Sophienlust Paket 3 – Familienroman. Patricia VandenbergЧитать онлайн книгу.
»Gewiss, Doktor. Sie sind hier jederzeit gern gesehen. Ich habe ja nicht viel zu tun.«
Deutlich hörte er den Unterton von Resignation heraus, der in diesen Worten mitschwang. Asta Berner war nicht glücklich. Sie litt unter ihrer Einsamkeit. Das ehrwürdige Patrizierhaus mit seinen kostbaren Möbeln war für sie ein goldenes Gefängnis, dem sie nicht entfliehen konnte.
Unwillkürlich lächelte Dr. Volkert ihr zu, um ihr ein wenig Mut zu machen. Doch ihr schönes Gesicht blieb ernst.
Ulrich Volkert nahm dieses Bild mit sich. Eine Frau wie Asta Berner war ihm noch nie begegnet.
*
Reni saß im Park in der Sonne. Denise gesellte sich wie von ungefähr zu ihr. »Willst du heute wieder nach Sophienlust?«, fragte sie, als falle ihr das nur eben so ein. »Die Kinder veranstalten ein kleines Reitturnier. Da könntest du fachkundigen Punktrichter spielen.«
»Ja, das will ich gern übernehmen, Denise. Ich …, ich wollte dich sowieso um etwas bitten. Aber ich weiß nicht, ob es unbescheiden wäre.«
»Ich werde nein sagen, wenn’s mir nicht passt«, scherzte Denise. »Bis jetzt bist du gewiss nicht unbescheiden gewesen.«
»Ich falle euch zur Last, Denise. Glaubst du, dass ich das nicht weiß.«
»Was für ein Unsinn. Wir haben wahnsinnig gern Besuch. Henrik wäre todtraurig, wenn du plötzlich abreisen wolltest. Du hast sein Herz erobert. Sozusagen bist du seine erste Liebe.«
»Ja, Denise, Henrik und ich, wir verstehen uns prächtig. Trotzdem möchte ich weg von hier.«
Denise erschrak ein wenig, doch sie zeigte es nicht. »Kann ich dir behilflich sein, Reni?«, fragte sie nur behutsam.
»Ob es in Sophienlust einen Platz für mich gäbe?«, fuhr Reni schüchtern fort. »Dort ist die kleine Manuela. Dieses Kind erinnert mich ein klein wenig an Gitti. Das macht mich seltsamerweise nicht traurig, sondern beinahe ein bisschen glücklich. Könntest du es einrichten, dass ich immer in der Nähe von Manuela bin?«
»Nichts ist einfacher als das, Reni«, rief Denise erleichtert aus. »Das Haus drüben ist ja viel größer als dieses hier. Du kannst ein Zimmer mit eigenem Bad haben. Wenn du willst, bringen wir deine Sachen noch heute hinüber.«
»Danke, Denise. Du darfst nicht glauben, dass ich es hier nicht schön fände. Es ist nur wegen der kleinen Manuela.«
»Ob Sophienlust oder Schoeneich, das macht kaum einen Unterschied, Reni. Henrik wird allerdings ein bisschen enttäuscht sein, fürchte ich.«
»Er ist ja oft genug in Sophienlust, Denise. Ich werde mit ihm sprechen.«
Denise umarmte Reni und küsste sie auf die Wange. »Ich fürchtete schon, du wolltest uns ganz verlassen«, gestand sie lächelnd.
»Ach nein, Denise. Ich kann ja nicht zurück«, erwiderte Reni. Es klang, als existiere ihr Heim in Hellendorf gar nicht mehr.
Seltsam, dachte Denise. Wenn man mit ihr spricht, könnte man meinen, sie sei wieder ganz gesund. Sie schließt sich nicht mehr in ihrem Zimmer ein und nimmt sogar an unseren Mahlzeiten teil. Sie geht spazieren, reitet und hat wieder eine bessere Farbe bekommen. Trotzdem ist im Grunde alles beim alten geblieben. Denn sie gibt Bodo auch jetzt noch die Schuld am Tod ihres Kindes.
»Ich werde gleich meine Koffer packen, wenn es dir recht ist«, versetzte Reni nun voller Eifer. »Allerdings müssen wir Dr. Volkert verständigen, damit er nicht vergebens hierherkommt.«
»Das will ich gern übernehmen, Reni. Du hältst ihn für einen tüchtigen Arzt?«
Reni dachte ein wenig nach, ehe sie antwortete. »Man kann gut mit ihm sprechen, Denise. Aber eigentlich wäre es gar nicht nötig, dass er so oft zu mir kommt.«
»Dann geschieht es also mehr aus Höflichkeit, dass du ihn weiterhin empfängst?«
»Ich denke nicht darüber nach, Denise. Vielleicht braucht man einen Menschen wie ihn. Ich bin sicher, dass man ihm vollkommen vertrauen kann. Es gibt nichts, worüber man nicht mit ihm sprechen könnte.«
»Diesen Eindruck habe ich auch von ihm gewonnen.«
»Wunder kann er trotzdem nicht vollbringen, Denise«, seufzte Reni. »Gitti ist tot. Daran kann auch Dr. Volkert nichts mehr ändern.«
Denise führte Reni rasch ins Haus. Dort trafen sie Nick, der sich eben auf den Weg nach Sophienlust machen wollte, um die letzten Vorbereitungen für das Reitturnier zu treffen.
»Tante Reni stellt sich als Punktrichter zur Verfügung«, rief Denise ihm zu. »Im Übrigen wohnt sie ab heute in Sophienlust.« Nick blieb stehen. »Warum denn?«, fragte er verwundert.
»Ich möchte es gern, Nick. Bist du einverstanden?«, schaltete sich Reni ein. Sie wusste genau, dass Nick nach dem Testament seiner Urgroßmutter Eigentümer von Sophienlust war und schon gern ein Wort mitredete.
»Klar bin ich einverstanden, Tante Reni«, erwiderte er sofort.
»Es ist nun mal der schönste Platz der Welt.«
»Danke, Nick. Bis nachher.«
Der Junge schwang sich auf sein Rad. Denise und Reni schauten ihm nach. »Er wird immer hübscher«, meinte Reni.
»Sag’s ihm nicht«, bat Denise im Scherz. »Er wird sonst eitel.«
Zwei Stunden später übersiedelte Reni von Hellendorf in das Haus der glücklichen Kinder. Sie erhielt ein freundlich eingerichtetes Zimmer und fand kaum Zeit, ihre Koffer auszupacken, denn das Turnier sollte sofort beginnen.
Irmela führte Reni zum Reitplatz, wo zwei Hindernisse aufgebaut waren. Zuerst waren die Kleinen an der Reihe. Sie ritten auf den Ponys und führten allerlei Kunststücke vor. Henrik, Vicky und ein paar andere Kinder wagten dann sogar die vorgeschriebenen Sprünge über die Hindernisse. Es gab viel Beifall und selbstverständlich eine hohe Punktwertung bei Reni und Justus, der ebenfalls Punktrichter war.
Für die größeren Kinder wurden die Hindernisse erhöht. Justus hatte sich einen richtigen Parcours ausgedacht und erklärte die Regeln. Mit gespannter Aufmerksamkeit verfolgten Kinder und Erwachsene die einzelnen Reiter. Im ersten Durchgang schafften sie es allesamt fehlerfrei. Also wurden die Bedingungen weiter erschwert. Nun zeigte sich deutlich, dass Irmela und Nick mit Abstand die besten Reiter waren.
Erst im dritten Durchgang gelang Nick ein knapper Sieg. Irmela war die Erste, die ihm gratulierte. Preise wurden bei solchen Gelegenheiten nicht vergeben. Man ritt um die Ehre.
»Ich möchte auch so reiten können wie Irmela«, sagte Manuela mit einem kleinen Seufzer zu ihrer großen Freundin Reni, von deren Seite sie die ganze Zeit nicht gewichen war. »Ob sie es mir zeigt?«
»Fragen wir sie doch. Ich reite auch gern, Manuela. Wenn du willst, versuchen wir es alle gemeinsam.«
Irmela erklärte sich sofort bereit, Manuela Unterricht zu erteilen. »Ich war geradeso alt wie du, als ich mit dem Reiten anfing«, meinte sie.
»Meine Mutti und mein Papi werden sich wundern, wenn sie wiederkommen«, erklärte Manuela.
Reni legte unwillkürlich die Hand auf Manuelas dunkles Haar. Der Gedanke, dass dieses Kind jemals von ihr getrennt werden könnte, erschreckte sie.
Henrik gesellte sich zu der kleinen Gruppe. Reni wandte sich sofort ihm zu, denn sie hatte Denises Hinweis nicht vergessen.
»Hoffentlich bist du mir nicht böse, Henrik, dass ich jetzt eine Zeit lang in Sophienlust wohnen möchte. Wir werden uns trotzdem jeden Tag sehen, denke ich.«
Henrik schluckte einmal. »Schad ist es schon, Tante Reni. Aber ich hab’ ja darüber nicht zu bestimmen.«
»Können wir nicht auch hier gute Freunde sein?«
»Das schon«, meinte der blonde Bub zögernd. »Aber hier sind so viele Kinder. In Schoeneich waren wir allein.«
Reni