängt. Ihre große Steigung bedeutet, dass sehr hohe Drücke erforderlich sind, um eine merkliche Änderung dieser Temperatur zu erreichen. Bemerkenswert ist, dass die Steigung dieser Kurve bis zu einem Druck von 200 MPa (2 kbar) negativ ist, d. h. die Schmelztemperatur sinkt mit steigendem Druck. Der Grund für dieses ungewöhnliche Verhalten ist, dass das Volumen von Wasser beim Schmelzen abnimmt; daher ist bei Druckerhöhung die flüssige Form bevorzugt. Die Volumenabnahme wird durch die aufgelockerte Struktur im Eis verursacht (Abb. 4-10), die man wiederum auf die Wasserstoffbrückenbindungen zurückführen kann (sie halten die Moleküle zusammen, sind aber gleichzeitig für den lockeren Aufbau verantwortlich). Beim Schmelzen bricht diese Nahordnung teilweise zusammen, sodass die Dichte des flüssigen Wassers größer ist als die von Eis. Andere Konsequenzen der ausgeprägten Wasserstoffbrücken im Wasser sind der für eine Substanz mit der Molmasse von Wasser außergewöhnliche hohe Siedepunkt oder die hohen Werte für die kritische Temperatur bzw. den kritischen Druck.
Abb. 4-9 Das experimentell bestimmte Phasendiagramm von Wasser; man erkennt die verschiedenen festen Phasen.
Wie man Abb. 4-9 entnehmen kann, hat Wasser neben einer flüssigen gleich mehrere feste Phasen (zusätzlich zu dem gewöhnlichen „Eis-“), von denen manche bei hohen Temperaturen schmelzen. Der Schmelzpunkt von Eis-VII liegt beispielsweise bei etwa 100 °C; es existiert allerdings nur bei Drücken oberhalb von 2.5 GPa (25 kbar). 2006 wurden zwei weitere Phasen (Eis-XIII und Eis-XIV) entdeckt, die bei –160 °C schmelzen; ihnen konnten allerdings noch keine Bereiche im Phasendiagramm zugeordnet werden. Außer dem Tripelpunkt Wasser/Eis-I/Wasserdampf gibt es noch viele weitere Tripelpunkte in dem Diagramm. Zu jedem gehört nur jeweils ein festes Wertepaar aus Temperatur und Druck. Die festen Phasen unterscheiden sich in der Anordnung der Wassermoleküle: Bei sehr hohem Druck verformen sich die Wasserstoffbrückenbindungen und verschiedene Nahordnungen der Moleküle sind möglich. Die Existenz der verschiedenen Modifikationen oder Polymorphe von Eis könnten für das Fließen von Gletschern mitverantwortlich sein, da das Eis am Grund eines Gletschers, an der Grenze zum unebenen Gestein, einem sehr hohem Druck ausgesetzt ist.
Abb. 4-10 Ausschnitt aus der Struktur von Eis-I. In einer tetraedrischen Anordnung ist jedes O-Atom über kovalente Bindungen mit zwei H-Atomen und über Wasserstoffbrückenbindungen mit zwei benachbarten O-Atomen verknüpft.
Abb. 4-11 Phasendiagramm von Helium (4He). Die λ-Linie kennzeichnet die Bedingungen, bei denen beide flüssigen Phasen im Gleichgewicht vorliegen. Helium-II ist die suprafluide Phase. Festes Helium kann man erst bei Drücken oberhalb von 20bar gewinnen. Die Bezeichnungen HDP (hexagonal dichte Packung) und KRZ (kubisch raumzentriert) stehen für feste Phasen mit unterschiedlicher Kristallstruktur (diese Strukturen werden in Abschnitt 19.1.5 beschrieben).
Helium
Bei der Diskussion von Helium bei tiefen Temperaturen muss man zwischen den Isotopen 3He und 4He unterscheiden. Das Phasendiagramm von 4 He ist in Abb. 4-11 dargestellt. Helium zeigt bei tiefen Temperaturen ein ungewöhnliches Verhalten, da seine Atome eine so kleine Masse besitzen und die geringe Zahl seiner Elektronen zu außergewöhnlich schwachen Wechselwirkungen zwischen ihnen führt. So existiert nirgends, auch bei sehr niedrigen Temperaturen nicht, ein Gleichgewicht zwischen fester und Gasphase: Die Heliumatome schwingen durch ihre geringe Masse mit so großer Amplitude, dass ein Festkörper nicht stabil wäre. Festes Helium kann man nur herstellen, indem man bei niedrigen Temperaturen einen Druck anlegt, der die Atome mit Gewalt zusammenhält. Aus Gründen, die sich nur quantenmechanisch verstehen lassen und die in Teil 2 des Buches klarer werden, verhalten sich die Isotope 3He und 4He unterschiedlich.
Reines