Sophienlust Box 16 – Familienroman. Patricia VandenbergЧитать онлайн книгу.
schon ein bisschen altklug geworden. Es ist eine gute Idee.« Josefa sagte es, obwohl ihr Verstand ihr sagte, dass das Ganze dumm und albern sei.
Nach einer Weile stand Alexander auf und schaltete das Radio ein. Eine Violinsonate von Beethoven erklang. Josefa legte den Kopf gegen die Sessellehne und schloss die Augen. Die quälende Spannung verging ein wenig.
Plötzlich fühlte sie seine Hand für den Bruchteil einer Sekunde auf ihrem Haar. Ein heißes Glücksempfinden durchflutete sie. Doch schon nahm er die Hand wieder fort und ging aus dem Zimmer. Josefa blieb mit der unsterblichen Musik und mit ihrer Sehnsucht allein.
*
Es folgten Wochen, in denen Josefa Alexander nur selten zu sehen bekam. Er musste öfters Vertretungen übernehmen, weil mehrere Piloten durch Krankheit ausgefallen waren. Josefa begann das Telefon neben ihrem Bett zu hassen, weil es nur dann läutete, wenn ihr Mann ihr mitteilen wollte, dass er seine Rückkehr aus dienstlichen Gründen wieder einmal aufschieben müsse.
Im November bekam Alexa zuerst Masern und dann Scharlach. Beide Erkrankungen grassierten zu dieser Zeit. Josefa machte sich Vorwürfe, weil sie Alexa nicht hatte impfen lassen, als noch Zeit gewesen wäre. Nun also lag Alexa mit hohem Fieber im Bett, und die erste Krankheit ging in die zweite über.
Josefa isolierte die kleine Patientin vollkommen und erlangte, da sie selbst Ärztin war, die Erlaubnis, das Kind zu Hause zu pflegen.
Fred Wellner stand ihr mit ärztlichem Rat zur Seite, soweit sie solchen benötigte. Er kam täglich, während von Alexander gerade in den schlimmsten Tagen keine Nachricht eintraf. Josefa wusste nicht einmal, wo sie ihn hätte erreichen können.
Am Abend des achten Tages ihrer Erkrankung jammerte Alexa: »Vati soll endlich kommen. Er ist nie da.«
»Vielleicht kommt er schon morgen oder übermorgen«, tröstete Josefa und brachte Lexi eisgekühlten Saft gegen den Fieberdurst. Als das Kind endlich eingeschlafen war, saß sie mit Fred Wellner bei geöffneter Tür im Wohnzimmer, um jeden Laut von oben hören zu können.
»Ich bin dir so dankbar, Fred«, sagte sie müde. »Gerade jetzt müsste Alexander wirklich hier sein.«
»Rufe doch auf dem Flughafen an und erkundige dich, wie du ihn erreichen kannst. Ich würde ihm ein Telegramm schicken an deiner Stelle. Er bildet sich ein, dass es auf der Welt nichts Wichtigeres gibt als seinen Dienst.«
»Sei nicht ungerecht, Fred. Auch du lässt dich in dringenden Fällen nachts aus dem Bett holen.«
»Das ist etwas anderes.«
»Jeder hält seinen Beruf für den wichtigsten.«
»Alexa ist schwerkrank. Das brauche ich dir nicht auseinanderzusetzen, denn du bist selbst Medizinerin.«
»Hast du Sorge, sie könnte es nicht überstehen?«, fragte Josefa erschrocken, denn so ernst hatte sie es durchaus nicht angesehen.
»Wenn das Herz in Ordnung ist, schafft es die Kleine. Sorge dich nicht, Josefa«, beruhigte er sie. »Trotzdem ist es reichlich anspruchsvoll vom Herrn Flugkapitän, dass er dich mit diesem Problem allein lässt. Er hat sich entschieden den angenehmeren Teil dieser Ehe ausgesucht.«
Josefa schüttelte den Kopf. »Er weiß nicht einmal, dass Lexi krank geworden ist.«
»Gerade das mache ich ihm zum Vorwurf. Seit einer Woche hat er sich nicht mehr gemeldet. Das ist rücksichtslos dir gegenüber.«
»Es ist nicht ganz einfach mit dem Telefonieren von Übersee. Von Australien aus dauert es oft viele Stunden, bis ein Gespräch durchkommt.«
»Er könnte ein Telegramm schicken, wo er zu erreichen ist. Aber es ist selbstverständlich viel bequemer, sich unerreichbar zu machen. Auf diese Weise kann er sogar ungestört ein paar freie Tage irgendwo verbringen, ohne dass es sonderlich auffällt.«
»Warum sagst du so hässliche Dinge? Es ist bestimmt nicht wahr.«
»Du willst die Wahrheit einfach nicht sehen. Dein Mann hat sich mit dieser Ehe, mit dem schönen Haus und dem ganzen Drum und Dran von seiner Verantwortung für das Kind freigekauft. Wenn es nicht gerade um dich ginge, könnte es mir gleichgültig sein. Aber du hast dein Leben verpfuscht für einen Egoisten!«
Josefa antwortete nicht. Wie hätte sie Fred auch eingestehen können, dass sie ihren Mann liebte?
»Er liebt dich nicht, er liebt nicht einmal das Kind«, fuhr Fred Wellner ärgerlich fort. »Aber er ist zu eitel, um das zuzugeben. Also hat er diesen pompösen Rahmen für ein hübsches Bild angeschafft, das leider nicht die Wahrheit darstellt. Ihm selbst ist es allerdings zu langweilig, sich in diesem Rahmen einsperren zu lassen. Du machst es ihm leicht genug. Keine seiner Behauptungen prüfst du nach, niemals telefonierst du hinter ihm her, wie es andere Ehefrauen tun würden in deiner Lage. Nein, du sagst ganz brav ja und Amen zu allem. Doch falls der kleinen Alexa etwas passieren sollte, würde er dir wahrscheinlich die bittersten Vorwürfe machen. Denn er bezahlt dich ja gut für deine Pflichterfüllung.«
Sie legte die Hände über die Ohren. »Hör auf, Fred! Das alles stimmt nicht. Ich müsste dich bitten, nicht mehr wiederzukommen, wenn du weitersprächest.«
Er nahm ihre Hände in die seinen, sodass sie gezwungen war, ihn weiter anzuhören. »Du kannst es nicht ertragen, weil es die Wahrheit ist, Josefa«, sagte er.
In diesem Augenblick erklang von oben ein Geräusch. Josefa sprang auf und lief in Alexas Zimmer hinauf. Zu ihrer grenzenlosen Überraschung fand sie Alexander neben Alexas Bett. Er trug noch die Uniform und sah müde aus. Sie mussten sein Kommen überhört haben.
Er wollte etwas sagen, doch sie legte den Finger auf die Lippen. Da folgte er ihr die Treppe hinunter, genauso lautlos, wie er hinaufgestiegen sein mochte.
Die beiden Männer grüßten einander steif und förmlich.
»Alexa hat Scharlach«, berichtete Josefa mit starrem Gesicht. »Du musst dich gleich gründlich desinfizieren. Zuerst waren es die Masern. Sie verliefen sehr leicht. Doch jetzt hat sie hohes Fieber. Ich bin erleichtert, dass du endlich da bist. Lexi hat immer nach dir gefragt – noch vorhin, vor dem Einschlafen.«
Fred Wellner fügte ein paar ärztliche Erläuterungen hinzu und betonte, dass das Kind schwer krank sei.
»Es ist sehr freundlich von Ihnen, dass Sie sich um meine Frau und mein Kind kümmern, Doktor«, sagte Alexander kühl. Es war eine deutliche Verabschiedung.
Fred Wellner wünschte eine gute Nacht. Er sei jederzeit erreichbar, versicherte er, ehe er in seinen Wagen stieg.
Dann waren Alexander und Josefa allein.
»Wo ist Frau Gesine?«, fragte Alexander.
»Ich hab’ sie schlafen geschickt. Sie opfert sich auf für mich und Lexi, obwohl ich sie wegen der Ansteckungsgefahr nicht an das Kind heranlasse.«
»Sie ist eine tüchtige Frau«, meinte er matt. »Du solltest auch im Bett sein um diese Zeit. Es ist spät.«
»Lexi ist erst vor einer halben Stunde eingeschlafen. Dr. Wellner konnte nicht vor neun Uhr kommen. Er hatte sehr lange in der Klinik zu tun. Aber ich wollte mich nicht allein auf mein Urteil verlassen. Deshalb bat ich ihn zu kommen.«
»Hier an der Ecke wohnt ein Kinderarzt, falls dir das bisher entgangen sein sollte, Josefa.« Das klang vorwurfsvoll.
Erschrocken sah Josefa ihn an. »Ist es dir nicht recht, dass ich Fred zugezogen habe?«, stieß sie hervor.
Er hob die Schultern. »Nicht recht – er liebt dich! Ich habe euer Gespräch mitangehört. Die Tür stand offen. Deshalb wollte ich zunächst herausfinden, ob Frau Gesine auch mithören konnte. Das wäre mir nämlich peinlich gewesen.«
»Alexander, wenn du zugehört hast, dann musst du auch meine Antworten verstanden haben«, flüsterte Josefa beschwörend. »Ich denke nicht so wie Fred.«
»Nein, aber er hat leider nicht ganz unrecht, der Herr Doktor. Du hast mir zuliebe dein Leben verpfuscht. Nein,