Leni Behrendt Staffel 3 – Liebesroman. Leni BehrendtЧитать онлайн книгу.
männlich und rassig bis in die Fingerspitzen.
Jetzt lachte er, wobei die prachtvollen Zähne durch die hartgeschnittenen Lippen nur so blitzten. Die kräftige Linke, an der ein schwergoldener Ring blitzte, fuhr sich über das leichtgewellte Haar, das die Farbe reifen Korns hatte, die blauen Augen unter den dunklen Brauen blitzten.
»Kommt immer ganz auf das Wie an, mein gnädiges Fräulein«, bemerkte er neckend, und da Gudrun dem Gespräch nicht gefolgt war, wußte sie auch nicht, worum es ging. Aber da auch die andern lachten, mußte es schon etwas Amüsantes sein. Mal hinhören.
Doch bevor sie dazu kam, hallte der Gong, worauf die Hausherrin sich erhob und sich in ihrer liebenswürdigen Art, der jedoch eine gewisse Zurückhaltung anhaftete, an die beiden Mädchen wandte.
»Ich darf wohl die Damen bitten, an unserem Mittagsmahl teilzunehmen. Wird es mit dem Pfötchen gehen, Fräulein Wiederbach, oder soll mein Sohn Sie auf seine starken Arme nehmen? Er tut’s gern, nicht wahr, mein langer Schlingel?«
»Ehrensache, Muttchen«, entgegnete er schmunzelnd. »So lassen Sie sich denn von mir auf Händen tragen, mein gnädiges Fräulein.«
»Ach nein«, warf sie ihm einen ihrer nichtsnutzigen Blicke zu. »Ich spüre lieber Boden unter den Füßen. Aber Ihren Arm nehme ich gern.«
»Und meinen von der andern Seite«, trat Rupert rasch hinzu. Ohne Ziererei hakte Gudrun sich bei den Herren ein und hopste so frischfröhlich in das Speisezimmer, wo sie an der Tafel landete.
Nach der Suppe gab es einen delikaten Entenbraten nebst Schmorkohl, dazu trank man einen leichten Wein. Franz servierte mit der Feierlichkeit, die man sonst eigentlich nur bei den alten Herrschaftsdienern findet. Alles an ihm blitzte nur so vor Sauberkeit.
Der Tisch war so gedeckt, wie es der feinen Lebensart entspricht und wie man es anders hier auch gar nicht erwarten durfte. Auch hier war die Einrichtung alt und wunderbar gepflegt.
Mit dem Dessert endete dann das Mahl.
Man ging hinüber nach dem Frühstücksstübchen, dessen Boden von einem dicken Teppich bedeckt war. An den Wänden hingen wunderbare Gobelins, und Gobelinpolster zeigten auch die reichgeschnitzten Stühle, die den Tisch umstanden, über dem in einem schmiedeeisernen Gestell eine entzückende Laterne hing, durch deren buntes Glas das Licht in allen Farben schillerte. Durch das klare Glas des kunstvoll gearbeiteten Eckschrankes erblickte man wertvolles Porzellan, auf den Borden standen altertümliche Humpen.
Einzig schön war die Buntmalerei des Spitzbogenfensters und die Stickerei aus feinen Metallfäden, welche bis zur Hälfte den grünen Friesvorhang zierte, der an der gewölbten Öffnung zwischen Speise- und Frühstückszimmer hing. Wenn man den Vorhang bewegte, gab es einen klingenden Ton.
»Na, das ist hier vielleicht schön«, sagte Gudrun entzückt. »So ein trauliches Frühstücksstübchen sah ich noch nie.«
»Es ist auch unser ganzer Stolz«, verriet die Baronin, sich mit frohen Augen umschauend. »Was jedoch da mitten auf dem Tisch steht, ist wiederum der Stolz unseres Sephchens. Keine versteht die Waffeln so delikat zu backen wie sie.«
»Ist das ein Berg!« staunte Karola. »Den kann man doch unmöglich wegputzen.«
»Haben Sie eine Ahnung«, rieb Ermenia sich den Magen. »Sie sollen mal sehen, wie rasch der goldene Berg verschwindet. Wir sind nämlich Landleute, die essen, nicht nur naschen wie die Städter, die ja ständige Angst um ihre schlanke Linie haben. Die allerdings würden eine ganze Woche daran knabbern und dann die Hälfte noch weggeben.«
»Na, Ermelchen, wenn übertreiben – denn«, zwinkerte der Neffe ihr zu. »Tu nur nicht so großartig, die du auf dem Lande nicht für voll genommen wirst, weil du ein so schlechter Futterverwerter bist.«
»Na warte, du Schlingel!« drohte sie ihm entrüstet, lachte dann jedoch mit den anderen. Vergnügt nahm man am Tisch Platz, dann bewahrheitete sich das, was Ermenia voraussagte – die goldbraunen Herzen verschwanden gewissermaßen im Handumdrehen; worüber die beiden Gäste nicht wenig staunten.
Allerdings konnten sie nicht wissen, daß diese Waffeln feinster Art hier nicht oft gebacken wurden, weil die Zutaten hierfür recht kostspielig waren.
Wie sollten sie das auch wissen, die aus einem Hause kamen, wo Geld keine Rolle spielte, wo man die teuersten Delikatessen als Selbstverständlichkeit hinnahm. Sie hätten wohl große Augen gemacht, wenn man ihnen erklärte, daß hier selbst eine Mark von Bedeutung war. Daß man sie tatsächlich erst umdrehte, ehe man sich entschloß, sie für etwas auszugeben, was nicht unbedingt notwendig war. Daß man rechnen mußte, immer nur rechnen.
Nun, das erzählte man Gästen natürlich nicht, schon gar nicht solchen aus reichem Hause. Erstens wäre man auf Verständnislosigkeit gestoßen – und dann trugen die vier Menschen, die einst in Pracht und Glanz gelebt, nicht ihr Herz auf der Zunge.
In diesem kleinen Gemach gab es keinen Ofen. Da brannte im Kamin ein helles Feuer, das genügend Wärme spendete. Doch in den anderen Räumen, die durchweg hoch und weit waren, hätten die Kamine nicht genügt.
Und die Zentralheizung in Betrieb zu setzen, verschlang zuviel Geld. Mit dem, was der Koks kostete, konnte man schon ein anderes Loch zustopfen, deren es ja so viele gab.
Daher war man froh über die Kachelöfen, von denen es allerdings nur vier gab, im Wohn- und Speisezimmer und in den Arbeitszimmern der beiden Herren. Die konnte man mit Holz heizen, das der große Waldbestand reichlich abwarf.
Jedenfalls wurde das Wort Sparsamkeit in dem Hause recht groß geschrieben. Das Sattessen gönnte man sich natürlich, wenn es auch nicht gerade aus Delikatessen bestand. Auch alles andere wurde ohne weiteres angeschafft, was zu einem kultivierten Leben gehörte. Man ging nicht in geflickten Kleidern und auf Holzpantinen, aß auch nicht auf einer Glanztuchdecke mit Blechlöffeln von Steingutgeschirr, sondern kleidete sich gut, benutzte Damast, kostbares Porzellan nebst Silber, zumal das alles von früher her stammte, bediente sich überhaupt der verfeinerten Lebensart, an die man von Kindheit an gewöhnt war.
Wie hätten die beiden Gäste also wohl darauf kommen sollen, daß man hier nicht so unbekümmert drauflos lebte wie bei ihnen zu Hause? Ein anderes Leben, wo man sich nicht alles kaufen konnte, was das Herz begehrte, hatten sie ja nie mitgemacht.
Als sich im Laufe des Gesprächs herausstellte, daß es hier kein Auto gab, fragte Gudrun verständnislos:
»Aber wie kommen Sie denn zur Stadt?«
»Mit der Kleinbahn, die wir ja hier sozusagen vor der Tür haben«, gab Arvid Antwort.
»Das wäre mir zu zeitraubend.«
»Na eben, Sie haben ja auch jeden Tag von sieben Gänsen Wurst zu machen, wie man es bei uns nennt. Reichen die vierundzwanzig Stunden da wenigstens aus?«
»Wollen Sie mich auf den Arm nehmen, Herr Baron?«
»Täte ich gern. Fürchte nur, daß Sie es sich nicht gefallen lassen.«
»Käme auf einen Versuch an«, warf sie ihm einen »nichtsnutzigen« Blick zu. Entzückend war sie anzusehen, wie sie so dasaß in all ihrer strahlenden Schönheit. Denn alles strahlte an ihr, die Augen, das Lachen, selbst der flauschige Pullover aus leuchtendblauer Wolle. Kein Wunder, daß so ein bezauberndes Menschenkind in der Herrenwelt Furore machte. Daß es nicht nur Verehrer, sondern auch Begehrer fand, zumal es noch ein Goldfischchen war. Aber da es auch die Gewohnheiten eines solchen hatte, würde es wohl nie eine bequeme Ehefrau abgeben. Ergo: Vorsicht!
*
Da am nächsten Morgen schon in aller Frühe der Schneepflug die Kleinbahnschienen freigemacht hatte, stand der Abfahrt der beiden Gäste nichts im Wege. Eben verabschiedeten sie sich von der Hausherrin, die ihnen nebst Ermenia bis zum Portal das Geleit gab, während die beiden Herren es bis zur Kleinbahn zu tun gedachten. Als die vier Menschen sich bereits in Bewegung gesetzt hatten, rief Erdmuthe ihnen nach:
»Lassen Sie sich doch wieder mal hier sehen!«
»Danke, Frau Baronin!« rief Karola zurück und