Das gefallene Imperium 8: Auf Leben und Tod. Stefan BurbanЧитать онлайн книгу.
warten sechzig Schwarmschiffe darauf, in dieses Universum überzuwechseln. Sollte ihnen das gelingen, sind wir alle tot.«
3
Sofort nach der Besprechung projizierte sich das Abbild Ad’""banas zurück auf ihr Schiff. Sie verharrte für eine Sekunde. Die Interaktion mit organischen Lebewesen – speziell den Menschen – laugte sie immer irgendwie aus; er ermüdete sie regelrecht.
Sie stutzte. Etwas stimmte mit Bernadette nicht. Der Geist der menschlichen Frau war aufgewühlt, um nicht zu sagen, von tiefer Gram erfüllt. Bernadette befand sich in ihrem Quartier. Ad’""bana projizierte sich augenblicklich dorthin und war überrascht, Bernadette dort nicht allein vorzufinden. Eine Frau in der Legioniärsunfiorm des Freien Systems Dentano stand ihr gegenüber. Bernadette weinte und die Offizierin versuchte, sie zu trösten.
Ad’""bana war verärgert. Zum einen, weil sie die Legionärin an Bord ihres Schiffes nicht gespürt hatte. Sie hätte sie eigentlich sofort wahrnehmen müssen, aber Bernadettes Gefühle hatten alles andere überschattet. Zum anderen erdreistete sich die Frau, Bernadette trösten zu wollen. Dieses Privileg oblag allein ihr persönlich. Ein Gefühl kroch ihre Synapsen hoch, das sie zunächst nicht einzuordnen wusste. War das Eifersucht? Vermutlich. Es handelte sich um eine verstörende Gefühlsregung.
Ad’""bana trat näher. Bernadette erhob sich. Ihre Wangen glühten und die Augen waren blutunterlaufen. »Ad’""bana, das ist Colonel Amanda Carter von den 2. Dentano-Füsilieren.«
Die Frau in der Offiziersuniform der Füsiliere warf ihr einen wachsamen Blick zu, ließ sich aber dazu herab, Ad’""bana mit einem kurzen Kopfnicken zu grüßen. Sie traute ihr nicht, das war offensichtlich. Aber darauf gab das Schwarmschiff nichts. Ein Teil ihres Bewusstseins war eher von der eigenen Gefühlsaufwallung fasziniert. Menschliche Empfindungen waren ihr noch sehr fremd. Erst seit der Verbindung mit Bernadette hatte sie überhaupt Zugang dazu, und das auch eher unfreiwillig. Die Gefühle, die sie manchmal zu überwältigen drohten, waren eine Art Nebeneffekt, mit dem sie nun lernen musste umzugehen.
Eifersucht war faszinierend, aber auch enorm ablenkend. Sie schob die Emotion entschlossen beiseite.
Sie musterte die Offizierin der Füsiliere mit starrer, beinahe schon versteinerter Miene.
Diese verstand den unausgesprochenen, nichtsdestoweniger sehr deutlichen Wink und räusperte sich. »Commodore, ich darf mich dann verabschieden.«
Bernadette erhob sich. »Bitte, Sie müssen noch nicht gehen.«
Carter lächelte verhalten, doch ihr Blick zuckte in Ad’""banas Richtung. Das Schwarmschiff bemerkte, dass das Lächeln Carters starr und aufgesetzt wirkte.
»Ich fürchte, ich habe noch eine Menge zu tun. Wir brechen bald wieder zur Front auf.« Carter streckte die Hand aus und berührte Bernadette sanft an der Schulter. »Noch einmal … mein herzlichstes Beileid! Er war ein guter Junge. Wir werden ihn schmerzlich vermissen.«
Bernadette schluchzte, brachte dadurch kein Wort heraus. Die Trauer, die über die geistige Verbindung in Ad’""banas Verstand eindrang, drohte sie wegzuspülen. Es war beinahe mehr, als das Schwarmschiff zu ertragen bereit war.
Carter warf Bernadette einen letzten mitfühlenden Blick zu und stapfte an Ad’""bana vorbei, ohne diese auch nur noch eines Blickes zu würdigen.
Ad’""bana hatte sie bereits wieder vergessen, als Carter zur Tür hinaus war. Das Hologramm ging vor Bernadette in die Knie. Nur zu gern hätte Ad’""bana die Hand ausgestreckt und ihre Freundin berührt.
»Wer ist gestorben?«, fragte sie.
Bernadette sah auf. Ihre Wangen waren gerötet und die Augen blutunterlaufen. »Mein Sohn«, erwiderte sie unter zwei Schluchzern.
Ad’""bana legte den Kopf leicht zur Seite. »Dein Sohn? Ich wusste gar nicht, dass du einen Sohn hast.« Das Hologramm runzelte die Stirn. »Ich sollte doch eigentlich alles über dich wissen.«
Bernadette lächelte nachsichtig. »Ich habe dafür gesorgt, dass keine Informationen über ihn unsere geistige Verbindung passieren. Die Erinnerungen an ihn gehören mir allein.«
Ad’""bana wurde für einen Moment zornig. Wie konnte Bernadette es wagen, etwas vor ihr geheim zu halten? Das tat sie schließlich auch nicht.
Doch ein Blick in Bernadettes von Trauer und Schmerz malträtiertes Gesicht ließ Ad’""bana weich werden. Wortlos bat sie um eine weitere Erklärung.
Bernadette verstand – und seufzte. »Sein Vater und ich haben uns schon vor Jahren getrennt. Lange bevor Dentano von der Dornhill-Allianz angegriffen wurde. Für mich zählte in erster Linie mein Dienst. Da war wenig Platz für eine Familie. Ich fürchte, dadurch haben wir uns entfremdet. Es sind – ich glaube – gute fünf Jahre vergangen, seit ich zum letzten Mal mit meinem Sohn gesprochen habe.« Sie warf einen verzweifelten Blick zur Decke. »Fünf Jahre, mein Gott! Was habe ich mir nur dabei gedacht?« Sie schluchzte abermals. »Nun ist es zu spät.« Sie wischte sich einen Teil der Tränen ab und sah Ad’""bana in die Augen. »Er meldete sich freiwillig zum Militär. Als Dentano von den Hinrady überfallen wurde, hatte er gerade seine Grundausbildung beendet und war zu den 2. Füsilieren versetzt worden. Er fiel, als die Füsiliere eine Landezone gegen einen Hinradyangriff verteidigten.«
Bernadette vergrub ihr Gesicht in ihren Händen. »Es wäre noch so viel zu sagen. Aber dazu werde ich nie die Gelegenheit erhalten.«
»Das tut mir sehr leid«, brachte Ad’""bana heraus. Im selben Moment erkannte sie, wie leer die Phrase im Grunde klang. Wie hätte es ihr leidtun können? Sie wusste nichts von Dingen wie Trauer, Leid und Verlust. Sie hatte keine Ahnung, wie es sich anfühlte, einen geliebten Menschen nie wiederzusehen. Diese Emotionen befanden sich jenseits ihres Begriffsvermögens.
Bernadette sah auf. In ihren Augen schimmerte die Erkenntnis, dass Ad’""bana log. Sie spürte ganz genau, dass das Schwarmschiff nicht wusste – nicht wissen konnte –, was Trauer für einen Menschen wirklich bedeutete.
Natürlich hatte Ad’""bana in den letzten Schlachten auf ihre eigenen Artgenossen geschossen und sogar bei der Zerstörung einiger geholfen. Dennoch verstand ein Schwarmschiff unter Trauer nicht dasselbe wie ein Mensch oder auch ein Drizil. Sie waren für den Krieg gezüchtet worden und sie verstanden den Tod als notwendigen Teil ihrer Existenz.
Über die geistige Verbindung schimmerte so etwas wie Verständnis durch. Ein Entgegenkommen Bernadettes, das beinahe wieder Ad’""banas Zorn erregte. Nicht an derselben Gefühlspalette Anteil nehmen zu können, wie ihre Gefährtin, frustrierte sie.
Über Bernadettes Wange kullerte eine Träne. Ad’""bana streckte einen holografischen Finger aus, als wolle sie die Träne darauf balancieren lassen. Erwartungsgemäß rollte der Tropfen durch den nur projizierten Finger hindurch und rann schließlich von Bernadettes Kinn. Er benetzte ihre ansonsten makellose Uniform.
Erneut legte Ad’""bana den Kopf auf die Seite. »Ich wünschte, ich könnte das nachvollziehen.«
»Was meinst du?«
»Der Grund, aus dem Menschen weinen. Keine andere Spezies, der ich je begegnet bin, hat diese Fähigkeit. Und ich weiß nicht, welchem Zweck sie dient.«
»Es ist ein Ausdruck unserer großen Trauer, unseres Schmerzes … und manchmal unserer Freude.«
»Trauer und Freude?!«, sinnierte Ad’""bana vor sich hin. »Und beides drückt ihr mit Tränen aus? Emotionen, die eigentlich so weit auseinanderliegen?«
»Sie liegen vielleicht nicht so weit auseinander, wie du denkst.«
»Auch das verstehe ich nicht.«
»Nun, das … ist schwer zu erklären, jemandem …«, stotterte Bernadette.
»… der nicht weiß, was menschliche Trauer ist?«, vollendete Ad’""bana den Satz. »Ich kenne Trauer. Ich habe eine meiner Schwestern getötet. Dennoch käme ich nie auf den Gedanken, um sie zu weinen. Selbst wenn ich dazu in der Lage wäre.«
Bernadette