Sophienlust Paket 3 – Familienroman. Patricia VandenbergЧитать онлайн книгу.
nickte nur und zündete sich dann eine Zigarette an.
»Das heißt, er ist noch dort.« Auf einmal hatte Renate das Bedürfnis, ihm alles zu sagen, mit jemandem über ihre Liebe zu sprechen, die keine Aussicht auf Erwiderung zu haben schien.
Jürgen Aigner hörte ihr verständnisvoll zu. Innerlich atmete er auf. Renate war erst fünfundzwanzig, also fast noch ein junges Mädchen mit großen Illusionen, mit Wachträumen, die nur selten Wirklichkeit wurden. Er aber war Realität und alt genug, um geduldig zu warten. So, wie sie ihm ihre Liebe schilderte, würde sie niemals Erfüllung finden, überlegte er. Mit väterliche Güte redete er auf Renate in dem Bewusstsein ein, dass der Tag nicht mehr fern sein würde, an dem sie begreifen würde, dass sie sich in etwas Sinnloses verrannt hatte.
»Darf ich trotzdem Ihr Freund bleiben, Renate? Ich würde mich auch freuen, wenn Sie mich privat Jürgen nennen würden. Bitte, Renate, sagen Sie es ein einziges Mal.«
Renate war so erleichtert über seine Reaktion, dass sie mit Freuden sagte: »Jürgen, ich danke Ihnen.«
»Ich danke Ihnen auch, Renate.« Er zog ihre Rechte an seine Lippen und küsste sie. »Sie werden in mir immer einen Freund haben.«
»Ich bin sehr froh darüber.« Sie lachte glücklich auf. »Dabei hatte ich richtig Angst, Ihnen alles zu sagen.«
Wie jung sie noch ist, dachte er mit tief empfundener Zärtlichkeit. Sie gehörte zu den Frauen, die in einem Mann unwillkürlich den Beschützerinstinkt wecken.
Als Freunde trennten sich die beiden an diesem Abend. Renate schlief in dieser Nacht besser als in all den Wochen davor. Das Gefühl, einen selbstlosen Freund zu haben, war für sie wie ein Wunder.
*
Am Wochenende fuhr Renate nach Sophienlust. Jeremy brachte sich fast um vor Freude über das Wiedersehen.
Renate hatte ihm einen Teddybären mitgebracht, der viel Ähnlichkeit mit dem Sophienluster Teddy Stupsi hatte. Diesen Teddy hatte Denise für einen besonderen Zweck gekauft. Wenn sie kleine Kinder, die aus irgendeinem Grund untröstlich waren, beruhigen musste, besonders abends beim Schlafengehen, dann war der Teddybär oft ein kleines Zaubermittel.
Jeremy hatte einmal zu Renate gesagt, er möchte auch so einen Stupsi haben, der ihm aber ganz allein gehören müsse. Renate hatte diese kindlichen Worte nicht vergessen. Und nun drückte der kleine Junge das Stofftier jubelnd an sich und schleppte es den ganzen Tag mit sich herum.
Während des Tages kamen Renate und Schwester Regine nicht dazu, sich zu unterhalten. Aber am Abend, als die Kinder im Bett lagen, fand sich endlich eine Möglichkeit dazu. Da es ein sehr schöner Abend war, gingen die beiden Freundinnen hinaus in den Park und setzten sich in die Laube. Dort erzählte Renate Regine von Jürgen Aigner.
»Glaubst du nicht, dass es ein Fehler war, seinen Antrag abzulehnen, Renate?«, fragte Regine.
»Eigentlich hat er mir noch keinen Antrag gemacht.«
»Aber er wollte dir einen machen, und du hast es gar nicht so weit kommen lassen, nicht wahr?«
»Weil ich Roy Bennet liebe!«, rief Renate leidenschaftlich. »Ich höre aus deinem Tonfall heraus, dass du auch von der Aussichtslosigkeit meiner Liebe überzeugt bist, Regine. Trotzdem bleibe ich lieber allein als …«
»Ich habe Sie gesucht«, wurde Renate in diesem Augenblick von dem Hausmädchen Ulla unterbrochen. »Frau Rennert bittet Sie, ins Haus zu kommen. Eine telefonische Voranmeldung aus England ist da.«
Renate presste beide Hände auf ihr wildschlagendes Herz. »Für mich?«, fragte sie fassungslos.
Von da an hatte Renate das Gefühl, zu träumen. Als sie Roys Stimme hörte, brachte sie vor Glück zuerst kein Wort über die Lippen. Doch dann fragte sie endlich: »Ist etwas geschehen, Roy?«
»Eigentlich nichts Besonderes, Renate. Wie geht es Jeremy? Ich habe aufs Geratewohl angerufen, weil Sie doch schrieben, dass Sie am Wochenende wieder in Sophienlust sind.«
»Jeremy geht es gut.«
»Das ist fein. Und Ihnen? Wie geht es Ihnen, Renate?«
»Auch gut. Wollen Sie Jeremy noch länger hierlassen?«
»Sobald ich mit den Erntearbeiten fertig bin, kommen Daisy und ich, um ihn abzuholen. Werden Sie dann auch dasein, Renate?«
»Natürlich werde ich dasein. Und Daisy? Wie geht es ihr?«
»Das ist es, was mich bedrückt. Sie ist sehr schwierig geworden. Ich …« Roy zögerte. Doch dann fügte er kaum verständlich hinzu: »Sie wird einfach nicht mit dem Schicksalsschlag, der uns getroffen hat, fertig, Renate. Am liebsten würde ich sie nach Sophienlust bringen, aber sie will nicht von hier fort. Ich hoffe, dass wir uns in spätestens einem Monat sehen, Renate.«
»Ich freue mich sehr«, erwiderte sie mit einer ganz kleinen Stimme, weil ihr Herz zum Zerspringen klopfte.
»Auf Wiedersehen, Renate. Grüßen Sie Jeremy herzlich und alle anderen.«
»Und Sie bitte Daisy. Auf Wiedersehen.«
Es knackte in der Leitung, aber noch immer hielt Renate den Hörer in der Hand in der Hoffnung, noch einmal seine geliebte Stimme zu hören. Verklärt legte sie dann auf. Als sie sich umblickte, stellte sie fest, dass sie allein im Büro war. Regine und die Heimleiterin hatten sich taktvoll zurückgezogen. Renate war froh darüber. So konnte sie sich noch einen Augenblick ganz ihrer Freude hingeben.
»Roy, geliebter Roy«, flüsterte sie selig. Dass er sie angerufen hatte, war für sie der Beweis dafür, dass sie ihm doch nicht ganz gleichgültig war.
Renates Gesicht war wie von innen erleuchtet, als sie das Büro verließ und nach Regine suchte. Sie fand sie zusammen mit Frau Rennert vor dem Kamin in der Halle.
Die Heimleiterin erhob sich sogleich und sagte gute Nacht. Dabei entging ihr nicht das Leuchten in Renates Augen. Schon längst hatte sie so etwas geahnt. Sie wünschte vor allem Jeremy, dass er in Renate Hagen eine zweite Mutter finden würde.
Renate unterhielt sich noch ein Weilchen mit ihrer Freundin Regine, aber sie sehnte sich insgeheim nach dem Alleinsein, um sich jedes Wort von Roy noch einmal ins Gedächtnis zurückrufen zu können. Regine lächelte versteckt und schlug vor, schlafen zu gehen.
»Du wirst mich für unhöflich halten«, sagte Renate, als sie sich trennten. »Aber der Anruf hat mich völlig durcheinander gebracht.«
»Verständlich. Du hast es schon richtig gemacht, Renate.«
»Was denn?« Verwundert sah Renate die Kinderschwester an.
»Dass du den Antrag deines Oberarztes nicht angenommen hast.«
»Ich weiß.« Renate lächelte verklärt.
Endlich war sie allein mit ihren glücklichen Gedanken. Weit öffnete sie die Fensterflügel und blickte hinaus in den Park.
»Roy, geliebter Roy«, flüsterte sie wieder. »Eines Tages werden wir glücklich sein. Ja, eines Tages.«
*
Das Zusammenleben mit Daisy wurde für Roy immer schwieriger. Ihre großen vorwurfsvollen Augen verfolgten ihn bis in seine Träume. Das Schlimme war, dass sie ihm keine Angriffspunkte bot. Still verrichtete sie die Hausarbeiten und vernachlässigte auch die Schule nicht. Doch ihr Gesicht wurde immer spitzer. Außerdem sprach sie immer wieder von ihrer Mummy. Mummy hätte das gesagt, Mummy hätte das so gemacht. Mummy wäre traurig gewesen, dass Jeremy so lange in einem Kinderheim bleiben muss, ohne Mummy ist das Leben nicht schön.
Roy war ein Mann, der von morgens bis abends schwer arbeitete. Am Abend sehnte er sich nach Ruhe und nach einem gemütlichen Heim. Manchmal klagte er sich selbst an, weil seine Trauer um Mary bereits einer stillen Melancholie gewichen war. Noch immer besuchte er täglich ihr Grab, aber er litt nicht mehr so wie in der ersten Zeit. Und immer öfter irrten seine Gedanken zu Renate Hagen ab. Nach wie vor las er ihre Zeilen mit Freude und beantwortete jeden ihrer Briefe. Obwohl