APEX. Ramez NaamЧитать онлайн книгу.
innerhalb dieser Stunde, die sie gebraucht hatten um sich der Stadt auf gewundenen Pfaden zu nähern. Zoe war nach und nach am Absterben.
Earl Miller zog sein Telefon hervor, wählte eine Nummer, sprach ein paar Worte hinein, lauschte, und legte dann wieder auf.
»Die werden das Seitentor für uns aufmachen.«
»Wird die Polizei nicht Ihren Anruf verfolgen können?«, fragte Rangan.
»Kommt drauf an, wie sehr die dich wollen«, sagte Earl nickend. »Die werden alle Anrufe von allen Häusern in der Umgebung abhören.«
»Und was dann?«
Miller zuckte die Achseln. »Mein Enkel Jamie«, sagte er. »Das Zeug, das du gemacht hast. Dieses Nexus. Es hat ihn verändert. Er und sein Paps haben es genommen. Er ist so viel besser geworden … er schaut dir in die Augen, er hört dir zu, er redet mit dir, umarmt dich.«
Rangan schaute zu dem Farmer hinüber.
»Diese Hurensöhne haben ihn mir weggenommen, haben ihn irgendwo weggesperrt.«
Miller drehte seinen Kopf und erwiderte Rangans Blick.
»Levi hat mir erzählt, dass du die Möglichkeit gehabt hast, aus dem Knast zu entkommen, aber du wolltest nicht ohne die Kinder abhauen. Ist das wahr?«
Rangan schnürte es die Kehle zu. Er nickte.
»Mister Miller … Ihr Enkel, Jamie …«
»Ich weiß, er ist nicht unter den Jungs, die du rausholen konntest, mein Sohn«, sagte Miller. »Aber er hätte einer von ihnen sein können.«
Millers Telefon klingelte. Er schaute hinab und tippte es an. Dann konzentrierte er sich wieder auf die Fahrt.
»Mir scheint, du hast das größere Risiko auf dich genommen, als ich es tue«, fuhr der Farmer fort.
Rangan lehnte sich zurück. Er wusste nicht im Geringsten, was er darauf sagen sollte.
Earl fuhr von der Gasse ab, zurück in den Wind. Als er abbog, kamen sie an der Rückseite einer Kirche an. Dann gelangten sie an das Seitentor und es tat sich vor ihnen auf.
»Pass auf dich auf, mein Junge. Lass dich nicht erwischen. Der Herr hat noch viel mit dir vor.«
Rangan lehnte sich all seiner Schmerzen zum Trotz zu ihm vor und umarmte Earl Miller. »Sie passen besser auch auf sich auf, Mr. Miller. Für Sie gibt es auch noch so einiges zu tun.«
Dann öffnete sich die Tür des Trucks und Levi stand vor ihm. Zusammen mit einem anderen Mann, den er nicht kannte. Sie öffneten seinen Gurt und halfen ihm aus dem Truck. Die erste Bewegung schmerzte. Die zweite noch mehr. Dann durchbohrten ihn Höllenqualen und sein Körper krümmte sich.
Er brach zwischen den beiden Männern zusammen, als sie ihn durch die Kirchentür schleppten.
Aus seinem Inneren überkam ihn eine eisige Kälte und seine Sicht verschwamm, bis alles um ihn herum trüb wurde.
Und dann verschwand die Welt vor ihm im Nichts.
9| TRANSIT- UND LAGEBESPRECHUNG
Samstag, 03.11.2040 Kade bestätigte seinen letzten Upload und streamte dann die verbliebenen Dateien von Shivas Satellitenkonstellation durch die GPS-Anbindung des Flugzeugs direkt ins Nexus-OS in seinem Gehirn. Das war’s. Es blieb keine Zeit mehr. Entweder es würde klappen oder eben nicht.
Es muss klappen, sagte er zu sich selbst. Es wird klappen.
Sams Stimme erklang durch die Lautsprecher in der Flugzeugkabine. Sie sprach in Thai, der Kinder wegen. Er konnte nur einen Teil von dem, was sie sagte, verstehen, doch er verstand genug. Sie waren im Landeanflug. Der Plan, auf den sie sich geeinigt hatten, würde sich nun bewähren müssen.
Er spürte, wie die Kinder reagierten. Fünfundzwanzig von ihnen waren in diesen Privatjet gepfercht worden, der eigentlich für die luxuriöse Beförderung von einem Dutzend Erwachsener gedacht war. Sie zogen ihre Sicherheitsgurte fest, kauerten sich aneinander und rollten sich in der Crashposition zusammen, die sie aus Fengs Bewusstsein übermittelt bekommen hatten. Die Nerven lagen blank. Angst. Unsicherheit. Die Kinder waren erstaunlicher als alles, was Kade erlebt hatte. Und doch waren sie immer noch Kinder.
Kade stellte mit seinen Gedanken Verbindung zu ihnen her und öffnete seine Arme, woraufhin Kit, eines der Kinder, auf ihn zukam. Er legte seine Arme um den Jungen – er war vermutlich sieben Jahre alt – und stützte sich und seinen Schützling so gut es ging auf dem Fußboden des Flugzeugs ab. Und dann brachte Sam sie mit nur einem kleinen Ruckeln auf den Boden zurück.
Sam stellte die Motoren ab, schaltete die Kraftstoffpumpen aus und öffnete dann ihren Gurt. Ihre Brust bebte. Ihr Gesicht war glühend heiß. Sie drehte sich um und sah Sarai im Eingang des Cockpits stehen.
Sam öffnete ihre Arme und das Mädchen rannte in ihre Umarmung hinein.
»Ich wusste, du würdest uns da rausholen«, sagte Sarai zu ihr in Thai.
Sam küsste das Mädchen auf ihre Augenbraue und zerwühlte ihr Haar. Sie hörte, wie Feng hinter ihr die Steuerung programmierte. Er hatte die letzten Abschaltvorgänge nach der Landung übernommen.
»Aroon vermisst dich«, sagte Sarai. »Er kann dich nicht spüren. Ich vermisse dich, Sam. Wenn du Nexus wieder hast …«
Sams Brust pochte nun stärker. Kevin Nakamuras Gesicht kam ihr in den Sinn. Ihr Finger hatte den Auslöser betätigt. Kevins Gestalt war durch ihre Brille nur ein grüner Umriss gewesen, der in einen leeren Raum umkippte, als ihre Kugeln sein Gesicht und seine Brust durchschossen … Kade und Shiva hatten sich in ihrem Gehirn bekämpft, hatten jeweils versucht, die Oberhand zu gewinnen. Sie war unter Höllenqualen auf ihre Knie gesunken …
»Sarai, ich …«
»Sam.« Es war Kade, der nun hinter Sarai an der Flugzeugtür auftauchte. Die Tür öffnete sich. »Zeit zu gehen.«
Kade, der in ihrem Gehirn Shiva angriff. Die beiden hatten sie in ihrem Kampf gegeneinander in Stücke gerissen, während sie Kevin bereits leblos in ihren Händen hielt.
Sams Magen verkrampfte sich. Eine Art rasende Wut drohte aus ihrem Inneren herauszubrechen.
Sie schluckte sie herunter. Sie brauchte Kade. Er musste noch seinen Part erfüllen, musste eine Rolle spielen, zu der sie nicht fähig war.
Sie holte tief Luft, schluckte fest, drückte Sarai mit all der Liebe, die sie in sich hatte und machte sich dann auf, ihre indischen Gastgeber zu treffen.
Ein weiblicher Oberst in Uniform empfing sie auf der Rollbahn, Sanghita Atwal. Sie war groß, muskulös, hatte kurze Haare und dunkle Augen. Sie sah äußerst professionell und ziemlich tödlich aus. Uniformierte Sanitäter begleiteten sie. Hinter ihnen konnte Sam bewaffnete Soldaten sehen.
Ihre Gewehre waren zwar schussbereit, doch waren sie nicht wirklich auf das Flugzeug gerichtet. Sie hatten Rettungsfahrzeuge dabei, die Art, die bei Flugzeugabstürzen eingesetzt wurden. Ihre gelben Warnlichter blinkten gemächlich im düsteren Licht kurz vor Dämmerung. Sie standen bereit, doch diesmal würden sie nicht zum Einsatz kommen.
Die Mediziner verarzteten ihre Wunden mit einer kühlen Professionalität, während die Soldaten sie ganz genau im Auge hatten. Jedes Mal wenn Sam sich umschaute, waren da mindestens ein Dutzend von ihnen um sie herum. Und ein weiteres Dutzend umzingelte Feng. Sie standen gerade so weit voneinander entfernt, dass sie sie mit wenigen Schritten erreichen konnten. Dabei hatten sie ihre entsicherten Gewehre mit beiden Händen umklammert.
Etwas weiter entfernt sah sie Kampfpanzereinheiten stehen, die teils bemannt und teils ferngesteuert waren.
Die Inder nahmen diese Angelegenheit scheinbar sehr ernst.
Sie versuchte, dies alles