Sophienlust Box 16 – Familienroman. Patricia VandenbergЧитать онлайн книгу.
Im Erdgeschoss gab es drei große Wohnräume, eine supermoderne Küche und einige Nebenräume sowie die Eingangshalle mit der Garderobe. Die Einrichtung war geschmackvoll und harmonisch. Josefa fragte sich immer wieder, wie Alexander das in so kurzer Zeit geschafft hatte. Er hatte es im Tempo des Düsenflugzeugs geschafft, aber es war gut geworden.
»Willst du auch gleich oben alles sehen?«, fragte er.
»Natürlich, Alexander.«
Sie stiegen die Treppe hinauf, denn auch Lexi wollte ihr neues eigenes Reich sehen. Josefa war davon genauso entzückt wie das Kind. An alles war gedacht, auch an den Schreibtisch für den bevorstehenden Schulanfang.
»Jetzt dein Zimmer, Josefa«, sagte Alexander.
Es war das schönste Zimmer im ersten Stockwerk. Es hatte einen Balkon, von dem aus man den Garten mit dem Schwimmbecken überblickte, und ein eigenes Bad. Aber es stand nur ein Bett darin. Natürlich. Doch niemand ahnte, wie traurig die kostbare Einrichtung dieses Zimmers Josefa Rethy geborene Klinger machte.
»Magst du’s?«, fragte Alexander leichthin. »Da hängt auch eine Ikone fürs Heimweh nach Russland.«
»Es ist wunderschön geworden, Alexander. Ich danke dir«, brachte sie mit erstickter Stimme hervor.
»Gut«, sagte er befriedigt. »Schließlich sollst du dich wohlfühlen. Telefon hast du neben dem Bett. Man kann es umstellen von unten. Du weißt, dass ich manchmal zu den unmöglichsten Zeiten anrufen werde, weil es unter Umständen bei euch Nacht ist, wenn es in Australien Tag ist. Dann brauchst du wenigstens nicht aufzustehen.«
Das hatte fast ironisch geklungen. Josefa fand keine Entgegnung, sondern legte den leichten Mantel aufs Bett. Das Brautkleid hatte sie schon in Sophienlust ausgezogen und in einen kleinen Koffer verpackt. Würde es nur eine Erinnerung an einen Traum sein, der sich niemals verwirklichen sollte?
»Interessiert dich meine Klause?«, fragte Alexander jetzt wie beiläufig.
Sein Zimmer lag direkt neben dem ihren. Es gab sogar eine verbindende Tür, doch sie war auf ihrer Seite durch einen Vorhang verborgen. Deshalb entdeckte sie die Tür erst drüben in seinem Zimmer, das modern und außerordentlich nüchtern eingerichtet war. Auch
ein Schreibtisch stand darin, auf dem sich allerlei Post und Papiere häuften. Neben seinem Bett war ebenfalls ein Telefon.
»Wenn ich Bereitschaft habe«, erklärte er ihr, »ist das nötig.«
»Ich verstehe«, entgegnete Josefa.
»An den Schreibtisch im Schlafzimmer bin ich nun mal gewöhnt«, fuhr er fort. »Es ist wahnsinnig praktisch, vor allem, wenn man so unregelmäßig kommt und geht wie ich. Hoffentlich stört dich diese Angelegenheit nicht.«
»Aber, Alexander – es ist dein Haus und dein Zimmer.«
»Irrtum, Josefa, es ist unser Haus.«
»Immerhin dein Zimmer«, beharrte sie auf ihrer Meinung.
Alexa hatte sich verzogen, weil sie mit der neuen Haushälterin Freundschaft schließen wollte, die aus Hamburg stammte und Frau Gesine hieß. Sie hatte ihr kleines Reich im zweiten Stockwerk, sehr gemütlich mit eigenem Bad, Fernseher und allen modernen Annehmlichkeiten.
Frau Gesine erschien gerade im rechten Augenblick und bot an, beim Kofferauspacken zu helfen. Auch fragte sie, ob sie etwas für das Abendessen richten solle.
»Für mich nicht«, sagte Alexander mit einem Blick auf seine Uhr, die stets auf die Sekunde genau ging. »Ich muss genau in einer Stunde zum Flughafen.«
Josefa war es, als bliebe ihr das Herz stehen. »Heute schon?«, fragte sie stockend.
»Es ließ sich nicht ändern, Josefa. Ich habe so ziemlich alles genau hingekriegt mit unserer Blitzhochzeit. Nur ein paar Tage Urlaub, die müssen wir auf später verschieben. Hoffentlich bist du nicht enttäuscht. Immerhin hast du auf diese Weise Zeit, dich hier ganz und gar einzurichten. Ich bin in drei Tagen wieder zurück.«
»Wir bringen ihn zum Flughafen, nicht wahr?«, rief Lexi ahnungslos und fröhlich dazwischen. »Mutti hat das noch nicht gesehen.«
»Wenn ihr mitkommen wollt? Ich lasse meinen Wagen sonst dort stehen. Aber es geht natürlich auch mal anders. Oder wir fahren in zwei Autos.« Denn auch der zweite Wagen für seine Frau stand bereits in der Garage des Hauses.
»Ja, Alexander, wir begleiten dich. Lexi möchte es so gern.« Auf diese Weise brauchte Josefa wenigstens nicht einzugestehen, wie sehr sie selbst es ebenfalls wünschte.
*
Es tat weh, dass Alexander die hübsche Stewardess Bonny duzte und von ihr kameradschaftlich mit Alex angeredet wurde. Es tat auch weh, dass Alexander sein Töchterchen zum Abschied küsste, während Josefa sich damit begnügen musste, dass er ihre Hand höflich und korrekt an die Lippen zog.
Sogar Frau Gesines Betulichkeit tat weh, als Josefa mit Lexi heimkehrte.
»Ich habe den Tisch gedeckt, Frau Doktor.«
Lexi konnte tatsächlich schon wieder essen, obwohl Magdas Hochzeitsmahl überaus reichlich gewesen war, von den Torten zum Kaffee ganz zu schweigen. Das Kind plauderte beim Essen unentwegt über die schöne Hochzeit, über Sophienlust und über das neue Haus. Vor allem aber beschäftigte sich Alexa mit dem Schulbeginn, der in genau drei Tagen sein sollte.
»Sie müssen etwas essen, Frau Doktor«, mahnte Frau Gesine, und Josefa tat ihr den Gefallen, weil sie sie nicht enttäuschen wollte. Die Haushälterin hatte sich schließlich Mühe gegeben.
Josefa brachte nach dem Essen Alexa in ihr neues Bett, das sich tagsüber in eine Couch verwandeln ließ.
»Schlaf gut, Lexi. In drei Tagen ist Vati wieder hier. Merke dir, was du träumst. Der erste Traum in der ersten Nacht unter einem neuen Dach geht manchmal in Erfüllung.«
Sie küsste das Kind – ach, wenigstens das durfte sie tun. Dann verließ sie das hübsche Zimmer und kam sich unendlich verlassen vor. Das war das Ende ihres Hochzeitstages, eines Festes, das eigentlich nur eine Show für Lexi gewesen war. Vor ihr aber lag nun eine einsame Nacht in einem fremden Haus.
Ob Alexander an sie dachte, während er über den Atlantik flog? Wenn sie wenigstens nicht ständig an die Stewardess Bonny denken müsste …
Josefa ging zu Bett, fand aber die ganze Nacht keinen Schlaf.
*
Am anderen Tag kam ein großes Paket, das ein schweres Silbertablett enthielt. Es war ein Hochzeitsgeschenk von Fred Wellner. Josefa rief ihn in der Klinik an, um ihm zu danken. Warum er das tue, fragte sie bedrückt.
»Zur Erinnerung, Josefa. Und wenn ich dir mal irgendwie helfen kann, dann musst du mir Bescheid sagen. Versprich mir das. Ich mache mir Vorwürfe. Es hätte nicht geschehen dürfen.«
»Ich bin zufrieden, Fred«, widersprach Josefa trotzig. »Wenn du magst, kannst du mich mal besuchen und dir unser Haus ansehen. Es ist schön geworden, sehr schön sogar. Die kleine Lexi aber ist glücklich, dass sie nun Vati und Mutti hat.«
»Du bist eine hoffnungslose Romantikerin, Josefa. Ich komme gern mal vorbei. Bis bald also.«
Die Zeit verging schleppend, obwohl es allerlei zu tun gab, um sich in dem neuen Haus richtig einzuleben. Ihre Bücher mussten noch geordnet werden, und auch sonst blieb manches, das sie persönlich erledigen musste. Am Ende wurde es doch Abend, und sie brachte Lexi, die bereits in der Nachbarschaft eine kleine Freundin gefunden hatte, wieder zu Bett.
Josefa selbst fühlte sich nach der vorangegangenen schlaflosen Nacht todmüde und legte sich zeitig nieder, um sofort in einen bleiernen Schlummer zu sinken. Als das Telefon neben ihr läutete, griff sie in der Dunkelheit danach und meldete sich mit »Dr. Klinger«, ohne daran zu denken, dass dies kein Anruf aus der Klinik sein könne und dass sie nicht mehr Klinger, sondern Rethy hieß.
»Hör mal, jetzt habe ich dich erwischt. Du bist Frau Dr. Josefa Rethy seit gestern.«
Plötzlich