Butler Parker Paket 3 – Kriminalroman. Günter DöngesЧитать онлайн книгу.
wohl mit dem erwähnten Vampir zusammenhängen muß.«
»Ich verbitte mir Ihre Impertinenz«, fuhr die ältere Dame ihren Butler an. »Dieser Vampir existierte nicht nur in meiner Einbildung, ich wurde tatsächlich von ihm angefallen.«
»Gewiß, Mylady«, erwiderte Parker gemessen.
»Dieses Untier hat mir seine Zähne in den Hals geschlagen«, versicherte Agatha Simpson, der man ihre sechzig Jahre nicht ansah.
»Sind Mylady sicher?« erkundigte sich Parker und reichte ihr einen Handspiegel. Sie nahm ihn ärgerlich aus seiner Hand und untersuchte ihren Hals, der zu ihrer Überraschung nicht die Spur einer Bißwunde aufwies.
»Ich … Ich begreife das nicht«, meinte Agatha Simpson irritiert und schüttelte ratlos den Kopf.
»Haben Sie den Kreislauf vielleicht zu sehr angeregt?« fragte Parker höflich und vorsichtig.
»Ich habe tatsächlich einen kleinen Kognak getrunken«, gestand die kriegerische Dame. »Es können auch zwei gewesen sein. Aber ich war auf keinen Fall betrunken.«
Sie hatte sich inzwischen in einen Sessel gesetzt und ordnete ihr Haar. Dann strich sie sich das Kostüm glatt und schien in sich hinein zu hören. Agatha Simpson war immer noch ein wenig verwirrt.
»Um Myladys Frage zuvorzukommen«, schickte Parker voraus, »zu der Zeit, als Mylady den kleinen Schwächeanfall erlitten, befand Mister Penwood sich im Atelier, daran besteht kein Zweifel.«
»Ja. Diese Frage wollte ich gerade stellen.« Lady Simpson nickte grimmig.
»Dann hatte ich es also mit einem zweiten Vampir zu tun!«
»Gewiß, Mylady.« Parker ließ nicht erkennen, was er von dieser Aussage hielt, dazu war er zu höflich und zu geschult. Er war das Urbild eines hochherrschaftlichen englischen Butlers, wie er eigentlich nur noch in Komödien zu sehen ist.
»Ich verlange von Ihnen, daß Sie diesen Lümmel finden«, forderte Lady Simpson. »Er hat mich fast zu Tode erschreckt.«
»Bemerkenswert, Mylady.«
»Der Vampir stand plötzlich vor mir, wie durch Zauberei aus dem Boden gewachsen«, erklärte Agatha Simpson, »er erinnerte mich flüchtig an diesen Rob Penwood.«
»Der, das darf ich noch mal wiederholen, Mylady, es auf keinen Fall gewesen sein kann. Mister Penwood verließ die Dreharbeiten im Atelier nicht für eine einzige Minute.«
»Dann muß hier noch ein zweiter Vampir sein«, stellte die ältere Dame energisch fest. Sie hatte ihren kleinen Schwächezustand wieder überwunden und sprühte vor Tatendrang. »Das wird ein interessanter Kriminalfall, Mister Parker. Mit einem Vampir wollte ich mich schon immer mal befassen.«
Lady Simpson kam, was das anbetraf, voll auf ihre Kosten, denn in diesem Moment öffnete sich die Tür, ohne daß vorher angeklopft worden war.
Ein Vampir torkelte ins Zimmer, fiel auf die Knie und blieb, nach Luft ringend, liegen. An seinem Hals war eine gräßliche Bißwunde, aus der im Takt des Herzschlags das Blut sprudelte.
»Was sollen diese Mätzchen?« fragte Lady Simpson unwillig. »Mister Penwood, ich hätte Ihnen etwas mehr Geschmack zugetraut.«
Nun, der Schauspieler Rob Penwood hätte vielleicht liebend gern geantwortet, doch er schaffte es nicht mehr, weil er in dieser Sekunde starb!
*
»Es gibt durchaus Vampire«, sagte William P. Petters mit einer Selbstverständlichkeit, als würde er vom Wetter reden. »Diese Wesen gab es, gibt es und wird es immer geben, verstehen Sie? Die Wissenschaft streitet die Existenz von Vampiren zwar ab, doch die Wissenschaft irrt ja unentwegt, nicht wahr? Sie wirft heute über den Haufen, was sie gestern noch als Tatsache behauptet hat. Gehen Sie mir weg mit den Wissenschaftlern! Alles Leute, die eigentlich wissen sollten, daß sie nichts wissen können!«
William P. Petters war ein bemerkenswerter Mann, rund fünfundfünfzig Jahre alt, groß, hager, und mit ausgeprägter Glatze. Er hatte seine beiden Gäste im Arbeitszimmer empfangen, das einem kleinen Museum glich. An zwei Wänden standen Regale, die bis zur Decke reichten und mit alten Büchern und erstaunlicherweise auch mit Aktenordnern vollgestopft waren.
Zur optischen Auflockerung hatte er große, fest verschlossene Glasgefäße untergebracht, in denen seltsames Gewürm in Formaldehyd oder Spiritus schwamm: Eidechsen, Spinnen und Schlangen, von einigen Skorpionen, Taranteln und Kröten ganz zu schweigen.
»Mylady möchte nicht mißverstanden werden«, ließ der Butler sich vernehmen. »Sie denken nicht an die Spezies Fledermäuse.«
»Das möchte ich auch sehr hoffen«, antwortete William P. Petters, »sonst wären Sie nämlich bei mir an der falschen Adresse. Ich befasse mich ausschließlich mit Urphänomenen, verstehen Sie?«
»Nicht die Spur«, warf Lady Simpson trocken ein. »Könnten Sie mir das näher erklären?«
»Es gibt Dinge zwischen Himmel und Erde, Mylady, die unerklärbar sind und bleiben werden«, schickte William P. Petters voraus und massierte sich sein spitzes Kinn. »Nehmen wir zum Beispiel die Vampire, die mein Spezialgebiet sind, also Verstorbene, die aus ihren Gräbern steigen und das Blut lebender Menschen brauchen, um weiter existieren zu können.«
»Das ist doch ein Widerspruch«, bemerkte Agatha Simpson und schüttelte den Kopf. »Wieso kann ein Verstorbener weiterleben?«
»Das gehört bereits mit zu den unerklärbaren Geheimnissen«, dozierte William P. Petters und hüstelte nervös. »Im menschlichen Sinn sind diese Bedauernswerten natürlich tot, im übertragenen Sinn allerdings nicht.«
»Schön, sie erheben sich also aus ihren Gräbern und fallen harmlose Mitmenschen an, deren Blut sie brauchen. Warum tun sie das?«
»Um bis zu ihrer Erlösung aus ihrem Zustand durchhalten zu können, lassen Sie mich das mal so banal ausdrücken.«
»Seit wann gibt es Vampire, Mister Petters?« mischte sich Josuah Parker ein.
»Sie haben schon immer existiert, vom Beginn aller Zeiten an«, behauptete der Vampirkenner mit ernster Miene. »Seit dem Mittelalter aber werden sie genau beobachtet und bekämpft. Sie traten vor allen Dingen in den Balkanländern auf, aber warum das so war, weiß ich nicht, daran arbeite ich noch.«
»Es sind also Verfluchte?« Lady Simpson funkelte den Vampirkenner an, hütete sich aber, aggressiv zu werden. Sie wollte schließlich aus erster Hand erfahren, was es mit den Vampiren auf sich hatte.
»Wenn man so will, Mylady«, räumte Petters ein und nickte nachdrücklich. »Sie können das Tor zur ewigen Ruhe nicht finden oder durchschreiten, verstehen Sie?«
»Ich werde mich bemühen«, sagte die ältere Dame trocken, während der Butler sich jeder Äußerung enthielt.
»Diese Vampire steigen also nachts aus ihren Gräbern und suchen nach geeigneten Opfern«, redete William P. Petters weiter. »Und jetzt kommt das eigentliche Verhältnis, wie ich es nennen möchte. Die Gebissenen werden quasi geimpft und ihrerseits wieder zu Vampiren, eine Kette ohne Ende, ein grausiger Kreislauf.«
»Und wann, Mister Petters, kommen die Vampire endlich zur Ruhe?« erkundigte sich Agatha Simpson ungeduldig, »selbst Vampire möchten doch mal ausruhen, könnte ich mir vorstellen.«
»Sie müssen aufgespürt und dann gepfählt werden«, nannte William P. Petters die Lösung. »Es ist noch heute so wie damals im Mittelalter. Den Vampiren muß man einen geweihten Holzpflock ins Herz treiben, erst dann ist der Kreislauf unterbrochen.«
»Danach tauchen sie dann nie wieder auf?«
»Sehr richtig, Mylady. Die Körper lösen sich in Sekundenschnelle auf und werden zu Staub.«
»Wie schön für die Vampire«, murmelte Agatha Simpson und warf ihrem Butler einen leicht ironischen Blick zu. »Und wie erkennt man nun Vampire? Tragen Sie grundsätzlich wehende Mäntel, sehen sie zum Beispiel mittelalterlich aus? Haben sie Fledermausohren,