Elfenzeit 2: Schattendrache. Verena ThemsenЧитать онлайн книгу.
sie. »Seit Jahrhunderten wird darüber gestritten, welcher der vielen Kandidaten der richtige ist, und für jeden gibt es gute Argumente. Welcher es wirklich ist, und ob es überhaupt einen echten Brunnen gibt – wer kann das schon wissen?« Sie hob die Hände in einer hilflosen Geste, und ihre Augen funkelten fröhlich, während sie lächelnd von David zu Rian sah. Die Elfe erwiderte das Lächeln und setzte den Stoffdrachen wieder ab.
David fuhr sich durch das Haar und fing den Blick der jungen Frau damit wieder für sich ein. »Wir würden es vielleicht herausfinden, wenn wir diese Orte einmal besuchen könnten.«
Die Augenbrauen der Frau wanderten hoch. »So? Inwiefern?«
»Wir haben ein Gespür für so etwas.« Rian hörte das Lächeln in seinen Worten, ohne es sehen zu müssen.
»So ein Gespür käme mir zupass«, erwiderte die junge Frau trocken. »Allerdings würde es mir keinen Gewinn bringen, solange ich es nicht mit Fakten untermauern könnte.«
»Vielleicht können wir auch Fakten dazu liefern«, warf Rian ein, während sie zu einem Tischchen mit wassergefüllten Halbkugeln schlenderte, in denen grüne Drachen saßen.
»Sie?« Der Unglaube war klar aus der Stimme der Frau herauszuhören.
Rian nahm eine der Kugeln auf, sah dann zu der jungen Frau und nickte. Diese runzelte die Stirn.
»Was sind Sie – Historiker? Warum wissen Sie dann nicht bereits, wo die Brunnen liegen?«
»Wir sind nicht von hier«, antwortete Rian und drehte die Kugel auf den Kopf, um kurz darauf goldenen Flitter und Sternchen auf den Drachen regnen zu lassen. Der Anblick ließ sie lächeln. »Und nein, wir sind keine Historiker. Wir sind … Journalisten.« Es war das Erste, was ihr einfiel. Und sie hielt es für keine schlechte Idee. Als sie Davids seltsamen Blick auffing, war sie sich jedoch nicht mehr so sicher.
»Journalisten, ah. Na ja, da können Sie kaum die Fakten liefern, die ich bräuchte.« Die Frau lachte wieder auf, machte eine Handbewegung, als wolle sie etwas wegwischen, und sah dann erneut zu David. »Demnach schreiben Sie eine Reportage über die Siegfriedbrunnen?«
»Genau«, antwortete er. »Und wenn Sie uns mit ein paar Auskünften unterstützen, wären wir äußerst dankbar. Wir könnten Sie zum Beispiel im Gegenzug heute Abend im Restaurant unseres Hotels zum Essen einladen, und ich werde Ihnen an der Bar dort Cocktails mixen, die Ihnen unter Garantie munden.«
»Na das werden wohl spezielle Cocktails sein«, antwortete die Frau mit einem schrägen Lächeln. Die vorsichtige Skepsis in ihren Worten stand dabei in krassem Widerspruch zum Leuchten ihrer Augen, während sie David ansah.
Herz und Verstand kämpften offensichtlich um die Vorherrschaft, doch Rian war klar, wer siegen würde. Bei diesen Frauen siegten immer die Herzen, und erstaunlicherweise sogar dann, wenn sie genau spürten, dass David nicht mehr als eine kurze Liaison anstrebte. Elfenzauber verfehlte nie seine Wirkung.
»David mixt hervorragende Cocktails«, sagte sie, während sie erneut die Traumkugel herumschwenkte. »In Paris hat mein Bruder damit sein Geld verdient.«
»Paris? Sie kommen aus Paris?«
»Nicht ursprünglich«, antwortete David. »Aber wir haben eine Weile dort gelebt.«
»Ich möchte dort auch irgendwann hin«, bemerkte die junge Frau. »Im Studium hat es mit dem Austausch nicht geklappt, aber …«
Ein paar Leute kamen herein und schauten sich um. Die junge Frau sah zu ihnen hin und dann zurück zu den Elfen.
»Ich werde sehen, was ich herausfinden kann«, meinte sie unvermittelt. »Gehen Sie doch einfach so lange in das Museum. Sicher finden Sie dort Stoff für Ihre Reportage.« Sie zog zwei Geräte hervor und reichte sie ihnen. »Kopfhörer auf, Knopf auf die gewünschte Sprache stellen, dann erhalten Sie an jedem Punkt Informationen.« Kurz zwinkerte sie David zu und wandte sich dann den neuen Kunden zu.
David trat zur Seite und reichte Rian eines der Geräte. Sie sahen sich an, zuckten die Achseln und gingen in das Museum, ihre beiden unsichtbaren Begleiter mit dabei.
Im Museum erfuhren Rian und David viel über das anscheinend sehr berühmte mittelalterliche Gedicht namens »Nibelungenlied«, das über die Sage um Siegfried und den Niedergang des burgundischen Königshauses berichtete. Über das, was sie wirklich wissen wollten, fanden sie jedoch nichts heraus, obwohl auch die Hintergründe der Entstehung des Gedichtes, die zugrundeliegende Sage und die damit verknüpften historischen Ereignisse erläutert wurden. Dennoch besuchte Rian mehrfach diejenigen Stellen der Ausstellung, an denen die sonore Stimme im Kopfhörer teilweise romantische, größtenteils aber eher tragische Ausschnitte aus der Sage nacherzählte. Sie konnte sich kaum satthören, während David, Grog und Pirx sich für andere Teile der multimedialen Ausstellung interessierten.
Als sie schließlich in den Eingangsraum zurückkehrten, war es bereits Mittag. Die junge Frau hinter dem Tresen hob bei ihrem Anblick mit einem bedauernden Lächeln die Hände.
»Ich hatte noch keine Zeit für Recherchen«, sagte sie. »Heute ist erstaunlich viel los, wenn man die Jahreszeit bedenkt.«
Rian sah David an und sagte: »Wir müssen ohnehin einkaufen. Danach könnten wir wieder vorbeikommen.«
David schüttelte den Kopf. »Ich habe eine bessere Idee.« Er wandte sich der jungen Frau zu. »Kommen Sie doch heute Abend zu uns ins Hotel Siegfriedsruh. Wir essen zusammen, und Sie erzählen uns dabei, was Sie herausgefunden haben. Wir wohnen in der Suite, und unsere Namen sind David und Rian Bonet.«
»Nina Eberts«, antwortete die Frau und reichte David die Hand.
David nahm sie und hob sie an seinen Mund, um in höfischer Manier mit einem leichten Lächeln einen Kuss darüberzuhauchen. Die junge Frau konnte nicht sehen, was Rian sah – die hauchfeinen glitzernden Fäden aus Elfenmagie, die in diesem Moment mit dem Atem des Elfen und über seine Berührung auf ihren Körper übergingen und dort eine Gänsehaut erzeugten. Ninas Augen weiteten sich kurz erstaunt, dann wurde ihr Blick weich und etwas abwesend.
»Ich komme gern«, sagte sie. »Ich freue mich schon darauf.«
»Es wird ein interessanter Abend«, versprach David. »Komm einfach, wann du willst, wir werden da sein.«
Sie nickte nur, und als David ihre Hand losließ, hielt sie sie noch einen Moment in der Luft, ehe sie zurückzog und sie anblickte, als sähe sie sie zum ersten Mal. Die Elfen verließen das Museum.
»Meine Schwester nimmt den großen Salatteller und ein Tiramisu und ein Stück Sachertorte. Für mich bitte das große Rindersteak, medium rare. Was nimmst du, Nina?«
»Ente in Orangensauce«, sagte die junge Frau aus dem Museum. Sie reichte dem Kellner die Karte zurück und sah neugierig zu Rian. »Wie kann man sich nur so viel Nachtisch erlauben und trotzdem so eine gute Figur haben?«
»Die Figur liegt bei uns in der Familie«, antwortete Rian lächelnd und klopfte fürsorglich David auf den Rücken, der sich gerade an seinem Aperitif verschluckt hatte. Vermutlich war ihm das Bild des Vaters vors innere Auge geraten.
Nina schloss die Hände um ihr Glas und sah mit einem schelmischen Lächeln von Rian zu David. »Das scheint ja eine ganz besondere Familie zu sein«, stellte sie fest.
David nickte und räusperte sich, um die Kehle wieder zu reinigen. »Ist sie. Königliches Blut. Das ist alles, was es braucht.«
Nina lachte auf. »Na gut, das habe ich verdient für meine Neugierde. Obwohl man es euch beiden direkt glauben könnte.« Einen Moment sah sie David sinnierend an, dann wandte sie sich ihrer Handtasche zu und kramte darin herum.
»Ich habe zwar unter anderem Mediävistik studiert, aber das Nibelungenlied und die Siegfriedsage waren nicht mein Spezialgebiet«, sagte sie. »Fast alles, was ich darüber weiß, habe ich erst im Museum gelernt, und dort interessiert man sich mehr für den Text an sich und dessen Umfeld als für die genaue Lokalisierung einzelner Schauplätze. Aber das Internet hat schon einiges ausgespuckt, ohne dass ich mich an die Spezialisten