APEX. Ramez NaamЧитать онлайн книгу.
auf sich genommen hatten. Aber er konnte nicht atmen. Entweder die Schmerzen, die Angst oder die Strapazen durch das Aufsteigen der Treppen hinauf in die Garage und dann in den Truck waren zu viel für ihn gewesen.
Schweißgebadet legte er eine Hand auf die Stelle, wo die Bandage seine Schusswunde abdeckte. Sie war komplett durchnässt.
Er öffnete seine Augen. Miller war gar nicht mit ihm im Truck. Earl und Emma standen draußen vor dem Truck, zwischen Pick-up und Garagenwand. Das ältere Pärchen hielt sich im Arm, wobei die rundliche Frau ihre Augen geschlossen und die Hände um den Nacken ihres grauhaarigen Ehemanns gelegt hatte. Waren das Tränen in Emmas Gesicht?
Er schloss seine Augen, um den beiden ihre Privatsphäre zu lassen.
Noch mehr Leute, die Kopf und Kragen für mich riskieren, dachte er.
Er öffnete seine Augen wieder und für einen Moment sah er nicht Earl und Emma da draußen stehen. Er sah seine Mutter und seinen Vater. Sein Magen verkrampfte sich.
Earl Miller kletterte in die Fahrerkabine und verstaute seine Flinte und die Munitionsboxen hinter den Sitzen. Dann öffnete sich das Garagentor, und der Wind stieß heulend zu ihnen hinein.
Hurrikan Zoe war mittlerweile älter und schwächer geworden, aber sie war immer noch ein Monster.
Sie griff sie von der Seite an, als Earl aus der Garage herausfuhr und schaukelte den Truck. Rangan stöhnte auf, als sich etwas in seiner Bauchgegend zusammenzog und eine neue Schmerzwelle durch ihn jagte. Wind sauste in die Garage und wirbelte losen Schmutz auf. Eine Mülltonne rollte mit voller Wucht gegen die Wand und schmiss ein Werkzeugregal um. Dann waren sie endlich komplett aus der Garage heraus.
Immer noch im Rückwärtsgang konnten sie sehen, wie die Bäume sich hinter ihnen verbogen, während der Wind um sie herum heulte und der Regen gegen die Windschutzscheibe peitschte. Das Garagentor senkte sich hinter ihnen.
»Gefährliche Wetterverhältnisse festgestellt«, meldete der Truck in einer tiefen weiblichen Sprechstimme.
Das Garagentor bewegte sich plötzlich in die andere Richtung und begann sich wieder zu öffnen.
»Suche Schutz«, fuhr der Truck fort.
Der Truck schaltete abrupt in den Vorwärtsgang. Die Leuchtanzeige wechselte von MANUELL zu AUTOMATIK und der Truck bewegte sich vorwärts in Richtung des offenen Garagentors, geradewegs auf die herumrollende Mülltonne zu.
Earl Miller klammerte seine Hände um das Lenkrad. »Außer Kraft setzen!«, schrie er auf den Truck ein. Und der Truck kam zum Stillstand. Die Leuchtanzeige schaltete wieder zurück zu MANUELL und Earl Miller setzte erneut zum Rückwärtsgang in die lange Einfahrt an, als Zoe sie mit Schotter, Regen und Schmutz erwischte.
»Warnung«, sprach der Truck. »Gefährliche Wetterverhältnisse festgestellt. Sie sollten die Fahrt beenden und unverzüglich Schutz such…«
»Halt’s Maul!«, befahl Earl Miller dem Wagen und unterbrach ihn mitten im Satz.
Der alte Farmer schüttelte den Kopf. »Ich hätte mir niemals diesen neuen Truck anschaffen sollen«, brüllte er über den Lärm des Sturms hinweg.
»Fahrzeuge sollten nicht sprechen, es sei denn man spricht sie an.«
Rangan versuchte trotz seiner Schmerzen ein Lachen aus sich rauszukriegen. Doch es gelang ihm nicht.
Earl steuerte sie in die Dunkelheit. Er befand sich in Manuell-Schaltung und der Truck lief nur auf Batterie. Er hatte die Lichter ausgeschalten. Zoe attackierte sie, versuchte, sie vom Weg abzubringen, warf Äste und Schmutz und immer wiederkehrenden Platzregen nach ihnen.
Rangan fror am ganzen Körper, trotz all der Decken, die er um sich herumgewickelt hatte. »Die haben Seminole abgeriegelt«, brüllte der alte Mann. »Und auch den Sportswood Trail, Highway 33, Orange Road, James Madison Highway.« Miller schüttelte den Kopf. »Die versuchen alles, um dich zu kriegen.« Rangan stöhnte auf, als sie durch ein Schlagloch bretterten.
Die Windschutzscheibe hatte in den Nachtmodus umgeschaltet und verwandelte die Außenwelt in eine surreale, grünliche Landschaft. Lediglich die Umrisse der schlammigen, überfluteten Straße, der niedergebogenen Bäume und Kreuzungen waren zu erkennen.
Jedoch änderte sich die Ansicht ständig, verzerrte sich in einer bizarren Art und Weise. Die Prozessoren hatten Schwierigkeiten, die Welt, die vor ihnen lag, durch den harschen Regen und den heulenden Wind zu analysieren. Sie fuhren fast blind. Und zu allem Überfluss wurden sie auch noch verfolgt.
Rangan zwang sich, zu sprechen, um sich von seinen Schmerzen und der Furcht abzulenken. »Werden sie nicht unsere Bewegungen sehen können?«
Wieder flogen ihnen Trümmer aus der Dunkelheit der Nacht entgegen. Aus Reflex ging Rangan in Deckung. Earl Miller riss das Lenkrad herum, um auszuweichen.
»Die können ihre Drohnen in diesem Wetter nicht fliegen lassen!«, schrie Miller. »Also können sie uns nicht auf dem Satelliten sehen!«
Bruchstücke von Polizei-Fernsehsendungen kamen Rangan in den Sinn. »Infrarot?«, fragte er.
»Gehst du jemals auf die Jagd, mein Sohn?«, fragte Earl Miller.
»Nur nach Frauen«, antwortete Rangan.
Earl Miller schmunzelte darüber. »Nun, ich jage Wild«, sagte er.
Plötzlich kam etwas auf sie zugeflogen. Rangan stieß einen Schrei aus und drehte sich weg. Mit einem Ruck riss Miller das Lenkrad erneut herum. Ein massiver Ast krachte auf seine Seite. Der Truck kam ins Wanken. Schmerzen rannen durch Rangans Flanke und bis in seine Eingeweide. Plötzlich stieß wieder etwas anderes gegen das Fenster über Millers Tür und hinterließ ein Spinnennetz an Rissen im Glas. Zoe nutzte diese Gelegenheit, um sie von einem neuen Winkel aus anzugreifen und verwandelte ihre Windschutzscheibe in einen Wasserfall, der die Umrisse der Straße um ein Vielfaches vergrößert erscheinen ließ, und stieß so heftig gegen die linke Seite des Trucks, dass Rangan Angst hatte, die Reifen würden von der Straße abheben. Doch dann gelang es Earl Miller irgendwie, sie wieder auf die überflutete Landstraße zurückzubringen, und sie fuhren geradewegs wieder in den Wind hinein.
Miller holte tief Luft, dann noch mal. Eine Weile später konnte er wieder sprechen. »Nachts jagt man Wild mit Infrarot, mein Sohn.
Man kann es so klar erkennen, als wäre es Tag, fast einen Kilometer weit. Es sei denn du hast dichten Nebel vor dir.« Er warf Rangan einen kurzen Blick zu und nickte. »Oder einen heftigen Regensturm.« Er richtete seine Augen wieder zurück auf die Straße. »Und einen batteriebetriebenen Truck, mit ausgeschalteter Heizung.«
Rangan zitterte und verkroch sich tiefer in seine Decken.
Rangan hatte längst den Überblick verloren über all die Drehungen und Wendungen, die Earl eingeschlagen hatte. Ihm war so kalt. Er war so müde. Alles schmerzte. Sein Hemd war über dem Verband der Schusswunde durchnässt.
Earl durchquerte mit dem Truck eine überflutete Vertiefung in der Straße. Sie war so tief, dass das Wasser durch ein Loch in seiner Tür sickerte, da wo der Ast des Baumes eingeschlagen war. Dann hatten sie es endlich ans andere Ende geschafft. Sie fuhren über engste Wege, die nur noch aus Schlamm bestanden. Der Wind wirbelte den Schlamm auf und peitschte ihn gegen ihre Windschutzscheibe. Sie fuhren durch ein Feld hindurch, das von Zoe niedergewalzt worden war. Die Reifen hatten kaum genug Grip, um sie zurück auf die Straße am anderen Ende zu bringen. Earl fuhr auf eine Überführung, wurde dann langsamer und bog auf einen Damm ein, anstatt wie bisher der Straße zu folgen.
Vor ihnen erschienen Lichter. Lichter, die sich bewegten.
Daraufhin fuhr Earl zur Seite und hinter eine Baumreihe, bis ein anderer Pick-up an ihrem Versteck vorbeigefahren war und seinen Weg stadtauswärts fortsetzte. Dorthin, von wo sie gerade gekommen waren.
Endlich, über eine Stunde nachdem sie die Farm verlassen hatten, tuckerten sie langsam und vorsichtig in Madison ein. Sie nahmen die kleinstmöglichen Straßen und dann bog Earl schließlich in eine Gasse, einen Block von St. Marks entfernt, ein.