Toni der Hüttenwirt Paket 3 – Heimatroman. Friederike von BuchnerЧитать онлайн книгу.
Sie aßen zu Ende und tranken das Bier aus.
»Was machen wir jetzt? Willst du zurück zur Berghütte?«
»Nein, Markus! Dort sind so viele Leute. Lass uns hierbleiben.«
Sie packten die Reste ein, legten die Decke auf die Bank und setzten sich. So sahen sie zu, wie die Sonne hinter den Bergen versank. Der Mond stand am Himmel, und die Sterne leuchteten. In der Dunkelheit der Nacht kamen sie sich näher und tauschten viele Küsse voller Zärtlichkeit und Leidenschaft. Markus spürte Tinas Gefühle für ihn. Doch sie sagte ihm nicht, dass sie ihn liebte. Es fiel ihm schwer, sie nicht zu dieser Aussage zu drängen. Er liebte sie so. Aber er hatte auch Verständnis für sie. Tina hatte einen Schock erlitten. Ihr wurde großes Leid zugefügt, von Menschen, denen sie absolut vertraut hatte. Sie hat ein Trauma erlebt. Ich werde Geduld aufbringen müssen, dachte er.
Es war schon Mitternacht, als Markus Tina sicher den schmalen Bergpfad zurück zur Berghütte geleitete. Toni war noch auf.
»Da seid ihr ja! Ich habe mir schon Gedanken gemacht, wo ihr bleibt.«
»Wir sind ins Plaudern gekommen, Toni. Dabei haben wir die Zeit vergessen. Aber jetzt bin ich müde. Welche ist meine Kammer?«, sagte Tina.
»Es ist die erste Kammer hinten, Tina. Die Tür steht offen. Ich habe deinen Rucksack schon hineingestellt.«
»Danke, Toni! Gute Nacht! Dir wünsche ich auch eine gute Nacht, Markus. Vielen Dank für den schönen Nachmittag und Abend. Schlafe gut!«
Sie schenkte ihm ein Lächeln.
»Gute Nacht, Tina! Schlafe gut! Und träume von Hamburg!«
»Ich werde es versuchen!«
Tina ging zu ihrer Kammertür. Sie warf Markus noch einen Blick zu und schloss dann die Tür. Markus hätte sich gern mit einem innigen Gutenachtkuss von Tina verabschiedet, aber das wollte Tina offensichtlich nicht. Die Enttäuschung stand Markus im Gesicht.
*
Nachdem Tina in ihrer Kammer verschwunden war, setzte sich Markus in einen der Schaukelstühle neben dem Kamin. Toni legte zwei große Holzstücke in die Glut, dann zapfte er zwei Bier.
Die Freunde prosteten sich stumm zu und tranken.
»Was gibt es? Hast mit ihr reden können?«
»Ja, das konnte ich. Aber erst nachdem ich ihre Tränen getrocknet habe. Und geküsst haben wir uns auch, das willst du doch wissen, oder?«
Toni grinste. Er trank einen Schluck.
»Des klingt im ersten Augenblick hoffnungsvoll. Aber einen Gutenachtkuss hat sie dir nicht gegeben. Schaust deswegen ein bissel enttäuscht aus.«
»Bist ein guter Beobachter, Toni!«
Markus trank einen Schluck und schaute, wie im Kamin die Flammen sich in das Holz bissen. Es knackte und knisterte. Toni ließ ihm Zeit und wartete geduldig, bis Markus zu erzählen anfing.
»Die Tina tut mir leid. Sie ist eine wunderbare Frau, voller tiefer Gefühle. Alles ist so rein und echt an ihr. Nichts ist oberflächlich oder aufgesetzt. Sie hat es nicht verdient, dass das Leben ihr solche Steine in den Weg legt. Auf der anderen Seite wären wir uns nicht begegnet, wenn das nicht geschehen wäre. So hat alles zwei Seiten, eine weniger gute und eine gute. Das habe ich Tina auch gesagt und hoffte, sie damit zu trösten. Ich weiß aber nicht, ob es mir gelungen ist. Ihr Herz ist voller Bitternis, Groll und Verzweiflung. Es tut mir weh, wenn ich daran denke, Toni. Ich möchte sie beschützen, ihr alle Steine aus dem Weg räumen. Aber es ist auch schwierig mit ihr. Sie küsst mich, lächelt mich an. Ihr Blick spricht von Liebe. Ihre Lippen flüstern liebe Küsse, aber sie bleibt auf Distanz. Es ist schwer für mich, das so hinzunehmen. Toni, sie ist die Frau, die ich gesucht habe, auch wenn ich nicht bewusst gesucht habe. Ich erkannte erst, dass ich nach einem solchen Madl gesucht hatte, nachdem ich Tina fand, verstehst du?«
Toni nickte. Markus trank wieder einen Schluck.
»Du hattest recht, Toni. Es geht um Tinas Elternhaus, den Gerstmair Hof, ihre Heimat. Ihre Eltern wollen den Hof verkaufen. Schulden sind nicht auf dem Hof, sagt Tina. Es gibt also keinen dringenden Grund. Sicherlich muss das Dach erneuert werden, und es sind bestimmt einige Modernisierungsarbeiten zu machen. Es ist, wie es eben ist, irgendwann fallen bei jedem Gebäude solche Ausbesserungen an. Ihre Eltern wollen Tina das Erbe nicht auflasten. Sie wollen ein Mehrfamilienhaus im Neubaugebiet von Waldkogel erstehen. Das Haus muss aber erst noch gebaut werden. Tina haben diese Pläne bis ins Mark getroffen. Sie will nicht vom Hof ausziehen. Sie kann nicht verstehen, dass ihre Eltern solche Pläne haben. Gutachter sind schon dabei, ein Wertgutachten zu erstellen. Mit der Maklerin in Kirchwalden ist die Angelegenheit auch schon vereinbart.«
»Himmel, ist der Gerstmair deppert! So ein Schmarrn! Dem muss der Teufel vom ›Höllentor‹ ins Gehirn geschissen haben. Markus, ich finde keine Worte, um des zu beschreiben. Des ist ja des Hirnloseste, was ich seit langer Zeit gehört habe. Jeder, der gezwungen ist, seinen Hof zu verkaufen, würde Franz Gerstmair für verrückt erklären, weil er ihn freiwillig, weil er ihn ohne Not veräußert. Ich kann die Tina verstehen. Des wäre genauso, als würden meine Eltern die Gastwirtschaft mit der kleinen Pension verkaufen wollen. Da wäre ich auch sauer und meine Schwester Maria auch. Ich glaube, ich würde mit dem Martin reden, unserem Doktor. Er müsste die Eltern untersuchen, weil ich annehmen würde, sie sind geisteskrank. Himmelherrgottsakrament! Des kann doch alles net wahr sein. Des ist unfassbar. So ein Schmarrn! Der Gerstmair muss einen Dachschaden haben, anders kann ich mir des net erklären. Die arme Tina! Darauf brauche ich erst mal einen Obstler. Trinkst mit?«
Markus nickte. Toni holte eine volle Flasche von Alois’ Selbstgebranntem und zwei Wassergläser.
»Auf diesen Schock braucht man größere Gläser!«, sagte Toni und schenkte ein. Sie tranken.
»Und du bist fest entschlossen, dir mit der Tina eine Zukunft …«
»Ja, Toni! Ich liebe Tina. Ich will sie heiraten. Ich werde Ringe kaufen. Ich fahre die Tage nach Kirchwalden, kaufe Eheringe und mache ihr einen Antrag. Sie soll wissen, dass ich es ernst meine. Ich liebe Tina!«
»Des ist Recht so!«
Sie prosteten sich zu und tranken Obstler. Toni schmunzelte und rieb sich das Ohrläppchen. Er sah plötzlich vergnügt aus.
»Ich habe eine Idee, Markus! Sie könnte klappen, wenn du ein bissel trickreich vorgehst. Ich werde dich dabei unterstützen und andere in Waldkogel auch, der Bürgermeister zum Beispiel, der Pfarrer Zandler und andere.«
»Rede nicht so viel um den heißen Brei herum, Toni.«
Toni grinste.
»Deine Familie hat doch eine Metzgereikette mit Feinkostverkauf, richtig?«
»Ja!«
»Und, Markus? Dämmert dir da nicht etwas?«
»Nein, ich bin so voller Sorge um Tina, dass ich nicht klar denken kann.«
»Gut, dann helfe ich dir auf die Sprünge. Wir haben in Waldkogel keine Metzgerei! Früher hatten wir mal einen Schlachter, der von Hof zu Hof ging. Er hatte auf seinem eigenen Hof einen kleinen Laden. Doch er ging in Rente, als ich noch ein junger Bub war. Seine Söhne wollten net Schlachter sein. Seither müssen die meisten Leut’ ihr Fleisch und ihre Wurst in Kirchwalden kaufen. Wenn auf den Höfen geschlachtet wird, kommt aus dem Nachbarort ein Metzger. Die meisten behalten die Wurst und des Fleisch für sich. Aber es gibt viele, die kein Schlachtvieh mehr halten. Denke mal nur an die Leut’ im Neubauviertel. Verstehst, was ich meine?«
Markus’ Augen fingen an zu leuchten. »Toni, des ist es! Bingo! Volltreffer! Ins Schwarze gezielt und getroffen! Du bist schon ein genialer Bursche.«
Markus rieb sich vergnügt die Hände. Er strahlte über das ganze Gesicht.
»Schenk nochmal ein, Toni! Darauf wollen wir trinken! ›Manchmal sieht man vor lauter Wald die Bäume nicht‹! Ich hielt das Sprichwort bisher für eine Übertreibung. Doch es