Sophienlust Paket 3 – Familienroman. Patricia VandenbergЧитать онлайн книгу.
werden, wenn er gänzlich verzweifelt?«
Ulrich Volkert atmete rascher. Das, was Asta Berner ihm mitteilte, bewegte ihn. Er kannte Bodo von Hellendorf und wusste um die doppelte Belastung, die er zu ertragen hatte. Als Arzt war ihm klar, dass eine plötzliche Abwendung Asta Berners für den hart geprüften Mann eine Gefahr werden konnte. Bodo von Hellendorf befand sich nach Dr. Volkerts Beobachtungen ohnehin in einem depressiven Zustand, was eine Folge der tragischen Ereignisse, die ihn getroffen hatten, war.
»Ihr Freund braucht Sie, Frau Berner«, erklärte Dr. Volkert schließlich. »Trotz Ihrer Bedenken dürfen Sie ihn zum jetzigen Zeitpunkt nicht allein lassen.«
»Bedeutet es nicht, dass ich zwischen ihm und Reni stehe? Genau das möchte ich um jeden Preis vermeiden.«
»Solange Sie nichts für sich selbst wollen, können Sie das Paar nicht trennen, Frau Berner. Ich halte Sie für eine Frau mit einer starken Seele und einem großen Herzen. Es wird Ihnen möglich sein, Herrn von Hellendorf auch weiterhin zur Seite zu stehen. Einen guten Freund, der in Not ist, darf man nicht ohne Zuspruch lassen.«
»Sie haben viel Vertrauen zu mir, Doktor. Haben Sie denn Hoffnung, dass meine Freundin eines Tages nach Hellendorf zurückkehrt?«
»Wir Ärzte hoffen immer, Frau Berner. Nur verlangen Sie bitte nicht von mir, dass ich genaue Prognosen stelle. Ich kann es nicht. So bitter es sein mag – wir dürfen die Augen nicht davor verschließen, dass sehr, sehr viel Zeit verstreichen kann, bis die Patientin so weit ist, dass sie den Verlust ihres Kindes akzeptiert und ihr Schicksal annimmt.«
»Gibt es Fälle, in denen eine Heilung unmöglich ist, Doktor«, wagte Asta zu fragen.
Ulrich Volkert neigte den Kopf.
»Ja, es gibt solche Fälle. Es wäre leichtfertig, wenn ich Ihnen das verheimlichte. Trotzdem haben wir nicht das Recht, die Hoffnung aufzugeben. Der Fall von Frau von Hellendorf beschäftigt mich ganz besonders. Gerade deshalb möchte ich Sie bitten, ihrem Mann jetzt nicht aus dem Weg zu gehen. Man kann das Thema vermeiden, wie ich es auch bei Frau von Hellendorf tue. Es gibt tausend andere Möglichkeiten, miteinander zu sprechen und seine Freundschaft zu beweisen. Richten Sie sein Interesse auf den Gutsbetrieb, auf das Tagesgeschehen. Versuchen Sie ihn auch davon abzubringen, dass er sich ständig nur mit seinem schweren Problem beschäftigt, das im Augenblick doch nicht zu lösen ist.«
»Ist Ablenkung denn eine Hilfe?«, zweifelte die gewissenhafte Asta. »Muss man sich nicht letzten Endes mit dem Schicksal auseinandersetzen?«
»Letzten Endes, Frau Berner. Aber wir sind noch nicht am Ende. Möglicherweise stehen wir in diesem Fall sogar erst am Anfang.«
»Dann will ich es also versuchen«, erklärte Asta mit einem tiefen Aufatmen.
»Ich stehe jederzeit zu Ihrer Verfügung, wenn Sie sich aussprechen möchten. Dass es eine schwere Aufgabe ist, die Sie übernehmen, weiß niemand besser als ich.«
Asta erhob sich. Dr. Volkert beugte sich über ihre Hand. »Gibt es so etwas wie eine Freundschaft zwischen uns?«, fragte er mit unerwarteter Herzlichkeit. »Ich wäre darüber sehr glücklich.«
»Sonst wäre ich wohl nicht zu Ihnen gekommen, Doktor.«
Er begleitete sie persönlich bis zur Tür. Dann kehrte er in sein Ordinationszimmer zurück und saß ein paar Minuten regungslos hinter seinem Schreibtisch, die Augen geschlossen, die Hände zusammengelegt wie zum Gebet. Niemand sollte wissen, dass er diese Frau tief verehrte. Nein, mehr als das.
Endlich drückte er auf den Knopf, der seiner Helferin signalisierte, dass er bereit sei, den nächsten Patienten zu empfangen.
*
Der Zug war voll besetzt, die Reise lang. Unter den vielen Fahrgästen aus Spanien, die nach Deutschland wollten, weil es dort Arbeit und besseren Verdienst für sie gab, waren zwei Menschen, denen die Strapazen dieser unbequemen Fahrt rein gar nichts auszumachen schienen. Maria und Fernando Cortez saßen so eng aneinandergeschmiegt wie ein Paar auf der Hochzeitsreise. Sie hielten sich bei den Händen und sprachen meist so leise miteinander, dass die anderen sie nicht verstehen konnten.
»Ein Segen, dass du die Miete im Voraus bezahlt hast, Maria«, sagte Fernando. »Du bist eine kluge Frau.«
»Sie haben mir auch versprochen, dass ich die Arbeit am Gymnasium wiederbekomme.«
»Wie es bei mir wird, weiß ich nicht genau«, entgegnete der Mann, dem man die eben überstandene schwere Krankheit noch ansah, ein wenig besorgt. »Aber ich habe die Papiere mit. Darin steht, dass ich krank geworden bin. Ich glaube, dass die deutschen Firmen ihre Leute nicht entlassen, wenn sie krank werden.«
»Warten wir es ab, Fernando. Als wir das erste Mal nach Deutschland fuhren, war alles viel unsicherer. Jetzt hast du eine Arbeitserlaubnis. Es wird sich bestimmt etwas für dich finden. Ich muss immerzu an Manuela denken. Die Dame war so lieb.«
»Ein Schloss ist es, nicht wahr? Unsere Manuela in einem Schloss. Hoffentlich will sie jetzt noch zu uns in das kleine Zimmer zurück.«
Maria Cortez lächelte. »Sie ist doch unser Kind, Fernando. Sicher hat sie es sehr gut in dem Heim. Aber die Liebe von Mutter und Vater ist das Kostbarste auf der Welt. Sie ist mehr wert als alles Geld.«
Fernando nickte bedächtig und schaute aus dem Fenster. Draußen flog die frühsommerliche Landschaft vorbei. Sie hatten die deutsche Grenze nun schon hinter sich und damit den größten Teil ihrer weiten Reise. »Du hast recht, Maria«, sagte er. »Aber Kinder verstehen so etwas manchmal nicht. Sie urteilen nach dem äußeren Glanz. Vielleicht ist es Manuela doch nicht mehr gut genug bei uns.«
»Warte es ab, Fernando. Manuela wird sicher vor Freude tanzen und sofort mit uns kommen. Da möchte ich sogar mit dir wetten. Ich bin so dankbar, dass du gesund geworden bist. Es war eine schreckliche Zeit.«
Fernando legte den Arm um die Schultern seiner hübschen jungen Frau. »Arme Maria. Ich kann mich bis heute nicht daran erinnern, wie es anfing. Als ich das erste Mal ein wenig zur Besinnung kam, hast du neben meinem Bett gesessen und meine Hand gehalten.«
»Du warst eine volle Woche ohne Bewusstsein. Das Fieber wollte nicht weichen. Der Arzt hatte schon die Hoffnung aufgegeben. Deshalb erlaubte er mir, Tag und Nacht bei dir zu bleiben.«
»Ohne dich wäre ich wohl nicht mehr aufgewacht, Maria. Deine Liebe hat mich festgehalten und gerettet.«
»Nicht meine Liebe, Fernando – Gottes Hilfe. Ich habe bei dir gesessen, den Schwestern ein wenig geholfen und gebetet. Was hätte ich denn tun sollen, wenn du gestorben wärest?« Ihr rannen ein paar Tränen über die Wangen.
Fernando lächelte. »Du brauchst jetzt nicht mehr zu weinen, Maria. Ich bin gesund, und wir fahren wieder nach Deutschland. Wir werden da weitermachen, wo wir aufgehört haben. In ein paar Jahren sind wir dann so weit, dass wir uns in Spanien ein kleines Haus bauen können. Dann bekommt Manuela ein Schloss, das ihr wirklich gehört.«
Maria lachte ein wenig. »Ach, Fernando, ein Schloss wird es sicherlich nicht. Nur ein einfaches Haus. Aber das ist schon viel.«
Der Zug lief in den Bahnhof ein. Maria und Fernando stiegen aus. Man reichte ihnen die Reisetaschen durchs Fenster hinaus.
»Hasta la vista – auf Wiedersehen – viel Glück«, erklang es von überall her.
Das junge Ehepaar blieb am Bahnsteig stehen, bis der lange Zug wieder abfuhr. Maria und Fernando winkten. Es war, als entgleite ihnen mit diesem Zug voller Landsleute das letzte Stückchen Heimat. Doch sie waren nicht traurig. Der Herrgott hatte es gut mit ihnen gemeint. Er hatte Fernando wie durch ein Wunder gesund werden lassen. Sie hatten eine Bleibe, und sie wussten, dass sie endlich wieder mit ihrem Töchterchen vereint sein würden.
Fernando ergriff die Taschen. Der Anschlusszug nach Maibach ging in zwanzig Minuten.
Die Fahrt nach Maibach dauerte nur eine gute Stunde, doch sie erschien den ungeduldigen Reisenden länger als der weite Weg von Spanien nach Deutschland. Da jedoch alles einmal ein Ende hat, erreichten sie das ersehnte Ziel schließlich