Toni der Hüttenwirt Paket 3 – Heimatroman. Friederike von BuchnerЧитать онлайн книгу.
Vagabund, der durch die Welt zieht. Das glaube ich nicht ganz. Er hat feine, gepflegte Hände und gute Umgangsformen. So sind Landstreicher im Allgemeinen nicht. Wenn es Schwierigkeiten gibt, dann gib mir Bescheid, Bäuerin. Das denke ich zwar nicht. Aber es liegt auch ein bisserl an euch. Stellt keine Fragen! Till mag das nicht. Ich vermute, dass er nicht bleiben wird, wenn man ihm zu viele Fragen stellt.«
»Gut, Herr Pfarrer! Ich werde mit Katrin reden! Dann warte ich auf ihren Anruf.«
»Pfüat di, Bäuerin!«
»Pfüat di, Hochwürden! Und vergelt‘s Gott!«
Pfarrer Zandler ging davon.
»Frau Küchler, ich bin fertig mit dem Hof!«, sagte Till. »Wo soll ich den Kehricht hintun? Kommt er auf den Misthaufen oder in die Mülltonne?«
»Es ist viel Heu dabei! Tun Sie ihn auf den Misthaufen, Herr Till!«
»Das werde ich machen. Aber sagen Sie nicht Herr Till zu mir. Das passt nicht. Ich bin nur Till und kein Herr!«
Sie schaute ihm in die Augen.
»Gut, wenn du es so willst, Till! Pfarrer Zandler sagte, ich soll keine Fragen stellen. Dann tue ich es auch nicht.«
Er ging darauf nicht ein. Stattdessen trug er den Kehricht zum Misthaufen.
»Wo kommen der Besen und die Schaufel hin?«
»Die Sachen kommen in den Raum neben die Scheune. Es wird am besten sein, wenn ich mit dir einen Rundgang mache. Fangen wir mit dem Stall an. Wir haben zwanzig Schweine. Zwei davon behalten wir für uns, für den Eigenbedarf. Wir haben dreißig Milchkühe. Für mehr haben wir keinen Platz. Sie bekommen Heu und Kraftfutter. Sie werden mit der Melkmaschine jeden Tag zweimal gemolken. Die Milch wird abgeholt. Gegen neun Uhr kommt der Tankwagen und pumpt die Rohmilch aus dem Milchtank.«
Till folgte der Bäuerin, die ihn überall herumführte. Es gab eine Hasenzucht und viele Hühner. Er half ihr, die Eier einzulesen. Dann zeigte sie ihm den großen Bauerngarten.
»Welch ein herrlicher Garten!«, sagte Till leise vor sich hin.
»Freut mich, dass er ihnen gefällt.«
»Ja, er ist sehr schön! Ich kann mich gar nicht genug sattsehen! Er strahlt Frieden aus. Er ist ein Traum, einfach ein Traum.«
»So habe ich noch nie – ich meine selten – jemand reden gehört. Du liebst Gärten?«
»Oh ja!« Till lächelte vor sich hin.
Sie gingen wieder zurück. Die Bäuerin fragte, ob er mitessen wollte. Till verneinte, er habe schon beim Pfarrer gegessen.
»Gut! Wir frühstücken um sechs Uhr. Kommst rüber. Danach zeige ich dir, wie die Kühe mit der Melkmaschine gemolken werden.«
Till nickte. Er bat darum, dass sie ihn weckte, da er keinen Wecker habe.
»Ich bringe dir einen Wecker! Kommst im Altenteil zurecht?«
»Ich denke schon! Danke, dass ich dort wohnen darf.«
»Die Einrichtung ist alt. Sie stammt noch von den Eltern meines Mannes. Die Zimmer bei uns oben sind besser, aber… naja, was soll ich sagen? Katrin… will dich nicht im Haus haben. Es ist mir jedenfalls peinlich, dass des Madl so barsch war.«
»Machen Sie sich darüber keine Gedanken. Normalerweise schlafe ich unter freiem Himmel im Schlafsack.«
Jetzt sah sie seine Hand.
»Was ist mit der Hand? Du hast da eine Verletzung! Das Pflaster ist ganz schmutzig. Ich bringe dir neues Verbandszeug.«
»Danke, das eilt nicht. Es ist ja nur außen. Die Wunde blutet nicht mehr. Ich habe mich an einer Glasscherbe geschnitten.«
»Gute Nacht! Schlafe gut, Till!«
»Danke, Ihnen auch eine gute Nacht!«
Die Bäuerin ging ins Haus. Till setzte sich vorm Altenteil auf die Bank und sah hinauf zu den Berggipfeln, die in den letzten Strahlen der Sonne rot leuchteten. Im Osten war der Himmel schon dunkel.
Das hätte ich mir heute Morgen nicht träumen lassen, dass ich heute Abend auf einem Hof Quartier habe. Es war ein sehr ereignisreicher Tag. Vielleicht hat Pfarrer Zandler nicht unrecht. Alles hat seinen Sinn. Wenn der Bauer nicht krank geworden wäre, hätte ich nie diese junge Frau gesehen. Und damit ich sie sehen konnte, musste ich vorher einen Lastwagenfahrer treffen, der nach Kirchwalden fuhr und dann musste mir der Namen Waldkogel gefallen. Ja, das ist eine sonderbare Verkettung von Umständen, dachte Till.
Er ging hinein und holte aus seinem Rucksack seinen Tabaksbeutel und Zigarettenpapier. Er setzte sich wieder auf die Bank vor das Haus und rauchte.
*
In der großen Wohnküche des Küchler Hofes saßen Luise und Katrin am Tisch.
»Das war ein Tag!«, stöhnte Luise.
»Ja, Mutter, das war ein Tag! Hoffentlich findet Martin heraus, was Vater fehlt.«
»Das wird er schon. Ich denke, dass er einfach zu viel gearbeitet und zu wenig geschlafen hat. Er kommt um sieben von der Nachtschicht heim. Wenn ich ihm den Wecker nicht abstelle, dann schläft er nicht einmal bis zum Mittag. Das hält auf die Dauer der stärkste Ochse nicht aus. Aber er lässt sich ja nichts von mir sagen. Ich hoffe, der Doktor bringt ihn zur Vernunft.«
»Eher geht ein Kamel durch ein Nadelöhr, als dass Vater vernünftig wird. Du kennst ihn doch, Mutter! Er benimmt sich störrischer als ein Esel.«
»Ja, so ist er! Gebe ihm der Himmel die notwendige Einsicht!« stöhnte die Bäuerin. »Es ist schlimm mit ihm. Dabei kann ich ihm nicht einmal böse sein. Er überfordert sich nur, weil er so ein fürsorglicher Ehemann und Vater ist. Ich liebe ihn, Katrin, auch wenn er sich verändert hat.«
»Er ist das krasse Gegenteil von Onkel Ewald. Er war immer lustig und fröhlich.«
»Ja, das war er. Keiner ahnte, dass er ein Doppelleben führte. Er ging zwar oft aus. Niemand dachte sich etwas dabei. Wir hofften, dass er bald eine Frau finden würde. Dass er seine Zeit in der Spielbank verbrachte, war undenkbar für uns. Das kam erst später heraus. Er war nicht nur fröhlich, er war ein verantwortungsloser Charakter. Dein Vater hatte es sehr getroffen. Deshalb ist er so, wie er ist, mein Konrad. Er hat sich seit dem Geschehen damals sehr verändert.«
»Soll ich mir morgen freinehmen, Mutter? Ich habe noch Urlaub zu bekommen.«
»Nein, das ist nicht nötig! Till ist ja hier! Nach dem Essen bringst du ihm einen Wecker und Verbandszeug. Er hat eine Verletzung an der Hand. Nicht, dass da etwas passiert!«
»Mutter, mir ist es nicht so recht, dass er hier ist. Sicher bin ich froh, dass wir Hilfe haben. Pfarrer Zandler hat es bestimmt auch gut gemeint. Aber wir wissen nichts über ihm. Und genau genommen ist es auch nicht richtig, dass er uns hilft. Wie ist das mit seiner Versicherung? Wo kommt er her? Wir wissen noch nicht einmal seinen Familiennamen. Das ist doch sehr seltsam.«
»Nun rege dich net auf, Madl! Ich vertraue da ganz auf unseren guten Herr Pfarrer. Aber recht hast du schon. Es ist ein bisserl arg dürftig, was wir über ihn wissen. Wir sollen ihn nichts fragen, sagt Pfarrer Zandler.«
»Seltsam, sehr seltsam! Mutter, das muss geklärt werden. Rede mit Pfarrer Zandler, sonst gehe ich zu ihm.«
»Ruhig, Katrin! Warum tust dich so aufregen?«
Katrin errötete.
»Weil… weil… weil… weil er irgendwie so komisch schaut.«
»Wie meinst des?«
»Er hat mich in der Küche auf dem Engler Hof schon so seltsam angesehen.«
Wieder errötete Katrin. Ihre Mutter dachte sich ihren Teil.
»Was ist dabei? Hässlich bist gerade nicht, Katrin. Du bist ein Madl und er ein Bursche. Es ist nun mal so, dass Burschen nach Madln schauen und Madln nach Burschen.«
»Nicht