Kärntner Totenmesse. Roland ZingerleЧитать онлайн книгу.
lassen, er habe ein Verhältnis mit Ihnen.“
Margot Teppan war mit einem Mal wie versteinert, der aufsteigende Rauch ihrer Zigarette schien das einzig Lebendige an ihr zu sein.
Sabine beschloss, sie mit den Tatsachen zu konfrontieren. „Ich lese Ihnen jetzt das Streitgespräch zwischen Landesrat Moritsch und Ihrem Mann vor, wie es einer der Augenzeugen zu Protokoll gegeben hat:
Landesrat Moritsch: ‚Und, Fritz, gefällt’s dir auf der Messe?’
Fritz Teppan: ‚Halt’s Maul!’
Landesrat Moritsch: ‚Beleidigend auch noch? Sag lieber danke, dass ich dich nicht anzeige, sonst überlege ich es mir noch einmal.’
Fritz Teppan kam näher und starrte Landesrat Moritsch aggressiv an.
Landesrat Moritsch: ‚Sind wir schon wieder soweit? Ist in Ordnung, schlag zu! Aber dann kann dir deine Frau auch nicht mehr helfen.’
Fritz Teppan: ‚Was meinst du damit?’
Landesrat Moritsch: ‚Es war ja ganz nett, was sie auf meinem zurückgeklappten Beifahrersitz so alles draufgehabt hat, aber so gut, dass ich auf zwei Anzeigen verzichte, ist sie dann auch wieder nicht.’
Fritz Teppan ging schweigend davon.“ Sabine ließ die Blätter sinken und sah Margot Teppan fragend an.
Diese erwachte mit einem kurzen Kopfschütteln aus ihrer Erstarrung und rückte auf dem Stuhl herum, während ihre Blicke in der Gegend umherzuckten.
„Das ist“, sie räusperte sich, „das war typisch für Rudi. Er hat immer in den wunden Punkt hineingedrückt.“
„Hat er die Wahrheit gesagt?“
Margot Teppan drehte für lange Sekunden die Spitze ihrer Zigarette im Aschenbecher herum, dann sagte sie kleinlaut: „Nein.“
Donnerstag, 17 Uhr
Die große, schwere Holztür am Eingang zum Gebäude der Kärntner Landesregierung schwang mit einem Summen automatisch auf, so dass Heinz einen Schritt zurücktreten musste, um ihr auszuweichen. Er ging hinein und wandte sich an den Portier, der neugierig hinter einer großen Glasscheibe herausschaute, wer um diese Zeit noch kam. Als Heinz den Namen von Landesrat Moritschs Büroleiterin nannte, hellte sich sein Gesicht auf und er meinte, Frau Mühlwirth habe ihm den Besuch angekündigt. Er beschrieb den Weg, dann trat Heinz durch eine Glastür in das weitläufige Stiegenhaus. Jeder Schritt hallte, als er über die breite Treppe in den ersten Stock hinaufging. Auf halbem Weg blieb er stehen, hielt sich am Geländer fest und atmete einige Male schwer durch. Während er darauf wartete, dass sich sein Herzschlag verlangsamte, starrte er auf die breiten, flachen und tiefen Stufen vor sich. Er hatte einmal gelesen, dass man im 19. Jahrhundert, aus dem auch dieser Bau stammte, die Treppen öffentlicher Gebäude deshalb so gestaltet hatte, damit berittene Boten zu Pferd in die oberen Stockwerke gelangen konnten.
Der Bürotrakt des verstorbenen Landesrats nahm einen vollen Gebäudeflügel in Anspruch. Von einem L-förmigen Gang aus führten rechts und links Türen in Zimmer, deren Nummer und Funktion auf Tafeln vermerkt waren, die man neben dem Türstock an die Wand geschraubt hatte. Bei Büroräumen standen auch Namen, Titel und Funktionen der hier arbeitenden Personen darauf.
Heinz orientierte sich an den fortlaufenden Zimmernummern. Er fand die Tafel, nach der er Ausschau gehalten hatte, hinter dem Knick des Gang-Ls, klopfte an die Tür und trat ein. In einem erstaunlich kleinen und mit Akten- und Papierstapeln vollgestopften Büro saß an einem seitlich zum Eingang positionierten Schreibtisch eine Frau in einem mausgrauen Kostüm mit langem Rock, das, ebenso wie die farblich dazu passenden niederen Pumps, Heinz stark an die Mode der frühen Neunzehnhundertachtzigerjahre erinnerte. Ihre grauen Haare hatte die Frau zu einem Dutt zusammengebunden und knapp ober der Spitze ihrer Nase klammerte sich eine Brille mit kleinen runden Gläsern fest. Über diese hinweg blickten Heinz zwei müde, aber neugierige Augen an.
„Jaaa?“
„Grüß Gott, mein Name ist Sablatnig.“
„Ah, Herr Sablatnig.“ Mit fast jugendlicher Leichtigkeit schwang die Frau auf ihrem Drehstuhl herum, sprang auf und kam ihm entgegen. „Angenehm, Mühlwirth, freut mich.“ Der Druck ihrer Hand war kräftig.
Heinz bemerkte, dass die Frau nicht so alt war, wie ihr Äußeres vermuten ließ, sie mochte Mitte oder Ende fünfzig sein, nicht mehr.
„Wie kommt es, dass Sie heute arbeiten? Ich meine, am Tag nach ...“ Heinz ließ den Satz in der Luft hängen.
Ein Seufzen, das aus den Tiefen ihrer Seele zu kommen schien, entrang sich ihrer Kehle. „Jemand muss das Rad am Laufen halten, bis die Nachfolge geklärt ist.“ Die Büroleiterin zwang sich zu einem Lächeln, das jedoch traurig ausfiel. „Das Leben geht weiter, wissen Sie?“
Und wie Heinz das wusste!
„Bitte kommen Sie hier herein.“ Waltraud Mühlwirth trat zu einer Seitentür und ging voran in ein Büro, welches das krasse Gegenteil von jenem zu sein schien, aus dem sie kamen. Der Raum war geräumig und hell, ein großer Schreibtisch mit einem wuchtigen Lederstuhl stand am Fenster, die andere Raumhälfte wurde von einem Besuchertisch samt Sesseln dominiert. „Nehmen Sie Platz“, sagte die Büroleiterin, während sie die Sitzgruppe umrundete und zu einem niederen Schrank ging, auf dem Kaltgetränke, eine Kaffeemaschine, ein Wasserkocher, Gläser und Kaffeegeschirr sowie Teebeutel und Zuckerpäckchen Platz fanden.
Heinz ließ sich nieder und sah sich um. Die Wände waren mit modernen, farbenfrohen Kunstwerken behängt, in den Ecken standen schmale Büroschränke. Waltraud Mühlwirth stellte ungefragt ein Wasserglas vor ihn hin sowie eine kleine Glasflasche mit stillem Wasser mit Apfel-Rosengeschmack, die sie sogleich öffnete. Es wirkte wie eine automatische Bewegung.
„Ist das hier ...?“
„Rudis Büro.“ Frau Mühlwirth nickte. „Das heißt, jetzt natürlich Ex-Büro.“ Sie griff hinter sich und zauberte eine Glasschüssel mit Gummibärchen auf den Tisch. „Die hat er so gerne gehabt.“ Ihre Stimme erstickte, aber nur kurz. Sie setzte sich Heinz gegenüber. „Sie müssen wissen, dass dies hier auch das Büro seiner Mutter gewesen ist, als sie Landesrätin war. Dazwischen waren freilich ein paar andere Landesräte hier, aber nach dem letzten Regierungswechsel habe ich mein Büro wieder gleich eingerichtet wie damals. Es kommt mir oft so vor, als wäre ich hier nie weggewesen.“
„Sie waren auch die Büroleiterin von Frau Doktor Moritsch?“
„Ganz genau.“ Heinz vernahm den Stolz in ihrer Stimme. „Ich bin ein Teil dieser Kontinuität, wenn Sie so wollen.“
Heinz verstand nicht. „Welche Kontinuität meinen Sie?“
„Na, dass die Mutter dem Sohn den Stab weiterreicht, dass wir wieder in denselben Räumlichkeiten unterkommen, dass Rudi Maßnahmen wiederaufgenommen hat, die seine Mutter seinerzeit in die Wege geleitet hatte und so weiter.“
„Ach so?“ Heinz dachte an die herrische Liese Moritsch und fragte sich, inwieweit die Fortführung ihrer Maßnahmen die Idee ihres Sohnes gewesen sein mochte. „Welche Maßnahmen zum Beispiel?“
Waltraud Mühlwirth ließ sich nicht lange bitten. „Zum Beispiel das Programm Landeseigentum gegen Arbeitsplätze. Damit ist es seinerzeit schon ihr gelungen, aberhunderten Menschen Arbeit zu geben, und Rudi war auf dem besten Weg, sie noch zu übertrumpfen.“
„Davon habe ich gelesen“, hakte Heinz ein, „gibt es da eigentlich kein Problem, dass die Verkäufe immer über dieselbe Firma abgewickelt werden? Ich denke, Landesaufträge müssen immer ausgeschrieben werden.“
Die Büroleiterin schenkte Heinz einen vielsagenden Blick über die Ränder ihrer Brillengläser hinweg. „Offiziell schon. Aber wenn man so viele Jahre so gut mit einem Partner wie der Immosorg zusammenarbeitet, dann wäre es doch dumm, ihn zu wechseln. Und nachdem wir die Kriterien vorgeben, nach denen wir unsere Projektpartner suchen