Butler Parker Paket 3 – Kriminalroman. Günter DöngesЧитать онлайн книгу.
Reizstoffquantum, nieste Needle derart, daß es ihm fast die Schuhe auszog. Parker, der diesen Reizstoff natürlich kannte, hatte vorher tief Luft geholt und suchte nach dem Superintendent, den er wegen der schlechten Sichtverhältnisse aber nicht fand. Überraschenderweise landete Parker neben seinem hochbeinigen Monstrum, setzte sich ans Steuer und machte sich auf den Weg. Er wollte nicht unhöflich erscheinen.
Needle versuchte Parker zu rufen, doch der schreckliche Niesreiz hinderte ihn daran. Aus seinen Augen quollen Tränen, die ihm zusätzlich die Sicht nahmen. Der Superintendent war ein wenig außer Form gekommen und tappte hilflos in der Nebelwolke herum. Als er endlich von zwei informierten Polizisten geborgen wurde, war der Butler bereits unterwegs und steuerte sein erstes Ziel an. Im Gegensatz zu Needle hatte er nämlich gewisse Vorstellungen darüber, wer ihm weiterhelfen konnte. Er kam allerdings um den Genuß, den sanften und sonst so beherrscht wirkenden Needle fluchen zu hören. Es zeigte sich bei dieser Gelegenheit, daß der Superintendent recht ordinär sein konnte.
*
Agatha Simpson war entrüstet, doch sie zeigte es nicht.
Die resolute Dame war schnell wieder zu sich gekommen und stellte fest, daß sie auf einem Bett lag. Im Gegensatz zu Kathy Porter aber richtete sie sich nicht auf, weil sie instinktiv fühlte, daß sie beobachtet wurde. Sie hielt die Augen geschlossen, atmete tief durch, als schlafe sie, und wartete im übrigen darauf, ihrem Unmut Ausdruck zu verleihen.
Sie brauchte ihre Geduld nicht unnötig lange zu strapazieren, denn sie hörte bereits schnelle, aber dennoch vorsichtige Schritte, öffnete das rechte Auge und beobachtete durch den Vorhang ihrer Wimpern den Vampir, der sich ihrem Bett näherte.
Die ältere Dame hatte Nerven wie Drahtseile.
Sie rührte sich nach wie vor um keinen Millimeter, obwohl sie innerlich doch überrascht war. Mit solch einem Ungeheuer hatte sie nicht gerechnet. Der Vampir bewegte sich auf Zehenspitzen und streckte seine rechte Hand nach ihr aus. Wahrscheinlich wollte er sich nur vergewissern, ob sein Opfer noch schlief.
Lady Simpson verfügte leider nicht über ihren Pompadour. Man hatte ihn ihr weggenommen und dabei wohl auch den darin befindlichen Glücksbringer entdeckt. Doch das machte der Detektivin nichts aus, sie war auch ohne Waffe resolut.
Der Vampir beugte sich über sie und handelte sich im gleichen Moment eine ungemein harte Maulschelle ein. Das Gebiß rutschte ihm dabei aus dem Mund, die langen Zähne blieben auf der Bettdecke liegen. Da Mylady mit dem Handrücken zugelangt hatte, blieb im wahrsten Sinne des Wortes kein Auge trocken. Der Vampir gurgelte, fiel zur Seite und hielt sich an der Bettkante fest. Der Schlag überraschte ihn vollkommen.
Agatha Simpson begnügte sich nicht mit einem Teilerfolg. Was sie tat, erledigte sie stets ganz und konsequent. Sie richtete sich erstaunlich schnell auf, hatte fast ohne Übergang einen ihrer derben Schuhe in der Hand und klopfte mit dem Absatz auf den Hinterkopf des Vampirs, der sich prompt entspannte und erstmal nicht mehr mitspielte.
Lady Simpson nahm die Beine vom Bett und sah sich den Vampir aus der Nähe an. Sein Gesicht war kalkweiß gepudert, das struppige Haar nur eine Perücke. Die Handschuhe des Untiers liefen in spitzen Krallen aus.
Erst jetzt entdeckte die ältere Dame die drei fetten Ratten, die sich vorsichtig aus einer Plastiktragetüte hervortrauten. Der Vampir hatte diesen sehr realistischen Tragebeutel mitgebracht, um darin die Nager zu transportieren. Sie sollten Lady Simpson wohl zu Tode erschrecken.
Es kam genau umgekehrt …
Lady Simpson war Nagern gegenüber immun. Sie hob den Schuh auf und warf ihn auf die dickste der drei Ratten. Die Detektivin hatte genau gezielt und traf. Die fette Ratte quiekte beleidigt und rannte unter das Bett, wo sie erst mal in Deckung ging.
Die zweite Ratte erwies sich als aggressiv. Sie beging den Fehler, sich mit Mylady anzulegen und besaß sogar die Frechheit, nach ihrem dicken Zeh zu schnappen. Das hätte sie wohl besser nicht getan.
Agatha Simpson hatte bereits zielsicher zugelangt und hielt die Ratte am langen, schuppigen Schwanz fest, drehte sie daran wie einen kleinen Wurfhammer und schickte sie dann auf eine längere Luftreise. Das ekelhafte Tier quiekte, während es durchs Zimmer segelte und krallte sich verzweifelt fest, als es auf dem Querband des Kronleuchters landete. Die zweite Ratte verlor daraufhin alle Aggressionsgelüste und duckte sich. Dann kroch sie hinter einen gewundenen Eisenstab und bemühte sich angestrengt, sich unsichtbar zu machen. Sie ahnte mit letzter Gewißheit, daß die Frau neben dem Bett nicht zu erschrecken war.
Die dritte Ratte ließ sich auf keinen Zweikampf ein. Wahrscheinlich war sie Realistin und hatte längst eingesehen, daß hier nichts zu machen war. Sie wetzte auf schnellen Beinen quer durch das Zimmer und visierte dabei einen Schrank an, unter den sie sich verstecken wollte.
Sie schaffte es nicht!
Myladys zweiter Schuh war wesentlich schneller.
Die Ratte hatte plötzlich das Gefühl, von der Zimmerdecke erschlagen zu werden. Sie schrie förmlich, kam aus dem Kurs, tat einen mächtigen Luftsprung und … humpelte dann auf drei Beinen mühsam weiter, wobei sie sich entsetzt nach der kriegerischen Dame umschaute. Aufatmend kroch sie dann unter den Schrank und blieb hier keuchend und nervös liegen.
So etwas hatte sie noch nicht erlebt. Sie war es gewohnt, daß Frauen vor Panik aufschrien. Und nun das! Da konnte man schon leicht verzweifeln. Die Ratte kroch ängstlich weiter unter den Schrank, als die Lady ihre beiden Schuhe zurückholte.
»Dummes Viehzeug«, sagte Agatha Simpson, als sie die Schuhe wieder überstreifte. »Ihr habt es doch nicht mit einem Teenager zu tun!«
Die Detektivin stapfte auf ihren großen Füßen zurück zu dem Vampir und blieb abwartend vor ihm stehen. Der Blutsauger hatte seine Konditionsschwäche überwunden und rührte sich leicht. Dann öffnete er die Augen, faßte stöhnend nach seinem Unterkiefer und starrte die ältere Dame fassungslos an.
»Flegel«, schnarrte Lady Simpson im Ton eines Oberfeldwebels der Königlichen Garde. »Was soll dieser Schnickschnack? Bringen Sie mich gefälligst zum Hausherrn, aber ein bißchen dalli, wenn ich bitten darf!«
»Was haben Sie mir zu sagen?« ertönte in diesem Augenblick eine sympathische Stimme.
»Sie Lümmel!« rief Lady Simpson in das relativ kleine und niedrige Zimmer. »Was soll dieser Nonsens? Sagen Sie schon, was Sie von mir wollen!«
»Sie sind sehr energisch, Mylady!«
»Hoffentlich haben Sie Miß Porter in Ruhe gelassen«, sagte Agatha Simpson, sofort zum Thema kommend.
»Es geht ihr gut«, tönte die Stimme zurück, »und es wird auch so bleiben, falls Sie auf meine Bedingungen eingehen.«
»Kommen Sie endlich zur Sache!«
»Ich verlange hunderttausend Pfund von Ihnen.«
»Sie sind ja beschämend bescheiden.« Woher die Stimme kam, wußte Agatha Simpson nicht zu sagen.
»Ich verlange die Summe in kleinen Banknoten«, redete die Stimme weiter. »Ihr Butler könnte sie bis zehn Uhr beschafft haben.«
»Sie hirnloser Phantast«, rief die ältere Dame in den Raum und lachte ungeniert laut. »Falls ich nicht neben ihm stehe, wird er keinen Penny bekommen.«
»Sie werden neben Ihrem Butler stehen, Lady Simpson.«
»Und wohin soll das Geld anschließend geschafft werden? Ich soll damit doch wohl meine Gesellschafterin freikaufen, nicht wahr?«
»Wie gut, daß Sie es bereits wissen, das spart Zeit«, reagierte die Stimme höflich. »Falls Sie planen, gegen mich aktiv zu werden, wird das Miß Porter nicht überleben. Sie wird dann einem Vampir zum Opfer fallen.«
»Reden Sie nicht so lange herum«, raunzte die alte Dame ungeduldig. »Schaffen Sie mich endlich weg! Ihre Stimme allein geht mir schon auf die Nerven.«
*
»Ich hab’ sie ganz deutlich gesehen«, sagte Morgan Patch und faßte unwillkürlich nach seinem Hals. »Plötzlich