Butler Parker Paket 3 – Kriminalroman. Günter DöngesЧитать онлайн книгу.
werde Ihnen sofort heraushelfen, Mylady.«
»Ich bin doch keine alte Frau«, raunzte Agatha Simpson ihre Gesellschafterin an. »Hoffentlich brauchen Sie nicht meine Hilfe, Kindchen.«
Lady Simpson wollte die Tür öffnen, doch die hatte sich verklemmt. Die stämmige Dame wußte jedoch Kat. Sie warf sich mit ihrem Oberkörper gegen die klemmende Tür, die daraufhin sofort mitsamt dem Schloß aufsprang und windschief in den Angeln hing.
»Eine gräßliche Unordnung hier«, meinte sie dann mißbilligend. »Die Ladeninhaber scheinen sich sehr gehenzulassen.«
Kathy Porter verdrehte ergeben die Augen. Sie kannte Lady Simpson nur zu gut. Es war sinnlos, ihr mit Gegenargumenten zu kommen, sie hätte darauf nicht gehört.
»Junger Mann«, raunzte sie bereits den Ladeninhaber an, der sich endlich in das Chaos hineintraute. »Kennen Sie sich hier in der Gegend aus?«
»Na… natürlich«, stotterte der junge Mann, der einen weißen Verkaufskittel trug.
»Sehr schön«, sagte Agatha Simpson, »bin ich auf dem richtigen Weg nach Crane Cottage?«
»Nein«, antwortete der junge Mann, der sich von seiner Verblüffung erholt hatte, »fahren Sie noch durch mein Büro, dann kommen Sie mit Sicherheit hin.«
*
Die muntere Unterhaltung wurde jäh gestört, als ein junges Mädchen von etwa zwanzig Jahren im Chaos erschien.
Sie war mittelgroß, schlank und hatte blondes Haar. Obwohl sie die Augen weit geöffnet hatte, schien sie das heillose Durcheinander im Ladenlokal überhaupt nicht zu sehen. Sie benahm sich wie eine Schlafwand-lerin und schien in Trance zu sein. Sie stieg automatisch und dennoch geschickt über die Flaschentrümmer und Butterpackungen hinweg und strebte dem Ausgang zu. Dabei kam sie dicht an Agatha Simpson vorbei.
»Stimmt irgend etwas nicht?« fragte die Lady.
»Gwen«, rief der junge Mann die junge blonde Frau an. »Gwen, wo willst du hin? Gwen, so antworte doch?«
Sie bekam seine dringenden, fast ängstlichen Fragen überhaupt nicht mit, ging weiter und schüttelte seine Hand wie ein lästiges Insekt ab. Eine Hand, die sich mahnend auf ihre rechte Schulter gelegt hatte.
»Sollte ich sie derartig erschreckt haben?«
»Nein«, gab der junge Mann im weißen Kittel zurück. »Sie ist schon seit ein paar Stunden so. Ich wollte schon den Arzt holen.«
»Tun Sie’s sicherheitshalber«, meinte die Detektivin und nickte ihrer Gesellschafterin und Sekretärin zu, die sich sofort an die Fersen der jungen Frau heftete.
Gwen, wie der junge Mann sie genannt hatte, stand bereits auf dem Gehweg und schien unschlüssig zu sein, in welche Richtung sie sich wenden sollte. Sekunden später aber überschlugen sich bereits die Ereignis-se und nahmen eine schreckliche Wendung.
Ein Sattelschlepper näherte sich der Kurve, minderte die Fahrt und wurde dann jäh und verzweifelt abge-bremst. Gwen hatte sich eindeutig in voller Absicht vor den schweren Wagen geworfen, dessen Bremsen aufkreischten. Der Fahrer versuchte zwar noch, den Sattelschlepper herumzureißen, doch er schaffte es nicht mehr. Die junge Frau war plötzlich nicht mehr zu sehen.
Der Fahrer des Sattelschleppers war kreidebleich, als er aus dem Wagen stieg. Er rannte nach vorn, bückte sich, suchte nach der jungen Frau, richtete sich wieder auf, hob ratlos die Schultern, bückte sich erneut, suchte, stand wieder auf und fuhr sich durchs Gesicht.
»N… nichts«, stotterte er entgeistert, »nichts! Das kann doch gar nicht sein. Ich hab’ sie doch deutlich gesehen. Aber da ist nichts! Keine Frau, nichts. Und ich hab’ sie doch deutlich gesehen!«
»Reißen Sie sich gefälligst zusammen, junger Mann«, raunzte die Lady den Fahrer an. »Kathy, ist da noch etwas zu machen?«
Kathy Porter, die einen Hosenanzug trug, richtete sich gerade auf. Auch sie hatte Ausschau nach dem Opfer gehalten. Kathy Porters Gesicht hatte einen völlig verblüfften Ausdruck angenommen, als sie sich Lady Agatha zuwandte.
»Nichts«, sagte auch sie ratlos, »auch ich habe sie doch deutlich gesehen.«
»Bin ich denn von Schwachköpfen umgeben?« Agatha Simpson war in milden Zorn geraten. Sie stapfte auf ihren stämmigen Beinen nach vorn zum Wagenkühler und ließ sich auf ihre Knie nieder. Als sie sich auf-richtete, zeigte ihr Gesicht nichts als grenzenloses Erstaunen.
»Tatsächlich«, murmelte sie, »nichts zu sehen. Das kann doch nicht mit rechten Dingen zugehen. Hallo, Sie, junger Mann!«
Der junge Mann im weißen Kittel kam irgendwie ängstlich aus dem Ladenlokal, erinnerte an einen scheu-en, oft geprügelten Hund und sah Lady Simpson aus weit geöffneten, fragenden Augen an.
»Sie haben diese Gwen doch ebenfalls gesehen, nicht wahr?« wollte Lady Agatha wissen.
»Bestimmt«, erwiderte der junge Mann. »Und … und sie ist nicht da?«
»Zu makabren Scherzen bin ich nicht aufgelegt«, fuhr die resolute Sechzigerin ihn an. »Wer ist Gwen? Ih-re Frau?«
»Meine Schwester«, antwortete der junge Mann, »und sie liegt wirklich nicht unter dem Wagen?«
»Überzeugen Sie sich selbst«, ermunterte Lady Simpson ihn grimmig. »Könnte ja sein, daß wir uns nur getäuscht haben.«
»Nein, nein, ich kann so was nicht sehen«, wehrte der junge Mann ab.
»Sehen Sie gefälligst nach, junger Mann«, dröhnte die Stimme der älteren Dame, die an die eines altge-dienten Wachtmeisters erinnerte. »Wir treiben hier kein Gesellschaftsspielchen.«
Der junge Mann ging scheu und zögernd nach vorn zum Sattelschlepper, bückte sich nun ebenfalls, warf einen kurzen Blick unter den Wagen und richtete sich hastig wieder auf.
»Ich … ich kann auch nichts sehen«, sagte er erleichtert und nachdenklich zugleich. »Gott sei Dank, daß ihr nichts passiert ist.«
»Wo haben Sie sie zuletzt gesehen?«
»Oben, in ihrem Zimmer.«
»Schauen wir dort nach«, meinte Lady Agatha grimmig, »dieses Rätsel verlangt nach einer Lösung.«
Nun, sie brauchten nicht nach der jungen, blonden Frau zu suchen. Sie stand plötzlich vor ihnen in der lä-dierten Tür des Milchgeschäftes und beobachtete desinteressiert die ganze Aufregung. Sie war heil und un-versehrt, lächelte jetzt andeutungsweise und … ging zurück ins Geschäft.
»Zwicken Sie mich gefälligst«, bellte Lady Agatha ihre Gesellschafterin an. »Tun Sie endlich etwas, Ka-thy, bevor ich verrückt werde!«
*
»Mylady wurden offensichtlich das Opfer einer Sinnestäuschung«, stellte Josuah Parker fest, nachdem seine Herrin ihre Geschichte erzählt hatte. Sie befand sich wieder in ihrer Stadtwohnung in Shepherd’s Mar-ket und stand noch sichtlich unter dem Eindruck dessen, was sie draußen am Stadtrand von London erlebt hatte.
»Verschonen Sie mich gefälligst mit diesen Gemeinplätzen«, grollte Lady Agatha und deutete auf ihre Sekretärin. »Kathy hat jedes Detail so erlebt wie ich.«
»Hinzu kommen noch der Fahrer des Sattelschleppers und der junge Mann aus dem Milchladen«, fügte Kathy Porter hinzu. »Mister Parker, ich begreife das alles nicht.«
»Eine Art Massensuggestion.« Mehr sagte der Butler nicht, der steif und gemessen im großen Wohnsalon der Stadtwohnung stand, das Urbild eines hochherrschaftlichen, englischen Butlers, wie ihn ein Film nicht besser liefern konnte.
»Jetzt verstehen wir uns schon wesentlich besser«, sagte Lady Agatha zufrieden. »Die Frage ist jetzt, wer uns diese Massensuggestion bescherte und warum er es tat.«
»Könnte dieses Phänomen möglicherweise mit Myladys Fahrt nach Crane Cottage in Verbindung ste-hen?« erkundigte sich Butler Parker in gewohnt vornehm-zurückhaltender Art,