Perry Rhodan Neo 233: Der Oxtorner. Rainer SchormЧитать онлайн книгу.
schnell im Innern des Hospitals.
Ein Medohelfer blieb zurück. Er sah Hawk verblüfft an. »Ich habe nie zuvor jemanden derart schnell laufen sehen!«, sagte er.
Hawk atmete einmal tief durch, dann war sein Puls wieder völlig normal. »Das war nötig«, sagte er. »Ich hoffe, er ist der Einzige?«
Der Imarter verzog das Gesicht. Für Hawk war das Antwort genug.
»Leider nein.« Der Mediker zuckte mit den Schultern. »Erst vor einer Viertelstunde wurde wieder ein Patient eingeliefert. Auf Kalmo Secundus und Terminus Rork haben wir über vierzig Fälle, und die Zahl steigt, fürchte ich. Die Zahlen von Primus Kattla kenne ich nicht – in unserer Klinik hatten wir während des Vormittags bereits sieben Einweisungen. Das sieht sehr, sehr übel aus. Aber bitte behalten Sie das für sich.«
»Geheimhaltung?«, fragte Omar Hawk.
Der Mediker schüttelte den Kopf. »Dann hätte ich kaum etwas gesagt, oder? Aber eine solche Anweisung könnte bald kommen, wenn das so weitergeht. Die Panik damals während der zweiten Welle hat keiner vergessen. Noch einmal danke. Ich hoffe, der Mann wird es schaffen. Und wenn, hat er das nur Ihrer Schnelligkeit zu verdanken.« Mit diesen Worten verschwand er ebenfalls im Gebäudeinnern.
Omar Hawk ging in Gedanken versunken aus der Klinik ins Freie. Er hatte eine ziemlich gute Vorstellung davon, was auf das medizinische Personal derzeit zukam. Was ihn irritierte, war etwas Grundsätzliches. Er kam von Oxtorne. Das Genom der dortigen Siedler war sehr viel massiver verändert worden als bei allen anderen terranischen Kolonisten – sogar wenn man sie mit Menschen von Ertrus oder Epsal verglich. Dennoch war das Ergebnis bei den Oxtornern weitaus stabiler ausgefallen als bei den Imartern. Ein Phänomen wie die Embolischen Wellen gab es auf seiner Heimatwelt nicht.
Nicht mal in Ansätzen, dabei war der oxtornische Organismus viel komplizierter als bei den Umweltangepassten der anderen Kolonien. Während sich Epsaler oder Ertruser bei einer Änderung der Druckverhältnisse – zum Beispiel beim Besuch einer anderen Welt – einer mühseligen Anpassungsprozedur unterziehen mussten, war das bei Menschen von Oxtorne kein Thema. Ihre Kompaktkonstitution wurde mit solchen Abweichungen mühelos fertig, Caisson-Schlauben waren unnötig.
Verglichen damit war die genetische Anpassung des terranischen Atmungsapparats an imartische Besonderheiten eine Kleinigkeit gewesen. Woher die sogenannten transgeninduzierten Lungenembolien also rührten, war nicht abschließend geklärt. Wahrscheinlich handelte es sich um einen Codierungsfehler, der sich regelmäßig bemerkbar machte, wenn die Zellteilung bestimmte Abschnitte des Genoms auslas.
Man könnte meinen, dass NATHAN und die Posbis die besseren Gen-Ingenieure als die Menschen selbst sind, dachte Hawk. Die Posbis forschen seit Langem an Menschen. Die Geschichte, wie Perry Rhodan damals auf die Überlebenden der BRONCO traf, ist eine moderne Legende geworden. Und NATHAN verfügt nicht nur über das Wissen der Posbis ... Er kennt auch die Genome der Maahks, Bestien und Sitarakh. Vielleicht hat es einfach damit zu tun, dass sowohl NATHAN als auch die Posbis eine größere Distanz und von außen den klareren Blick auf uns haben. Selbsteinschätzung oder Selbstdiagnose sind immer heikel. Aber NATHAN offiziell ins Variable Genome Project einzubinden ... Das hätte die irdische Politik niemals zugelassen. Dass die Hyperinpotronik mit ihren Geheimaktivitäten trotzdem einen schweren Konflikt mit der Erde riskiert, ist ein unverkennbares Zeichen für die Dringlichkeit ihrer Mission.
Er registrierte, dass die Menschenmassen in seiner Umgebung unruhig waren. Die Nachricht über die Emboliefälle machte offenbar schnell die Runde.
Vermutlich hatten die zwei Imarter auf dem Stag die Medien informiert. Hawk sah ein Stück entfernt einen Journalisten mit zwei Flugkameras warten. Rasch wich Hawk in eine Seitenstraße aus.
Niemand wusste von Oxtorne; das musste so bleiben. Durch seinen Rettungssprint war er aufgefallen. Sein Inkognito war in Gefahr. Dasselbe galt für seinen eigentlichen Auftrag auf Imart. Offiziell arbeitete Hawk momentan für die Abteilung III des Geheimdiensts der Terranischen Union, aber das war lediglich Tarnung. Nike Quinto wusste vieles, NATHAN informierte ihn jedoch keineswegs über alles. Allerdings war es nicht klug, den Chef der Abteilung III zu unterschätzen. Ohne Zweifel verfügte er über Quellen auch auf dem Mond. Ob er über Oxtorne Bescheid wusste? Nike Quinto war fast alles zuzutrauen.
Hawk aktivierte eine Komverbindung zur DEMOKRIT. »Status?«, fragte er laut.
Hypatia, die Bordpositronik seines kleinen Kurierschiffs, meldete sich sofort. »Wir sind startbereit«, antwortete sie.
Hawk hatte die DEMOKRIT am Raumhafen einer gründlichen Wartung unterziehen und alle Vorräte ergänzen lassen, während er auf Imart seiner Aufgabe nachging.
»Besorg dir alles, was du an Informationen über die aktuelle politische Lage auf Imart bekommen kannst«, wies Hawk seinen Schiffsrechner an. »Wenn ich richtigliege, könnte diese Embolische Welle ein Erdbeben auslösen.«
Hypatia klang besorgt. »Es ist zu früh. Die Modelle sagen politische Verwerfungen frühestens in zwei bis fünf Jahren voraus.«
»Die Welle könnte wie ein Brandbeschleuniger wirken«, sagte Hawk. Sie fühlen sich im Stich gelassen, dachte er. Und das nicht mal zu Unrecht. Aber Menschen neigen dazu, die eigenen Probleme automatisch höher zu bewerten als die anderer. In den Kolonien brodelt es überall und immer mehr. Die Gefahr hingegen, für die Iratio Hondro steht, haben sie noch nicht mal im Ansatz durchschaut – wie sollte das auch möglich sein?
»Du solltest dich um ein spezielles Messergebnis kümmern, sobald du an Bord bist«, empfahl ihm Hypatia.
Hawk war wie elektrisiert. »Die Sonden haben etwas entdeckt? Ist es der Brunnen? Ich beeile mich.« Er beendete die Funkverbindung.
Omar Hawk sah sich ein letztes Mal um. Yael hätte es auf Imart gefallen. Seit seine Frau bei den Yall-Geysiren auf Oxtorne gestorben war, hatte er sich allein im Leben eingerichtet. Er haderte nicht mit ihrem Tod. Oxtorne gab, Oxtorne nahm. Unabhängig davon, auf wen die Extremwelt mit dem Finger zeigte – gegen das Schicksal gab es kein sinnvolles Aufbegehren.
Er stieg in eine der kleinen Vakuumbahnen, die zum Raumhafen von Nor Tun führten. In der Passagierkabine war die Unruhe der Imarter beinahe greifbar. Das Gerücht, eine neue Embolische Welle habe begonnen, war in aller Munde.
Als Omar Hawk sein Ziel erreichte, sah er bereits die leuchtende Startfreigabe: ein tiefblauer Lichtring, der sein Raumboot DEMOKRIT umgab.
Hawk ging an Bord der 25 Meter durchmessenden Kugel und ließ sich von der Leitstelle einen Flug zu den Koordinaten genehmigen, die Hypatia ihm präsentierte. Der Ort lag gute 250 Kilometer westlich von Nor Tun, in einer etwas wilderen Bergregion, Die Felssäulen dort waren spitz und boten so gut wie keine Möglichkeit zur Besiedlung.
Eine gute Viertelstunde später schwebte die DEMOKRIT über einer zugewucherten Talsenke, umgeben von Bergflanken. »Das hätte man früher mancherorts einen Tobel genannt«, sagte Hypatia. »Man sieht ihn kaum.«
»Schieb das Gestrüpp mit ein paar Prallfeldern zur Seite«, sagte Hawk. »Das sieht unheimlich aus. Was ist das für ein ... ist das Nebel?«
Hypatia sparte sich die Antwort. Omar Hawk beobachtete, wie die Ranken zur Seite gedrückt wurden. Dann erstarrten sie, als seien sie festgefroren. Sie gaben den Blick auf ein Stück Nichts frei.
Der Zeitbrunnen!
»Da ist er also«, murmelte Hawk. Nachdenklich kratzte er sich die buschigen Brauen. »Wir hatten vermutet, dass Imart einen Zeitbrunnen hat. Jetzt wissen wir's. Wie groß ist die Aktivität?«
»Minimal«, sagte Hypatia. »Das ist der Grund dafür, dass wir ihn so lange nicht finden konnten. Dass die Sonden überhaupt an dieser Stelle gesucht haben, ist eher Zufall. Die Region ist kaum zugänglich. Bereits in fünfzig Metern Höhe ist das Ding nicht mehr anmessbar.«
»Aber Imart ist keine Foveawelt«, grübelte Hawk. »Zumindest soweit wir wissen. Canopus war nie ein Teil der Alten Straßen ... Es gab hier niemals einen Sonnentransmitter.«
Über dem schwarzen Rund des Zeitbrunnens