Physikalische Chemie. Peter W. AtkinsЧитать онлайн книгу.
Beziehung anwenden zu können, müssen wir dq und dw aus Ereignissen in der Umgebung des Systems ableiten können.
Wir beginnen mit der Diskussion der Volumenarbeit, der Form von Arbeit, die mit einer Volumenänderung verbunden ist (zum Beispiel die Arbeit, die von einem Gas infolge seiner Expansion geleistet wird). Viele chemische Reaktionen verlaufen unter Bildung oder Verbrauch gasförmiger Stoffe (etwa die thermische Zersetzung von Calciumcarbonat oder die Verbrennung von Kohlenwasserstoffen); die thermodynamischen Kenngrößen solcher Reaktionen, beispielsweise die freigesetzte Wär-me, hängenauchvonderdabeiverrichteten Volumenarbeit ab. Unter „Volumenarbeit“ verstehen wir dabei auch Arbeit, die durch eine negative Volumenänderung (eine Kompression) geleistet wird.
Eine allgemeine Formulierung der Arbeit
Wir beginnen die Berechnung der Arbeit ausgehend von ihrer physikalischen Definition: Die Arbeit, die erforderlich ist, um ein Objekt um eine Strecke dz entgegen einer Kraft F zu bewegen, ist
[2.5]
Das negative Vorzeichen bedeutet, dass die Innere Energie eines Systems kleiner wird, wenn es ein Objekt gegen eine Kraft verschiebt. Betrachten wir nun eine Anordnung wie in Abb. 2-6: Eine Wand des Systems wird von einem masselosen, reibungsfrei beweglichen, starren, perfekt eingepassten Kolben der Fläche A gebildet. Wenn der äußere Druck gleich pex ist, wirkt aufdie Außenseite des Kolbens die Kraft F = pexA. Wenn das System quasistatisch um eine Strecke dz gegen den äußeren Druck pex expandiert, beträgt die dabei verrichtete Arbeit dw = – pexAdz. DieGröße A dz gibt die Volumenänderung dV während der Expansion an. Für die durch die Expansion um dV gegen den äußeren Druck pex geleistete Arbeit gilt daher
Abb. 2.6 Wenn einKolbender Grundfläche A um den Weg dz verschoben wird, überstreicht er dabei ein Volumen dV = A dz. Der äußere Druck pex wirkt dabei genauso wie ein Gewicht, das auf den Kolben drückt; die entgegen der Ausdehnung wirkende Kraft ist F = pex A.
Wenn wir wissen wollen, welche Arbeit insgesamt bei der Volumenänderung von VA auf VE verrichtet wird, integrieren wir diesen Ausdruck zwischen Anfangs- und Endvolumen:
(2.6b)
Die auf den Kolben wirkende Kraft pexA ist äquivalent zum Anheben einer Masse durch die Expansion des Systems. Findet stattdessen eine Kompression statt, so wird die gleiche Masse in der Umgebung abgesenkt. Auch hier kann Gl. (2-6) angewendet werden, aber jetzt ist Ve < VA. Auch in diesem Fall hängt dieverrichtete Arbeit nach wie vor vom äußeren Druck ab! Dieses vielleicht etwas verwirrende Ergebnis scheint auf den ersten Blick der Tatsache zu widersprechen, dass das Gas innerhalb des Behälters der Kompression entgegenwirkt. Wenn jedoch das Gas komprimiert wird, sinktdie Fähigkeitder Umgebung, Arbeit zu verrichten, um einen Betrag, das von der abgesenkten Masse bestimmt wird; dies ist die Energie, die dem System zugeführt wird.
Für andere Formen der Arbeit (zum Beispiel elektrische), die wir Nichtvolumenarbeit oder zusätzliche Arbeit nennen wollen, gelten analoge Beziehungen; jede ist ein Produkt aus einer intensiven Größe (wie dem Druck) und einer extensiven Größe (wie der Volumenänderung). Einige davon finden Sie in Tabelle 2-1. Im Moment beschränken wir uns auf die Untersuchung der Volumenarbeit, für die wir jetzt mit Gl. (2-6) auswerten wollen.
Tabelle 2.1 Arten von Arbeit.*
Art der Arbeit | dw | Bemerkungen | Einheiten† |
Volumenarbeit | – pex dV | pex ist der äußere Druck dV ist die Volumenänderung | Pa m3 |
Oberflächenarbeit | γ dσ | γ ist die Oberflächenspannung dσ ist die Oberflächenänderung | Nm–1 m2 |
Längenausdehnung | f dl | f ist die Spannung dl ist die Längenänderung | N m |
elektrische Arbeit | ϕ dQ | ϕ ist das elektrische Potenzial dQ ist die Ladungsänderung | V C |
* Die Arbeit, die an einem System verrichtet wird, kann man allgemein als dw = – F dz schreiben; dabei bedeutet F eine „verallgemeinerte Kraft“ und dz ist eine „verallgemeinerte Verschiebung“.
† Für Arbeit in Joule (J); 1J = 1Nm = 1VC.
Freie Expansion
Freie Expansion bedeutet, dass keine Gegenkraft der Expansion entgegenwirkt, also pex = 0 ist. Nach Gl. (2-6a) ist in jedem Moment des Expansionsvorgangs dw = 0. Damit gilt insgesamt
(2.7)
Bei der freien Expansion wird folglich keine Arbeit verrichtet. Diese Art der Expansion tritt auf, wenn ein System ins Vakuum expandiert.
Abb. 2.7 Beispiel für ein Indikatordiagramm: Die von einem Gas bei Ausdehnung gegen den konstanten äußeren Druck pex verrichtete Arbeit ist gleich der farbig unterlegten Fläche.
Expansion gegen einen konstanten Druck
Nehmen wir nun an, der äußere Druck sei während der Expansion konstant. So könnte auf den Kolben der Atmosphärendruck wirken, der während der gesamten Expansion konstant bleibt. Ein Beispiel aus der Chemie ist die Expansion eines Gases, das sich im Zuge einer Reaktion in einem offenen Behälter bildet. Zur Auswertung von Gl. (2-6)