Elfenzeit 2: Schattendrache. Verena ThemsenЧитать онлайн книгу.
finden werden, Grog?«
Der Grogoch wiegte den Kopf und hob die Hände. »Wenn nicht hier, dann anderswo. Einfach weil wir etwas finden müssen. Darum glaube ich daran.«
Rian nickte nachdenklich. »So ist es. Und weil ich lieber irgendetwas tu als gar nichts, werde ich nicht aufhören, nach Hinweisen zu suchen. Wie sagen die Menschen so schön: Die Hoffnung stirbt zuletzt.« Sie schwenkte den Likör im Glas und trank dann aus.
*
Fanmórs Gesicht hatte erneut eine Röte angenommen, die den Kopf des Riesen größer erscheinen ließ, als er ohnehin schon war. Dennoch ließ er außer einem tiefen Atemzug, der die Halle durchströmte und an allen Gewändern zerrte, keine weiteren Anzeichen seines Zorns hervortreten.
»Es lässt sich sehr gut mit meiner Gerechtigkeit vereinbaren, einen Verbrecher seine Strafe zur Gänze erleiden zu lassen«, sagte er mit zusammengekniffenen Augen. »Bandorchu hat sich ihr Schicksal erwählt, als sie ihren Aufstand begann, und sie wusste, was sie erwartete. Was geschehen ist, ist unabänderlich. So ist das Gesetz, und so ist unsere Welt. Selbst wenn ich dem irgendwelche Bedeutung beimessen würde, ob sie sich geändert hat, und selbst wenn ich sie, aus welchen Gründen auch immer, von dort zurückholen wollte: Es gibt für die Verbannten keine Rückkehr aus dem Schattenland. Jedes Tor dorthin ist für sie nur in eine Richtung zu durchschreiten. Und damit ist diese Frage ein für alle Mal geklärt.«
Alebin starrte hinauf in Fanmórs Gesicht. Ein eisiger Schauer überlief seinen Rücken.
»Ihr habt Gwynbaen ohne jede Möglichkeit der Rückkehr verbannt? Auf alle Zeiten? Das kann ich nicht glauben. Nicht einmal ein mächtiger Uralter wie Ihr sollte die Rückkehr ermöglichen können?«
Fanmór machte eine wegwischende Handbewegung. »Ich habe Bandorchu verbannt, nicht Gwynbaen, und die Strafe ist angemessen. Wäre sie noch Gwynbaen gewesen, wäre all das nicht geschehen, und wir stünden vielleicht jetzt nicht vor diesen neuen Schwierigkeiten.«
Der Herrscher beugte sich vor, die Hände auf die Armlehnen seines Sessels gestützt und funkelte Alebin an. »Und das ist das Ende dieses Gesprächs, Alebin, und wenn dir dein Leben und deine Gesundheit lieb sind, rate ich dir, mir so lange fern zu bleiben, bis du entweder einsiehst, welchen Unsinn du vor mir geredet hast, oder bereit bist, dich wie jeder gute Elf meines Reiches meinem Willen zu beugen, selbst wenn meine Handlungen nicht deine Zustimmung finden. Und jetzt – geh mir aus den Augen, ehe ich mich vergesse!« Fanmór ballte seine Hände zu Fäusten, während er die letzten Worte hervorstieß.
Hastig stand Alebin auf und raffte sein Gewand um sich. Mehr stolpernd als gehend trat er einige Schritte zurück, dann fuhr er ohne eine letzte Verbeugung herum und floh aus dem Saal. Hinter ihm setzte in den Reihen der Höflinge hämisches Flüstern und Wispern ein.
Meidling, hörte er sie sagen. Meidling, Meidling, Meidling.
4.
Das Leben eines Toten
Am nächsten Morgen fuhr Rian als Erstes zum Krankenhaus. Die Schwester am Empfang teilte ihr mit, dass Nina noch auf der Intensivstation sei und nicht besucht werden könne. Sie sei aber stabil. Rian fragte nach Doktor Haag, doch dessen Schicht hatte noch nicht begonnen, und der im Moment zuständige Arzt hatte keine Zeit, mit ihr zu reden.
Unverrichteter Dinge kehrte die Elfe ins Hotel zurück, um Grog und Pirx abzuholen. David ließ sich nicht blicken. Anhand der detailgenauen Karte der Region fanden die drei in Heppenheim mühelos den Siegfriedbrunnen. Wie von Rian nicht anders erwartet, war aber auch an diesem Brunnen nichts Besonderes, außer dass er gemeinsam mit den umgebenden Bäumen eine unerwartet romantische und friedliche Ecke zwischen großen Gewerbehallen und Hochhäusern darstellte. Im Gegensatz zu allen anderen Brunnen, die sie besucht hatten, war in diesem nicht einmal Wasser. Stattdessen hatten Leute trotz des Abdeckgitters Müll hineingeworfen, und feuchtes altes Laub moderte darin vor sich hin.
Rian hatte keine Lust, ins Hotel zurückzukehren. Andererseits fehlte ihr jede Idee, wie es nun weitergehen sollte, und zum Nachdenken brauchte sie eine andere Umgebung. Also fuhr sie erneut in den Odenwald, stellte an einem Wanderparkplatz das Auto ab und ging den nächstbesten Waldweg hinunter. Grog und Pirx folgten ihr wie Schatten, offensichtlich besorgt, aber dennoch still, was insbesondere für Pirx verwunderlich war.
Immer tiefer führte der Weg in den hier von Nadelbäumen beherrschten Wald. Rian sog die kühle nebelschwangere Luft in sich hinein und blieb schließlich stehen. Nach einem suchenden Rundumblick ging sie zu einem Baumstumpf und setzte sich darauf. Ihr Blick wanderte zwischen den Bäumen hindurch ins Nichts. Grog hockte abwartend vor ihr auf dem Waldweg, während Pirx hinter ihr mit lautem Rascheln durch das alte Laub huschte.
»So ist die Lage«, fing Rian an, »wir sind einer kalten Spur gefolgt. Das heißt aber nicht, dass es von Anfang an verkehrt war, hierher zu kommen. Vielleicht haben wir nur unsere Suche falsch angepackt.«
Sie sah Grog an, und der nickte langsam, ohne den Eindruck zu erwecken, dass er verstanden hatte, was sie meinte. Sie seufzte kurz und spielte mit ihrem langen Strassohrring.
»Wir haben uns auf das Motiv des Bildes konzentriert«, erklärte sie. »Ich frage mich langsam, ob das richtig war. Immerhin war es die Magie auf dem Bild, die uns zuerst darauf aufmerksam machte, und nicht das, was es zeigte. Vielleicht hätten wir eher darüber nachdenken sollen, wer diese Magie gewirkt hat, und wann, und warum?«
»Wäre zumindest ein neuer Ansatz, der sinnvoll erscheint«, antwortete Grog.
Rian nickte eifrig. »Es ist doch so: Wir haben gestern gesehen, dass diese Quellen Menschen anziehen, die sich mit Magie beschäftigen. Deshalb wäre der Quell der Unsterblichkeit längst entdeckt worden, so gerne David auch annimmt, alle Sterblichen wären in dieser Beziehung blind und dumm. Ich bin davon überzeugt, dass Menschen, die so sind wie Nadja, also Grenzgänger oder eben diejenigen, die sich intensiv damit beschäftigen und empfänglich für Magie sind, das Geheimnis aufdecken könnten. Um die Spur wieder aufzunehmen, sollten wir daher jetzt zum Ursprung des Bildes gehen. Wer hat es gemalt? Wie kam die Magie hinein?«
Rian sprang auf und wanderte vor dem Baumstumpf auf und ab. »Ich erinnere mich, dass in der Louvre-Broschüre stand, die Wanderausstellung sei hier in Deutschland zusammengestellt worden«, führte sie ihre Gedanken fort. »Wir könnten in dem Museum, wo Nina arbeitet, nachfragen, ob sie darin involviert waren.« Sie blieb stehen und seufzte. »Alle Informationen über das Bild sind in meiner Tasche. Und die liegt im Zug.«
»Vielleicht kann man sie ja wiederbekommen?«, schlug Grog vor. »An der Endstation werden sie bestimmt alles eingesammelt haben, was liegengeblieben ist.«
Rian nickte. »Du hast Recht. Ich werde mich im Hotel erkundigen, was man in so einem Fall macht. Pirx, komm her, wir fahren zurück!«
Der Pixie stapfte heran, die Arme voller Eicheln und Esskastanien. »Hat jemand von euch Hunger?«
Rian sah ihn an und lachte. »Das sieht lecker aus. Nimm es mit.«
Sie fuhren zurück nach Worms, und Rian hielt am Nibelungenmuseum an. Sie erfuhr, dass man in der Klinik angerufen habe. Nina war erwacht, aber ein Besuch kam noch nicht in Frage.
Als Nächstes fragte Rian wegen der Wanderausstellung nach, doch die Angestellten schüttelten nur die Köpfe. Die gesamte Ausstellung sei von einem Privatmann in Eigenregie erstellt worden. Die Auswahl und Darstellung der Exponate zeuge zwar von einer gewissen Sachkenntnis, aber dennoch schienen die Leute der Nibelungengesellschaft nicht rückhaltlos begeistert davon zu sein, da das Thema ihrer Meinung nach in der Ausstellung zu reißerisch und medienorientiert selektiert worden wäre.
»Ich denke, jetzt kommen wir der Sache näher«, sagte die Elfe unterwegs zu ihren Begleitern. »Wir müssen den Privatmann ausfindig machen, er kann uns mehr über das Bild sagen.«
Zurück im Hotel, bat Rian um Unterstützung wegen des verlorenen Gepäcks, und der Rezeptionist versprach, sich darum zu kümmern.
Als Rian, Grog und Pirx in die Suite zurückkehrten, fanden sie die typische Unordnung