Kärntner Totenmesse. Roland ZingerleЧитать онлайн книгу.
zu verschrecken. „Was waren das für Rückschläge?“
Die Gefragte zog wieder an der Zigarette, streifte die Asche ab, blies den Rauch aus. „Wir haben ... er hat eine Druckerei geführt, in Köttmannsdorf. Von seinem Papa geerbt. Die ist pleite gegangen.“
Die Chefinspektorin musterte die Frau. Offenbar traute sie sich noch nicht aus sich heraus, Sabine musste irgendwie ihren Redefluss in Gang bringen. „Haben Sie Landesrat Rudi Moritsch gekannt?“
Margot Teppan nickte.
„Seit wann?“
Sie vollzog wieder ihr Ritual, ehe sie begann. „Seit vielen Jahren. Rudi und ich sind damals der Kärntner Jugend beigetreten, da war ich siebzehn Jahre alt.“ Ein Lächeln flog wie ein Schatten über ihr Gesicht und verzauberte es für die Dauer eines Herzschlags. „Rudi war achtzehn.“
„Die Kärntner Jugend? Was ist das?“, unterbrach Sabine.
„Das ist ... die Jugendorganisation von Rudis Partei. Wir waren eine Menge junge Leute, damals. War eine schöne Zeit.“
„War Ihr Mann auch Mitglied?“
Frau Teppan blickte ihr kurz in die Augen. „Ja, Fritz war der Obmann. Damals. Er ist ja um einiges älter als ich, zwölf Jahre.“
„Haben Sie sich gleich ineinander verliebt?“
„Nein, erst später, Jahre später. Damals war er für mich noch ein alter Mann.“ Ihr Grinsen wirkte unschuldig.
Sabine zwang sich zu einem Lächeln. „Sie haben sich noch die Hörner abstoßen müssen, stimmt’s?“
Margot Teppan lachte wie ein kleines Mädchen. „Ja, stimmt. Wir alle haben das in dem Alter, nicht wahr?“
Sabine nickte. „Junge Leute müssen so sein.“
„Ja, das müssen sie.“
„Rudi auch?“
„Ja“, lachte Frau Teppan, „mit Rudi war ich auch zusammen. Eigentlich öfters.“ Sie zog an der Zigarette, streifte die Asche ab, blies den Rauch aus. „Es war eine wilde Zeit.“
„Und wie haben Sie sich in Ihren Mann verliebt?“
„Jahre später, da war ich schon vierundzwanzig. Ich habe meinen Beruf gehabt und alleine gelebt. Da waren plötzlich andere Dinge wichtig, wie ein regelmäßiges Einkommen und überhaupt Stabilität. Fritz war mein Vorbild, weil er so solide war. Auf den hat man sich verlassen können.“ Sie lächelte. „Und er war in mich verliebt.“
„War er da noch immer Obmann der Kärntner Jugend?“
„Nein, da hat ihn Rudi schon abgelöst. Fritz hat mit der Kärntner Jugend nichts mehr zu tun gehabt, der war da schon Funktionär in der Landespartei.“
„Haben er und Rudi sich gut verstanden?“ Sabine beobachtete, wie Margot Teppans Augen dunkel wurden.
Sie schüttelte heftig den Kopf. „Nein, die beiden haben sich nie ausstehen können.“
„Wieso nicht?“
„Sie waren zu verschieden. Fritz war immer so gediegen, Rudi war mehr der Draufgängertyp. Außerdem hat Rudi alle geärgert. Er war ein schlimmer Finger.“ Diesmal war ihr Lächeln halbherzig.
„Haben Sie eine Ahnung warum?“
„Er war ein bisschen verzogen. Seine Mutter war ja die Landesrätin, eine echte Respektsperson in der Partei. Wenn die was gesagt hat, dann haben alle folgen müssen, ohne Widerrede.“
„Und Rudi hat das ausgenützt?“
„Er hat es versucht. Aber Fritz hat ihm das nie durchgehen lassen.“
„Wie kann ich mir das vorstellen?“
Margot Teppan drückte die Zigarette im Aschenbecher aus. „Er hat ihn behandelt wie ein Muttersöhnchen. Am Anfang, jedenfalls. Später dann sind sie regelmäßig zusammengekracht. Da sind die Fetzen geflogen!“
„Ist es da auch zu Handgreiflichkeiten gekommen?“
„Immer wieder, ja. Aber nichts Ernstes.“
„Und als Rudi älter geworden ist, hat sich das nicht gebessert?“
„Nein. Rudi hat so eine Art gehabt ... sobald er herausgefunden hat, wo jemand seinen wunden Punkt hat, hat er mit Genuss genau dort hineingedrückt. Wissen Sie, was ich meine?“
„Sie haben ihn aber trotzdem gemocht?“
„Ja, bei den Mädels, da war er anders. Außer, wenn er eine nicht hat ausstehen können.“
Eine ältere, verbraucht aussehende Kellnerin mit einem Outfit, für das sie um Jahrzehnte zu alt wirkte, kam und nahm die Bestellung auf. Beide Frauen orderten Kaffee.
„Wie ist es dann weitergegangen“, nahm Sabine den Faden wieder auf, „Sie und Fritz haben geheiratet?“
„Ja, in unserem dritten Jahr. Rudi ist damals Parteichef geworden und hat politisch Karriere gemacht. Dank seiner Mama, natürlich.“
„War die damals politisch noch aktiv?“
„Gerade noch. Sie hat Rudi als ihren Nachfolger aufgebaut und sich dann zurückgezogen. Nach der Landtagswahl vor zwei Jahren ist er Landesrat geworden. Wir waren alle ganz stolz.“
Sabine sah Margot Teppan von unten her an. „Auch Ihr Mann?“
„Nein.“ Sie fingerte eine weitere Zigarette aus der Packung. „Er hat damals andere Sorgen gehabt. Unsere Druckerei ist nicht gut gegangen, er hat Konkurs anmelden müssen.“
„Im selben Jahr?“
„Vor zwei Jahren, ja.“ Wieder ihr Ritual. „Es war absehbar. Die Druckerei ... die ist nie wirklich gut gelaufen. Und dann noch die Konkurrenz aus dem Osten ... Rudi hat da gar nichts dafürkönnen.“
Sabine stutzte. „Hat ... hat Ihr Mann das behauptet?“
Margot Teppan nickte und sah die Chefinspektorin mit einem unbestimmbaren Blick an. „Rudi hat als Parteichef Einsparungen vornehmen müssen. Fritz hat das nicht verstehen wollen.“
Sabine war verwirrt. „Was hat das eine mit dem anderen zu tun?“
„Unsere Druckerei hat die ganzen Drucksorten für die Partei gemacht“, erklärte Margot Teppan, „und dann nicht mehr.“
Sabine verstand. Fritz Teppan hatte von der Partei gelebt, und Landesrat Moritsch hatte ihm den Geldhahn zugedreht. Frau Teppan glaubte, der Grund seien notwendige Einsparungen der Partei gewesen, ihr Ehemann hielt es für eine gegen ihn gerichtete Maßnahme. Sabine nahm sich vor herauszufinden, wer von den beiden recht hatte.
„Fritz ist ein guter Mann“, fuhr Margot Teppan in einem klagenden Ton fort, „aber er ist sehr empfindlich. Er braust schnell auf und ist danach nur schwer zu versöhnen. Und Rudi ... der hat nie nachgegeben, keinen Millimeter. Da war klar, dass sie aneinandergeraten.“
„Was meinen Sie damit?“
„Vergangenes Jahr, bei einer Parteisitzung ... da hat Fritz Rudi wieder einmal beschuldigt, dass er ihn in den Bankrott geschickt hat, und Rudi hat ihn provoziert und provoziert ... so lange, bis Fritz ihn geschlagen hat. Mit der Faust. Ins Gesicht.“ Sie widmete sich wieder ihrer Zigarette.
„Und dann?“, hakte Sabine vorsichtig nach.
„Rudi hat ... er hat Fritz ... er hat veranlasst, dass Fritz aus der Partei ausgeschlossen wird.“
Die Chefinspektorin sah Margot Teppan forschend an. Sie war sich sicher, dass noch mehr dahintersteckte, doch offensichtlich wollte die Frau nicht darüber reden. Sie beschloss, diese Information über einen Umweg aus ihr herauszubekommen, und zog ein paar Papierblätter aus der Umhängetasche, die sie mithatte. „Nach den gestrigen Ereignissen auf der Messe“, begann sie, „haben wir alle Anwesenden