Dr. Norden Bestseller Paket 1 – Arztroman. Patricia VandenbergЧитать онлайн книгу.
allerdings noch nicht sagen. Er meinte jedoch, dass es am besten wäre, den Patienten hierzubehalten und baldmöglich zu operieren, wenn Dr. Nordens Diagnose bestätigt würde.
Das teilte er Herrn Kraft dann vorsichtig mit, der gottergeben in seinem Bett lag.
»Geht es denn gar nicht anders?«, fragte Martin Kraft. »Man liest doch so viel von modernen Heilmethoden.«
»Die in manchen Fällen durchaus mit Erfolg angewendet werden können«, sagte Daniel. »Doch in Ihrem Fall wird eine Operation unvermeidbar sein.«
»Und mit welchem Erfolg?«, fragte Martin Kraft.
»Dass Sie sich Ihres Lebens wieder freuen können«, ermunterte ihn Daniel.
Der Kranke sah ihn nachdenklich an.
»Seien Sie bitte ehrlich, Herr Doktor. Wie stehen meine Chancen? Ich möchte keine Beschönigungen.«
»Sagen wir, fifty-fifty«, erwiderte Daniel zögernd. »Ich habe einen Patienten, der seit seinem zwanzigsten Lebensjahr mit einer Niere lebt, und jetzt ist er siebzig.«
»Wissen Sie, was mich bei dieser dummen Geschichte tröstet? Mir ist klar geworden, wie meine Frau und mein Junge sich um mich sorgen, was ich ihnen doch bedeute. In der dauernden Hetze ist mir das gar nicht bewusst geworden. Wenn ich es überstehe, werde ich mein Leben doch ein wenig anders einrichten.«
Alles hat zwei Seiten, dachte Daniel, und das fand er dann auch bestätigt, als er in die Behnisch-Klinik fuhr, um Herrn Grothe und Uli und auch die Geschwister Schönauer zu besuchen.
Auf dem Gang traf er Marlies Grothe, wie immer hoch elegant, wie immer exzentrisch.
Helle Empörung stand ihr auf dem Gesicht geschrieben, als sie auf ihn zukam.
Wie ein Wasserfall sprudelte es von ihren Lippen: »Man will mich nicht zu meinem Mann und meinem Sohn lassen, Dr. Norden! Da rufe ich zu Hause an und erfahre, dass sie beide in der Klinik sind. Ich komme auf schnellstem Wege hierher, und man behandelt mich wie eine Aussätzige!«
»Das ist wohl doch ein wenig übertrieben«, entgegnete Dr. Norden kühl. »Sie sind sehr erregt, Frau Grothe. Uli hat eine schwere, lebensgefährliche Operation hinter sich und darf keinesfalls Aufregungen ausgesetzt werden.«
»Ich bin seine Mutter!«, begehrte sie auf.
Er maß sie mit einem Blick, der sie ziemlich unsicher machte.
»Man kann mir doch nicht zum Vorwurf machen, dass ich meine Reise angetreten habe«, versuchte sie sich zu rechtfertigen. »Sie war lange geplant.«
»Uli fühlte sich nicht wohl, als Sie abreisten. Ihr Mann war nicht da. Sie hätten mich rufen lassen können. Sonst haben Sie mich doch auch immer geholt, wenn dem Jungen oder Ihnen etwas fehlte.«
»Uli hatte doch andauernd was. Sie haben selbst oft genug gesagt, dass das harmlos ist.«
»Eine Mutter sollte eigentlich wissen, wenn ihrem Kind ernsthaft etwas fehlt.« Er konnte es sich nicht verkneifen, das zu sagen.
»Aber es ist eine Ungezogenheit von meinem Mann, mir durch die Schwester ausrichten zu lassen, dass er mich nicht zu sehen wünscht!«
Hatte Werner Grothe das tatsächlich getan? Dann musste er allerdings sehr triftige Gründe haben.
»Nun, ich werde nach Hause fahren«, äußerte Marlies Grothe herablassend. »Man wird mich wohl wissen lassen, wenn ich hier erwünscht bin.«
Werner Grothe lag nicht mehr im Bett.
Er saß angekleidet in einem Sessel neben dem Bett seines Sohnes und erzählte ihm Geschichten.
Nachdenklich musterte Daniel sein blasses entschlossenes Gesicht.
»Na, wie geht es, Uli?«, fragte Daniel.
»Schon viel besser. Papi muss ja leider wieder arbeiten, aber Schwester Annelie ist immer da. Das hat sie mir versprochen. Und Papi kommt auch oft. Heute darf ich schon etwas essen.«
»Das ist aber fein«, meinte Daniel herzlich.
»Und ein paar Schritte muss ich auch schon gehen. Das ist gut für den Kreislauf, hat Dr. Behnisch gesagt. Er ist lustig. Wir haben schon gelacht.«
Und dieses Lachen hatte ihm wohl nicht vergehen sollen, wenn seine hysterische Mutter sich hier in Szene setzte. Sie wurde jetzt mit keinem Wort erwähnt. Später begleitete ihn Werner Grothe hinaus.
»Haben Sie Marlies noch getroffen?«, fragte er ohne Umschweife.
»Ja«, erwiderte Daniel knapp.
»Sie wird sich natürlich in den höchsten Tönen über mich beschwert haben. Aber so geht es einfach nicht mehr weiter, Herr Doktor. Sie ist nur gekommen, weil sie Geld braucht. Sie hat wieder mal gespielt und vielleicht auch so einen halbseidenen Playboy ausgehalten.«
In seiner Stimme klang tiefe Bitterkeit.
»Ich will ganz offen sein. Zwischen uns gab es große Differenzen. Unsere Ehe ist eine Farce. Um Ulis willen machte ich gute Miene zum bösen Spiel, aber gerade jetzt ist mir bewusst geworden, dass ich dem Jungen da keinen Gefallen erweise. Er leidet mehr unter ihren Launen als unter einer Trennung. Uli hat selbst gesagt, dass sie nicht kommen soll. Ich werde heute heimfahren und reinen Tisch machen.«
Daniel schwieg dazu. Was sollte er auch sagen. Das war ein sehr persönlicher Entschluss.
»So kann ich nicht mehr weiterleben«, meinte Werner Grothe leise. »Verstehen Sie das?«
O ja, er verstand es, aber kam es darauf an?
Er traute dieser egoistischen Frau zu, dass sie mit Tränen und Flehen ihren Mann umstimmen würde. Für Marlies Grothe war doch nur Geld wichtig.
Schwester Annelie kam aus einem Krankenzimmer. Daniel bemerkte den Blick, den Werner Grothe ihr nachschickte. Ein Ausdruck war darin, der ihn nachdenklich stimmte.
Werner Grothe hatte Gelegenheit gehabt, Vergleiche zu ziehen, und dabei schnitt seine Frau schlecht ab. Aber vielleicht war es auch mehr. Vielleicht hatte Werner Grothe einen Menschen gefunden, von dem er sich und sein Kind verstanden fühlte.
Es wäre wohl ganz interessant gewesen zu hören, was er seiner Frau zu sagen hatte.
*
Im Krankenzimmer von Petra von Schönauer herrschte gedrückte Stimmung. Monika hatte Kommissar Wetzel alles erzählt, was sie von ihrer Schwester erfahren hatte, aber jetzt galt ihre Sorge ihrem Verlobten.
Bei Petra waren mit dem Erinnerungsvermögen auch die Lebensgeister wieder erwacht. Sie machte einen verhältnismäßig frischen Eindruck.
Daniel erzählte den beiden jungen Damen, was sich an diesem Vormittag abgespielt hatte, aber Monika hörte nur geistesabwesend zu. Sie zerbrach sich den Kopf über Berts geheimnisvolle Reise.
Dann kam Thommy, mit einem großen Strauß Blumen und in bester Stimmung.
»Bert hat angerufen. Er wird heute Abend zurück sein«, verkündete er. »Du wirst dir doch nicht etwa Sorgen machen, Monika?«
Ihre Miene entspannte sich etwas.
»Was hat es mit dieser Reise auf sich, Thommy?«, fragte sie.
Daniel sah den Zeitpunkt gekommen, sich zu verabschieden. Dass Herbert Arndt ihm die Akten zur Aufbewahrung gegeben hatte, schien nicht einmal sein Bruder zu wissen.
Daniel machte seine Besuche. Ein Grippefall, zwei Rekonvaleszenten, drei Kinder mit Mumps. Etwas Besonderes lag nicht vor. Das war gut so.
In Gedanken war er schon bei Fee, und er hoffte auf ein ungestörtes Wochenende mit ihr. Nach diesen aufregenden Tagen konnte er es auch brauchen.
Drei Dauerpatienten, die Bestrahlungen und Spritzen bekamen, hatte er noch bestellt. Der erste wartete schon.
Molly machte die Abrechnungen für die Krankenkassen. Da sprach man sie lieber nicht an. Es war die einzige Arbeit, bei der sie leicht