Toni der Hüttenwirt Paket 2 – Heimatroman. Friederike von BuchnerЧитать онлайн книгу.
würde nachts niemals in einer Höhle schlafen, es sei denn sie hätte ein Moskitonetz.«
»Hat Polly solche Angst vor Spinnen?« fragte Gunter erstaunt nach.
»Angst nicht! Sie findet sie eklig! Geht ihnen aus dem Weg«, erklärte Helen dem erstaunten Gunter.
Diesem wurde wieder einmal klar, wie wenig er von seiner Tochter wußte.
»Was machen wir jetzt? Wie gehen wir vor?« fragte Gunter.
Der Mann, der sonst auf alles eine Antwort hatte oder eine passende weiterführenden Frage hatte, war ratlos. Toni schlug vor, daß er und Gunter zusammen eine Nachtwanderung zum Sattel machen könnten. Die Rucksäcke seien schon gepackt. Es wäre alles drin, was man zum Biwakieren für vier Personen brauche.
»Das kommt nicht in Frage!« unterbrach Helen Toni hart. »Es sind auch meine Kinder! Gunter und ich gehen alleine! Du mußt nicht mit!«
Toni und Anna warfen sich Blicke zu.
»Ist das nicht zu gefährlich? Es wäre besser, ich würde mitgehen, denke ich!«
Helen schüttelte den Kopf. Ihre Blicke trafen den alten Alois, der dabei stand.
»Du kannst die beiden schon gehen lassen, Toni. Ich kenne sie gut. Des sind echte Bergler! Die könnten beide auch aus Waldkogel sein. Die kennen sich gut aus. Da mußt dir keine Sorgen machen.«
Anna schlug vor, daß Gunter und Helen noch etwas Warmes essen sollten, bevor sie aufbrachen. Das taten sie auch. Währenddessen telefonierte Toni mit der Bergwacht und der Polizeistation im Tal. Aber bei beiden Stellen waren noch keine Informationen eingegangen.
Nach dem Essen brachen sie auf. Jeder trug einen großen Rucksack, dazu zwei Isomatten und einen warmen Biwakschlafsack. Anna hatte genug Proviant eingepackt.
»Ist der Rucksack nicht zu schwer?« fragte Gunter.
»Nein! Danke der Nachfrage! Es geht. Er ist sogar leichter als früher, als wir mit den Kindern unterwegs waren. Damals waren noch Kindersachen drin.«
»O ja, ich erinnere mich! Patrick wollte Bücher mitnehmen und Polly viele Puppensachen.«
»Genau! Vor allem nachdem sie zum Geburtstag eine komplette Puppenausstattung für die Berge erhalten hatte.«
»Wie alt war sie damals?«
»Sechs! Erinnerst du dich noch, wie wir durch die Kaufhäuser und Spielwarenläden zogen, weil wir Puppendirndl und Puppenwanderhosen aus Leder und Bergsteigerstiefel für Puppen suchten?«
Gunter errötete.
»Ja, daran erinnere ich mich! Und an noch etwas!«
»Richtig!« sagte Helen leise.
Sie erinnerte sich auch daran. An diesem Tag hatte Helen Gunter quasi gezwungen, mit zum Einkaufen zu gehen. Sie hatten deshalb einen großen Streit. Aber sie gab nicht nach. So kauften sie zusammen die Geschenke ein. Doch darüber wollte jetzt keiner der beiden laut reden.
Toni begleitete sie bis vor die Berghütte. Er wünschte den beiden alles, alles Gute. Sollte etwas sein, bat er sie, sofort anzurufen. Dann schaute er ihnen nach. Bald war nur noch der Lichtkegel ihrer starken Stablampen am Berg zu sehen.
»Nun komm rein, Toni!« ermahnte ihn Alois. »Dir geht die Sach’ ganz schön nah, wie?«
»Des kannst laut sagen, Alois! Schließlich haben wir ja auch zwei Kinder, die Franzi und den Basti. Auch wenn die beiden nur angenommen sind, so sind sie uns doch wie eigene ans Herz gewachsen. Also, wenn ich mir vorstelle, die würden draußen herumirren.«
Der alte Alois lachte.
»Des hatten wir doch schon, damals nach dem schlimmen Unglück, als ganz Waldkogel die beiden gesucht hatte.«
»Ja, aber jetzt wäre des noch mal anders, weil sie eben zu uns gehören. Ich bewundere die Helen. Wie ruhig sie ist! In gewisser Weise ist das mir sogar unverständlich! Diese Ruhe!«
»Ja, ja! Die Helen war und ist schon ein besonderes Madl. Die weiß, was sie will. Sie macht immer einen Schritt nach dem anderen! Mache dir keine Gedanken, Toni! Die Helen wird spüren, daß die Zwillinge net in Gefahr sind.«
Bis sich die letzten Hüttengäste zurückzogen, hatten Toni und Anna noch viel zu tun. Doch ihre Gedanken schweiften immer wieder ab. Sie mußten an Gunter und Helen und an die Kinder denken. Sie hofften die vier würden aufeinander treffen.
»Die werden schon zusammenfinden«, schmunzelte der alte Alois. »Vielleicht noch mehr und noch besser, als wir des alle denken. Zusammenfinden in einem ganz besonderen weiteren Sinn.«
Der alte Alois saß den ganzen Abend am Kamin und lächelte, so als würde er sich auf etwas freuen.
*
Auf dem Bergpfad, der von der Berghütte am ›Erkerchen‹ vorbeiführte und dann auf den ›Pilgerpfad‹ mündete, liefen Gunter und Helen hintereinander. Der ›Pilgerpfad‹ war breiter. Jetzt konnten sie nebeneinander gehen. Wie von selbst fanden sich ihrer Hände. In der anderen Hand trugen sie ihre Stablampen. Sie sprachen kaum etwas und wenn, dann machte Gunter Helen nur auf Unebenheiten oder Steine auf dem Weg aufmerksam. Helen bedankte sich jedes Mal dafür. Sie legten einen zügigen Schritt vor. Sie hetzten nicht, sie wanderten im gleichmäßigen dauerhaften Tempo durch die Nacht. Unterwegs kamen sie an einigen Schutzhütten vorbei. In zweien brannte noch Licht. Lachen drang heraus. Sie hielten nicht an. Sie gingen weiter. Es war höchst unwahrscheinlich, daß die Zwillinge sich bei anderen Bergwanderern aufhielten. Niemand würde den Kindern glauben, daß sie alleine in die Berge durften. So gingen Gunter und Helen weiter.
Nach über zweieinhalb Stunden Nachtwanderung erreichten sie den Sattel. Hier oben auf dem großen Plateau zwischen den Bergen war es kühl. Sie blieben stehen und atmeten die klare Nachtluft.
»Das wäre geschafft! Jetzt müssen wir nur noch den Höhleneingang finden, Gunter!«
»Das werden wir schon! Ich erinnere mich noch ungefähr, wo es war. Außerdem hat mir Toni alles gut beschrieben.«
Gunter ließ seine Stablampe kreisen.
»Die Bäume dort drüben sind etwas gewachsen. Es ist ja auch schon eine Zeitlang her, daß wir mit den Kindern hier waren.«
»Dahinter muß irgendwo der Höhleneingang liegen!« sagte Helen.
Gunter ging voraus. Helen folgte ihm mit Abstand. Sie gingen um die fünf Kiefern herum. Dann mußten sie etwas den Hang hinauf. Im Lichtkegel der Stablampen erkannten sie den Höhleneingang. Das Geröll knirschte unter ihren Bergschuhen.
Gunter, der als erster oben war, warf seinen Rucksack ab. Er leuchtete die Höhle aus. Dann drehte er sich um und reichte Helen für die letzten Meter die Hand.
»Schau, niemand da«, sagte Gunter leise.
Er leuchtete die Höhle nochmals aus. Helen sah ihm die Enttäuschung an. Sie betrat die Höhle und untersuchte den Boden.
»Alles sauber! Kein Abfall! Kein Schokoladen- oder Kekspapier! Ich denke, wir haben den Weg umsonst gemacht.«
Helen packte die Isomatten aus und legte zwei aufeinander. Sie setzte sich darauf und wühlte im Rucksack nach der Thermoskanne.
»Erschöpft?« fragte Gunter.
»Ja und es ist kühl hier oben!«
Gunter bot sich an, ein Feuer zu machen. Während Helen in der Höhle blieb und heißen Kräutertee schlürfte, suchte Gunter draußen in der Dunkelheit nach Brennmaterial. Er kam einige Male zurück und trug jedesmal einen Armvoll Bruchholz.
Geschickt schichtete er es einige Meter vom Höhleneingang auf, aber so, daß der Rauch noch gut abziehen konnte. Mit Hilfe einiger Papiertaschentücher brachte er es zum Brennen. Erst waren die Flammen klein, doch bald loderten sie auf. Der Schein erhellte die Höhle. Gunter trug Steine zusammen und legte sie als Begrenzung um das Feuer. Das Feuer wärmte bald.
»Bleiben