Elfenzeit 5: Trugwandel. Uschi ZietschЧитать онлайн книгу.
in Aussicht darauf, dass es eine Zukunft gab.
»Gut. Ich verlasse mich auf dich. Keiner von euch verlässt das Schattenland. Ich mache mich nun selbst auf die Suche nach der Königin, und ihr werdet hier warten, bis ich zurückkehre.« Er hob leicht die Hand. »Du bist verantwortlich, Zofe. Ich hoffe, du bist dir im Klaren darüber, was das bedeutet.«
»Ich werde es gewiss nicht vergessen, Herr«, versicherte Melemida.
Der Getreue wandte sich an einen Elfenmann, der in der Nähe der Dryade stand. Er trug eine Art Rüstung und einen Waffengürtel, in dem Schwert und Messer steckten. »Du«, sagte er zu ihm, »verleih ihren Worten Nachdruck, wenn die anderen zögern.«
»Gewiss, Gebieter«, sagte der Mann und verneigte sich.
Der Getreue runzelte die Stirn. Hatte er diesen Elfen nicht schon einmal irgendwo gesehen? Die Aura eines Hirsches haftete an ihm, doch war er kein Cervide, zumindest war er nicht hirschköpfig. Er konnte sich des Namens nicht entsinnen. Unwichtig.
Was ist da schiefgegangen?, dachte der Getreue, während er sich wieder auf den Weg in die Menschenwelt machte. Wo mag meine Königin nur sein? Für einen Moment verspürte er wieder ein heftiges Ziehen in der Brust, gefolgt von tiefer Leere. Anscheinend litt er immer noch unter den Nachwirkungen von den Ereignissen am Ätna.
Langsamen Schrittes kehrte er in die Menschenwelt zurück, wo Cor und der Kau beunruhigt warteten. Zu melden hatten sie nichts, verlangten jedoch von ihm Aufklärung, und er gab sie ihnen.
»Wo sollen wir suchen?«, riefen sie daraufhin eifrig. »Schickt uns, wohin Ihr wollt, Gebieter, wir werden nicht rasten noch ruhen …«
Doch nur einer von beiden war dabei aufrichtig. Der Getreue spürte sofort den aufkeimenden Widerstand im Kau, der sich schon lange gegen seine Abhängigkeit wehrte. Er war ein nicht minder boshaftes Geschöpf wie der Spriggans, jedoch wankelmütig und wenig verlässlich. Nun machte der dürre kleine Elf sich umgehend wieder Hoffnung, sich endlich davonmachen zu können.
»Ihr werdet weiterhin hier Wache halten«, lehnte der Verhüllte ihr Angebot ab. »Niemand darf die Linie überschreiten, egal in welche Richtung. Ich habe zwar mit einer magischen Sperre vorgesorgt, doch in diesen Tagen weiß man nie. Und achtet vor allem darauf, dass keiner der Gegenseite hier herumschnüffelt. Tötet jeden, der zu neugierig ist.«
»Gewiss, Meister«, sagte Cor. Der Kau schwieg.
Der Getreue neigte sich zu ihm hinab, und die Säume seines lichtschluckenden Umhangs schlugen leicht nach dem Diener, als wollten sie ihn umfangen. Der kleine Elf wurde aschfahl, und er legte unwillkürlich die Hände an den Kopf, als erwarte er Schläge. Seine dünnen langen Ohrspitzen zitterten.
»Ich weiß, was du willst«, flüsterte der Finstere. Die Feuchtigkeit seines Atems gefror in der von ihm ausströmenden Kälte zu winzigen Eiszapfen, die auf den Kau niederprasselten. »Tu es, ich werde dich nicht hindern.« Er richtete sich wieder auf und nahm die Kälte zurück.
Der Kau blickte eingeschüchtert, zaghaft staunend zu ihm hoch, nur langsam stieg Begreifen in ihm auf.
»Ich werde dich nicht aufhalten«, bekräftigte der Getreue. »Geh, du bist frei. Niemand wird jemals nach dir suchen. Wähle dir eine Heimat in der Menschenwelt, und du hast alles, was du willst. Wenn es das ist.«
Die Unterlippe des Kau fing an zu beben. »Ist – ist das Euer Ernst?«
»Ich scherze niemals, wie du weißt.«
Der kleine Elf schaute zu seinem Gefährten. »Kommst du mit?«
Der Spriggans schüttelte den haarigen Kopf. »Nein, Mann.«
»Aber wenn …«
»Ich sagte dir schon, ich will nach Hause.«
Höhnisch ergänzte der Getreue: »Es gibt Regeln – und es gibt den Preis. Gerade du, Kau, solltest wissen, dass es keinen Verzicht darauf gibt. Du bist frei – und das bedeutet: Wenn du gehst, bleibst du allein, bis ans Ende deiner Tage. Du wärst nicht der Erste. Vielleicht findest du in der Menschenwelt andere, die dir weiterhelfen können auf diesem Wege. Aber ich wage es zu bezweifeln. Du bist keiner, den andere zum Freund haben wollen. Nicht einmal zu einem kurzzeitigen Verbündeten.«
Der Kau rieb sich den Arm. »Ich … ich war schon mal allein.«
»Rufe dir in Erinnerung, was aus dir wurde, als du dich selbst verloren hattest im Schattenland. Damals hattest du noch Hoffnung, dass du gefunden wirst. Doch jetzt … wärst du endgültig verlassen. Niemand wird dich jemals aufsuchen. Und die Menschen werden sich an dich gewöhnen und deine Bosheit ertragen, wie sie alles mit der Zeit hinnehmen. Der eine oder andere wird deine Bosheit sogar auszunutzen wissen. Aber sie werden dich nie zu ihrem treuen Handlanger machen oder dir vertrauen.«
»V-vertraut Ihr mir denn?«
»Ich vertraue jedem, dummer kleiner Elf.« Die Stimme des Getreuen klang beinahe sanft. »Ich kenne euch alle.«
»Ihr – Ihr seid bösartig, grausam, abscheulich, und ich hasse Euch!«, schrie der Kau, schlug mit den kleinen Fäusten gegen den schwarzen Umhang und heulte verzweifelt. »Ich hasse, hasse, hasse Euch!«
Der Getreue, der ihn unerschütterlich wie der Schicksalsberg überragte, lachte leise. »Besser, als einsam zu sein, nicht wahr?« Er beugte sich leicht, streckte die Hand aus und schnippte den Kau mit zwei Fingern weg, dass er sich überschlug und rücklings im schwarzen Lavasand landete. Dann wandte er sich Cor zu. »Sieh zu, dass er sich wieder beruhigt, damit er voll einsatzbereit ist. Wenn er einen Fehler macht, werde ich ihn nach meiner Rückkehr zerlegen und von dir falsch wieder zusammenbauen lassen.«
»Ich geh weg!«, kreischte der Kau, riss sich die rote Haube vom Kopf und raufte sich die langen dünnen Haare. »Jetzt gleich! Ganz bestimmt!«
»Sammle lieber Kräfte«, schlug der Getreue vor. »Bald darfst du deine Bosheit wieder ausleben, und dann wird es dir besser gehen.«
Schlagartig wandelte sich die Stimmung des kleinen Elfen. »Wirklich?«
»Versprochen.«
»Äh … ja, dann …«
Der Spriggans verdrehte die Augen. »Wir passen auf, verlasst Euch auf uns, Meister!«, rief er dem Getreuen nach, der bereits auf dem Weg war, und winkte, während er wie ein Ball auf- und absprang. »Es wird alles gut, das weiß ich!«
Als der Kau aufstand und ebenfalls winken wollte, sprang Cor hoch und versetzte ihm einen so heftigen Tritt gegen das Schienbein, dass er aufschrie und einbeinig herumhüpfte, während er sich jammernd das schmerzende Bein hielt.
»Schluss mit diesen Allüren!«, keifte der Spriggans. »Jetzt werden hier andere Saiten aufgezogen! Du tust ab sofort, was ich dir sage, und wenn du nicht spurst, verschlucke ich dich, kaue ein bisschen auf dir herum und spucke dich wieder aus, so oft und so lange, bis du es kapiert hast!«
»Ja, Meister«, nuschelte der Kau demütig.
Er hatte die beiden Helfer hinter der Biegung gelassen, ihre Stimmen verklangen. Diese Ablenkung hatte gut getan und dem Getreuen die Sinne geklärt. Nun machte er sich ohne weitere Verzögerung auf die Suche nach seiner Königin in der Menschenwelt. Durch Zwischenportale und einer Abkürzung durch die Geisterwelt schritt er nacheinander die übrigen vier Ley-Knoten ab.
Mit Paris fing er an. Erschrocken sprangen Menschen zur Seite, als er plötzlich bei der Pyramide des Louvre aus flimmernder Luft auftauchte, direkt über dem für ihn gelb und rot pulsierenden besetzten Knoten. Es war ihm gleich, dass man ihn ohne Verkleidung sah. Die Grenzen fielen ohnehin bald, und die Menschen würden früher oder später begreifen müssen, dass ihre Welt ganz und gar nicht so streng wissenschaftlich erklärbar war, wie sie glaubten.
Wie ein finsteres Standbild erhob er sich auf dem Platz, achtete nicht auf die Umgebung, während er die magischen Fühler ausstreckte, verstärkt durch den besetzten Knoten, an den Linien entlang. Seine Suche dauerte nicht lange und verlief ergebnislos. Aber so nahe, wie er seiner Königin stand,