Ein MORDs-Team - Der komplette Fall Marietta King. Andreas SuchanekЧитать онлайн книгу.
weg, hinter das Geländer.
»… Abreibung verdient«, erklang die Stimme von Pratt Thompkins. »Wurde ja auch Zeit, dass wir endlich das ‚Go‘ kriegen.«
Der Dealer musste ihnen gefolgt sein. Während sie damit beschäftigt gewesen waren, Bilder zu machen und den Geheimraum zu untersuchen, hatte Thompkins die ganze Zeit in ihrer Nähe gelauert, um jetzt zuzuschlagen.
Angsterfüllt spähte Danielle über das Geländer nach unten.
»Ich nehm mir den Schlaksigen vor«, sagte eine andere Stimme. »Der hält sich wohl für einen ganz Schlauen.«
»Ist mir egal«, kam es von Pratt zurück. »Aber Collister gehört mir. Das Bürschchen war mir schon zuwider, als er noch den großen Helden auf dem Spielfeld gegeben hat. Wurde echt mal Zeit, dass er eine verpasst bekommt. Und wenn ich schon ’ne Abreibung vom Boss bekomme, weil die Einnahmen heute einbrechen, dann kann ich mich wenigstens vorher abreagieren.«
Danielle überlegte fieberhaft. Die zwei mussten zwar in der Nähe des Anwesens gelauert haben, doch sie hatten nicht bemerkt, dass Olivia und Mason davongefahren waren. Vermutlich würde es ihnen gar nicht schmecken, wenn sie die Wahrheit erkannten.
Sie musste Hilfe herbeiholen, und zwar schnell.
»Wen haben wir denn da?«, erklang eine dritte Stimme direkt neben ihr.
Sie schrie auf und fuhr herum. Das Handy entglitt ihren Fingern, fiel über die Balustrade und zerschellte am Boden.
*
Masons Magen knurrte. Langsam bekam er Hunger, während er an nichts anderes denken konnte, als seine Unschuld zu belegen. Er musste irgendwie nachweisen, dass Pratt hinter der Sache steckte.
Gemeinsam mit Olivia war er zuerst zu einem Schlüsseldienst gefahren, wo sie – verbotenerweise – die Hausschlüssel des Tarnowski-Anwesens hatten nachmachen lassen. Von dort ging es zur Redaktion. Olivia stieg mit einem »Fass nichts an« aus dem Auto und verschwand in der Redaktion.
Mason schaute aus dem Fenster und beobachtete die vorbeilaufenden Menschen. Mütter mit ihren Kindern, die auf dem Weg in die Shoppingmall waren. Pärchen, die gemeinsam an der Küstenstraße entlang joggten. Sogar eine Truppe Rentner sah er, die bewaffnet mit Decken in Richtung Strand marschierten.
Das Gebäude der Barrington Cove Gazette lag an einer dicht befahrenen Hauptstraße, gegenüber vom Strand. Es war ein großer Glasbau mit einem ringsum laufenden Grünstreifen. In der Lobby standen Sofas, bezogen mit schwarzem Leder, und kleine Tische, auf denen Magazine lagen. Ein grimmig dreinblickender Pförtner scheuchte die meisten Ankömmlinge davon.
Der Gazette gehörte das gesamte Gebäude. Im ersten Stock erkannte er zahlreiche Köpfe hinter den Fenstern, mehr war nicht auszumachen.
Komm schon, Olivia, beeile dich.
Es war längst Nachmittag. Wenn sie Pratt lückenlos überwachen wollten, mussten sie langsam damit anfangen. Vermutlich hing er noch immer in der Nähe des Steinbruchs herum.
Mason hätte es längst überprüft, nur leider hatte Olivia die Software zur Überwachung der Wanze auf einem Pad der Redaktion gespeichert. – Und das war gesperrt. Bedauerlicherweise hatte sie vergessen, den PIN ebenfalls auszuborgen.
Eine halbe Ewigkeit schien zu vergehen, bis sie wieder aus dem Redaktionsgebäude trat. Unweigerlich musste er daran zurückdenken, wie sie ihn am Strand fertiggemacht hatte. Damals hatte er sie für ein eingebildetes, arrogantes Miststück gehalten. Warum half sie ihm jetzt trotzdem? Es hatte eher so geklungen, als würde sie ihm am liebsten eine reinhauen.
»Ich bin überrascht, das Auto ist nicht in die Luft geflogen«, sagte Olivia. Sie schwang sich hinter das Steuer und startete den Motor.
»Haha.« Mason hielt ihr das Pad entgegen. »Wärst du so nett? Ich will prüfen, wo Pratt ist. Der Idiot scheint im Steinbruch zu wohnen.«
Sie zog einen Zettel hervor, studierte ihn einige Sekunden lang und gab dann mit fliegenden Fingern den PIN-Code ein. »Weißt du, dieser Tag entpuppt sich wirklich als … interessant. Eigentlich wollte ich mir meine Kamera schnappen, am Strand entlang spazieren und die Felsformationen fotografieren. Stattdessen spiele ich Babysitter.«
Sie sah sich kurz um, scherte aus und fuhr los.
»Du bist nur ein Jahr älter als ich«, sagte er, den Blick auf das Interface gerichtet, das sich viel zu langsam aufbaute. »Tu nicht so, als hättest du die Weisheit mit Löffeln gefressen.«
Olivia schnaubte nur und bretterte haarscharf an einer Omi mit Trolli vorbei. Die Südtangente war zu dieser Zeit dicht befahren, die Hälfte der Stadt wollte zum Strand. Glücklicherweise fuhren sie in die andere Richtung, sonst wäre längst kein Durchkommen mehr gewesen.
Sehnsüchtig blickte Mason in Richtung Strand, dann galt seine Aufmerksamkeit wieder der Software.
Eine Stadtkarte erschien auf dem Display. Gebäude waren gelbe Flächen, Straßen graue Striche. Er suchte den grünen Punkt, der den Standort von Thompkins markierte, wurde im Steinbruch aber nicht fündig.
»Er ist nicht mehr dort«, murmelte Mason.
»Oookay.« Olivia steuerte den Wagen in eine enge Kurve, die Bremsen quietschten.
»Oh, nein!«
»Jetzt stell dich nicht so an.«
»Ich spreche nicht von deinem Fahrstil, sondern Thompkins!« Er hielt ihr das Pad vor die Nase. »Der Dreckskerl ist im Tarnowski-Haus.«
Olivia riss entsetzt die Augen auf.
Dann drückte sie das Gaspedal bis zum Anschlag durch. »Halt dich fest.«
*
Ein bekannter fauliger Atem schlug Danielle ins Gesicht. Sie wollte sich abwenden, aber Pratt hielt sie fest. Er war ganz nah. Ihre Brust wurde eng.
»Wenn das nicht das kleine Püppchen aus dem Steinbruch ist«, sagte Thompkins. »Tja, wir sind nicht so blöd wie ihr dachtet. Einer meiner Männer hat euch verfolgt.« Er sah sich um. »Das ist doch die Bude vom alten Tarnowski. Hier gibt es nichts Wertvolles zu holen. Warum also seid ihr hier?« Er grinste sie an. »Wo sind deine kleinen Freunde, hm?«
Hinter ihr stand ein breitschultriger Typ mit Vollbart und Nasenpiercing, der sie erwischt und zu Thompkins gebracht hatte. Er hatte sie auf einen Stuhl im Zentrum der Eingangshalle gedrückt und sich vor ihr aufgebaut.
Danielle begriff in einem Moment des Entsetzens, dass sie Thompkins alle unterschätzt hatten. Er war nicht einfach ein kleiner Dealer, sondern ein waschechter Psychopath. Der Kerl wollte weit mehr, als Mason nur eine kleine Abreibung verpassen. Dieses gierige Funkeln in seinen Augen machte ihr Angst.
Mason und Olivia waren in Sicherheit, aber was war mit Randy? Wenn der kleine Nerd den Geheimraum verließ, würden diese Halbaffen ihn erwischen.
Der Schreck saß ihr noch immer in den Gliedern. Ihre Finger begannen zu zittern. Schnell ballte sie die Hände zu Fäusten, damit es nicht auffiel.
»Lass mich noch mal anders fragen«, sagte Thompkins.
Er ließ seine Fingergelenke knacken. Mit einem Lächeln schaute er auf die Überreste ihres Smartphones. Ein Tritt, und von dem Gerät mit dem durch den Fall zersprungenen Display blieben nur Einzelteile übrig. – Plastik, Aluminium, irgendwelche winzigen Platinen.
»Und jetzt stell dir vor, ich mache das gleich noch mal, allerdings mit deiner Hand.« Pratt lächelte schmierig. »Also, ich wiederhole meine Frage genau ein Mal: Wo sind deine kleinen Freunde? Wo ist Collister?«
»Ich bin alleine hier.« Danielle hatte schon recht früh gelernt, überzeugend zu lügen. Sie trug das Gesicht eines blonden Engels, wie man ihr als Kind immer wieder gesagt hatte, und einem solchen traute niemand Böses zu. Zugegeben, sie war manchmal eher ein kleines Teufelchen gewesen, allerdings