Butler Parker Paket 3 – Kriminalroman. Günter DöngesЧитать онлайн книгу.
und enttäuscht an. »Gehen Sie doch endlich! Ich kann Sie nicht sehen! Sie stören doch, oder merken Sie das gar nicht?«
Butler Parker hatte den Raum verlassen und schritt gemessen hinüber zur Treppe. Seinem Gesicht war nichts anzusehen, doch seine Gedanken arbeiteten auf Höchsttouren. So wie vor ein paar Sekunden hatte er Agatha Simpson noch nie erlebt. Gewiß, sie war eine recht eigenwillige Frau, aber sie hatte sonst ihre Ma-nieren nie verloren. Sie konnte schimpfen und fluchen wie ein Stallknecht, doch dann wußte man stets, daß sie es im Grund gar nicht so meinte. Jetzt aber hatte sie es wirklich ernst gemeint!
Wieso hatte er gestört, obwohl sie doch den Tee gewünscht hatte? Warum hatte sie ihn derart behandelt? Was mochte nur in die Frau gefahren sein?
Parker hatte die Treppe erreicht, doch er zögerte, wieder nach unten zu gehen, Unwillkürlich dachte er an die Erzählung, die Agatha Simpson und Kathy Porter ihm geliefert hatten. Stand die Lady etwa wieder un-ter dem Einfluß einer Suggestion oder Hypnose? Was ging hier vor?
Auf Zehenspitzen pirschte der Butler zur Tür zurück, doch er hatte die Rechnung ohne seine Herrin ge-macht. Sie mußte auf seine heimliche Rückkehr spekuliert haben, denn sie riß vor seiner Nase die Tür auf.
»Hinunter mit Ihnen!« raunzte sie ihn an, daß man es bis auf die Straße hören konnte. »Gehen Sie doch endlich! Sie stören mich! Verlassen Sie das Haus! Ich kündige Ihnen, haben Sie mich verstanden? Ich will Sie nie Wiedersehen.«
»Wie Mylady befehlen.« Parker ließ sich nichts anmerken. Er deutete eine knappe Verbeugung an und ging zurück zur Treppe. Dabei fühlte er ihre wachsamen Blicke in seinem Rücken. Sie ließ ihn nicht aus den Augen und wartete oben an der Galerie, bis er tatsächlich das Haus verließ.
Parker wußte inzwischen, daß sie unter einem fremden Zwang stand, sonst hätte sie so etwas nie von ihm verlangt. Irgend etwas hatte Besitz von ihr ergriffen und steuerte sie.
Parker hatte die Haustür hinter sich zugezogen und sah sich auf dem kleinen viereckigen Platz um, der mit altehrwürdigen Fachwerkhäusern umsäumt war. Inmitten der Metropole London war das hier eine Insel der Ruhe und Behaglichkeit. Die Häuser stammten ohne Ausnahme aus dem Mittelalter und waren natürlich entsprechend hergerichtet worden. Von der nahen Hauptstraße war hier kaum etwas zu hören oder zu sehen.
Parker konnte nichts Verdächtiges entdecken, dennoch fühlte er sich intensiv beobachtet. Für so etwas besaß er einen besonders fein ausgebildeten Instinkt, der ihm in der Vergangenheit schon oft das Leben ge-rettet hatte.
Er ließ sich nichts anmerken, schritt voran und verließ die kleine Insel der Ruhe. Nachdem er die Haupt-straße erreicht hatte, schaute er sich nach einem Taxi um und hatte Glück. Wenig später saß er in einem Wa-gen und ließ sich in die eigentliche City fahren. Natürlich drehte er sich nicht um und hielt nicht derart plump Ausschau nach etwaigen Verfolgern, die sich ganz sicher an seine Fersen geheftet hatten. Parker zog einen kleinen Taschenspiegel aus einer seiner unergründlichen Westentaschen und klemmte ihn in die innere Wölbung seiner schwarzen, feierlich wirkenden Melone. Dann hob er die Kopfbedeckung wie unbewußt leicht an und schaute intensiv nach hinten.
Der Stoßverkehr in der City hatte noch nicht eingesetzt, das Durcheinander auf den Straßen war noch überschaubar. Es ging langsam auf den späten Nachmittag zu.
Zuerst konnte der Butler nichts feststellen, doch dann erschien im Taschenspiegel erneut ein Motorrad-fahrer, der im Slalom durch den Verkehr schwang und offensichtlich daran interessiert war, das Taxi nicht aus den Augen zu verlieren.
War das der Verfolger, mit dem Parker rechnete?
Der Butler war gründlich. Er liebte es, den Dingen Stets auf den Grund zu gehen. Er ließ sich also vor ei-ner Bank in der City absetzen und betrat die große Schalterhalle. Ein paar Minuten später wußte er mehr. Der Motorradfahrer erschien ebenfalls in der Halle und nahm seinen Jet-Schutzhelm ab. Parker konnte sich den jungen, drahtigen Mann gründlich ansehen. Er war etwa fünfundzwanzig Jahre alt, hatte ein schmales Gesicht und Augen, die hungrig wirkten. Er bewegte sich mit selbstverständlicher Sicherheit durch die Schalterhalle und ließ sich vor einem Schreibpult nieder, um irgendein Formular auszufüllen. Er sah nicht mal zu Parker hinüber und schien ihn überhaupt nicht wahrgenommen zu haben.
Parker schritt würdevoll zur Glastür, hinter der sich die Räume der Direktion befanden. Er wußte genau, wie er diesen aufdringlichen Jüngling abschütteln konnte. Die Bank besaß schließlich nicht nur einen einzi-gen Ein- und Ausgang.
Nach ein paar Minuten stand Parker in einer schmalen Seitenstraße und war seinen Verfolger los. Als ge-schätzter Besucher der Bank hatte man ihn durch eine der vielen Hintertüren hinausgelassen und keine Fra-gen gestellt. Der Butler ging zurück zur Hauptstraße und suchte auf dem Parkplatz nach dem Motorrad des jungen Mannes.
Es war nicht mehr zu sehen!
Hatte der Verfolger seine Absicht aufgegeben? Hatte er eingesehen, daß er überlistet worden war?
Parker war sich seiner Sache nicht ganz sicher. Er unterschätzte seine Gegner nie. Er sah sich nach allen Seiten um und hörte plötzlich irgendwo in seinem Kopf die berühmte Alarmklingel schrillen. Sein Nerv für Gefahr hatte angesprochen und warnte ihn. Irgend etwas braute sich über ihm zusammen, höchste Wach-samkeit war erforderlich. Stand irgendwo in der Nähe ein Schütze und fiel innerhalb der nächsten Sekunden ein Schuß?
Die innere Alarmklingel meldete sich immer deutlicher und nachdrücklicher.
Josuah Parker zog sich sicherheitshalber in die schmale Seitenstraße zurück und … damit noch tiefer in die eigentliche Gefahrenzone.
Er hörte plötzlich hinter sich das Aufheulen eines Motorrads, drehte sich blitzschnell um und … sah sich einem Autokühler gegenüber, der nur noch wenige Meter von ihm entfernt war.
Er beobachtete das Gesicht des jungen Mannes, der am Steuer saß, registrierte das teuflische Grinsen der Augen und Lippen und hechtete dann überraschend elastisch und blitzschnell zur Seite. Parker erinnerte in diesem Augenblick an einen Stierkämpfer, der den tödlichen Hörnern des Vierbeiners elegant ausweicht. Parker hörte das häßliche Schrammen des Wagenblechs, als das tödliche Riesengeschoß um Haaresbreite an ihm vorbeipreschte. Der Fahrer hatte den Wagen im letzten Moment doch noch auf den Butler richten wol-len und kam dabei mit der Hausecke des Bankgebäudes in Kollision.
Sein Gegner bekam den Wagen nicht mehr unter Kontrolle, schnitt wie ein Dolch in den hier dichten Ver-kehr der Hauptstraße und krachte mit einem Lastwagen zusammen.
Parker schritt zur Unfallstelle und sah, wie der junge Mann benommen aus dem stark zerbeulten Wagen taumelte. Er knickte ein, riß sich offensichtlich sehr zusammen und ergriff dann die Flucht, hinkend und stolpernd. Er hielt auf einen Parkplatz zu, ohne sich um die Rufe der Zuschauer und Passanten zu kümmern.
»Kommen Sie«, sagte Parker, der den jungen Mann abfing, »man scheint etwas gegen Sie zu haben.«
Der junge Mann erkannte sein Opfer. Wut und flammender Haß schossen in seine Augen. Er blieb wie angewurzelt stehen, beugte sich vor und hatte plötzlich ein Messer in der Hand. Ohne jede Vorwarnung und ohne Rücksicht auf seinen Zustand fiel er damit den Butler an. Er war wie von Sinnen, schien nur allein auf die Ermordung des Butlers programmiert worden zu sein und war nur noch Wille zur Vernichtung.
Parker konnte diesen Angriff leicht abwehren. Er besorgte das mit seinem altväterlich gebundenen Re-genschirm, den er als Degen benutzte. Er parierte den Stoß, schlug dem jungen Mann die Klinge aus der Hand und stieß ihm die untere Stahlzwinge hart gegen das Brustbein.
Daraufhin keuchte der Rasende auf, schnappte nach Luft, fühlte sich elend und matt. Er taumelte zurück, stolperte, fiel zu Boden und verlor jetzt das Bewußtsein. Josuah Parker war leider nicht mehr in der Lage, den Angreifer aus dem Verkehr zu ziehen, denn die ersten Verfolger hatten sich bereits eingestellt und ho-ben den Besinnungslosen auf. Ein uniformierter Polizist erschien ebenfalls auf der Bildfläche und kümmerte sich um den jungen Mann, der bereits wieder zu sich kam, den Butler knapp vor sich entdeckte und sofort wieder angreifen wollte. Er war tatsächlich nichts anderes als eine Mordmaschine und schien