Flammen des Sommers. Madeleine PuljicЧитать онлайн книгу.
dagegen brachte sie dadurch vollends aus der Fassung. Der junge Drache zappelte unruhig von einem Bein auf das andere und folgte jeder ihrer Bewegungen mit dem Kopf. »Er hat gesagt, er ist gleich wieder da«, wiederholte er nervös.
»Aber das ist er nicht, wie man sieht!«, schnauzte Daena zurück. »Und er wäre nicht einfach verschwunden, ohne Bescheid zu geben«, beharrte sie.
Tatsächlich?, fragte die Stimme in ihr. Wie sie dieses Lästermaul mittlerweile verabscheute.
Allein verbrachte Nächte waren eine Sache. Am Morgen war er schließlich immer zurückgewesen. Sollte sie jetzt etwa auch abwarten? Unschlüssig blieb sie stehen.
Reagierte sie wie ein hysterisches Eheweib? Berekh war ein freier Mann … Relativ gesehen. Er konnte gehen, wohin er wollte. Schließlich vertraute sie ihm.
Solange er wieder heimkam.
***
Die beiden Magier verteilten ihre Reisepunkte insgesamt über fünf Königreiche. Abwechselnd beschworen sie ihre Portale, nur um sicherzugehen, dass niemand ihren Weg bis nach Liannon zurückverfolgen konnte. Auf diese Weise dauerte es beinahe eine halbe Stunde, bis sie endlich in den unterirdischen Tempelruinen eintrafen.
Die klamme Luft, die ihnen entgegenschlug, hatte seit Berekhs letztem Besuch an Qualität nicht gerade gewonnen.
»Was ist das für ein Geruch?«, presste Tosalar hervor, einen Ärmel seiner kostbaren Robe vor Nase und Mund gedrückt.
»Der Tod«, antwortete Berekh kalt, obwohl ihm der Gestank nicht weniger zusetzte als seinem Begleiter.
»Nicht die Verwesung«, erboste sich der Erzmagier. »Hältst du mich für weltfremd? Da ist noch etwas anderes.«
»Das meine ich doch.« Also war er nicht der Einzige, der Krajas Parfum roch. Er hatte es sich nicht bloß eingebildet. »Glaube mir, da besteht kein Unterschied.«
Sollte er sich jetzt erleichtert fühlen? In Anbetracht der Tatsache, dass es sich in diesem Fall nur um einen Hinterhalt handeln konnte, in den sie gerade bereitwillig hineinmarschierten, hegte Berekh da seine Zweifel. Wenn der Geruch keine Einbildung war, hatte die Schwarzmagierin ihn bewusst hinterlassen, andernfalls wäre er längst verschwunden.
Aber umzukehren kam nicht in Frage. Was auch immer sie dort unten erwartete, konnte Aufschluss geben über das, was über kurz oder lange über die Welt hereinbrechen würde. Und in dieser Welt lebten nicht nur Freunde, die Berekh inzwischen ans Herz gewachsen waren, sondern auch seine Frau. Also musste er weiter.
Er ließ eine Flamme in seiner Handfläche aufleuchten und sandte sie auf Augenhöhe voraus. Mit vorsichtigen Schritten tastete er sich über die gesprungenen Bodenplatten voran.
Wenn Yiryat in Liannon gewesen wäre, hätte er ihn einfach fragen können und sie hätten sich das ganze Spektakel erspart. Tatzelwürmer wussten Dinge. Berekh hätte sich überhaupt nicht mit dem Rat der Arkangilde abgeben müssen, schließlich hatte sich Yiryat in Liannon aufgehalten, seit Berekh als junger Adept zum ersten Mal in die fliegende Stadt gekommen war. Doch ausgerechnet jetzt war er fort.
Berekh schlug nach einer Spinnwebe, die den halben Gang überspannte und ihm klebrig und staubig über das Gesicht gestreift war.
»Wieso war eigentlich Yiryat nicht in der Stadt?«, fragte er über die Schulter zurück.
Es folgte eine kurze Stille, in der Berekh das Schulterzucken des anderen förmlich hören konnte.
»Wer weiß schon so genau, was in diesen Tieren vorgeht«, antwortete das Ratsmitglied schließlich ohne sonderliches Interesse. »Die Verwandtschaft besuchen oder etwas in der Art.«
Tiere? Berekh stutzte. Kein Magier sprach so von den mythischen Wesen, von einem Tatzelwurm erst recht nicht. Gerade ein Erzmagier sollte mehr Respekt an den Tag legen, wenn es um den Tatzel ging. Berekh wusste das aus Erfahrung.
Im Gehen wandte er sich zu Tosalar um und stellte ohne Verwunderung fest, dass dieser seine Hände sicher in den Ärmeln verstaut hatte und jedem Staubkorn großflächig auswich. Sollten sie hier auf ein ernstes Hindernis stoßen, würde der Älteste sich vermutlich in seiner eigenen Kleidung verheddern und sich auf diese Weise selbst flambieren, bevor eine Falle ihn töten konnte.
Aber wie hatte er sich so treffend ausgedrückt?, dachte Berekh. Das ist nicht mein Problem.
Arroganz kam nun einmal vor dem Malheur. Davon konnte er ein Lied singen.
***
Mit jeder Minute, die verging, wuchs die unheilvolle Vorahnung in Daena, und damit auch ihre Überzeugung, dass sie nicht bis zum Morgen warten durfte. Aber was sollte sie tun?
Sie musterte den jungen Drachen an ihrer Seite. Selbst wenn sie wüsste, wo Liannon zu finden war, seine noch nicht ausgewachsenen Flügel waren nicht in der Lage, sie dorthin zu tragen. Außerdem war die fliegende Stadt gegen Eindringlinge aus der Luft geschützt, und als solche würden sie gelten.
So ungern Daena es sich eingestand – sie war auf Hilfe angewiesen, die sie hier nicht finden würde. Also stürmte sie kurz entschlossen ins Haus. Sie machte sich nicht die Mühe, Licht zu entfachen, den Weg die Treppe hinauf fand sie auch im Dunkeln. In ihrem Schlafzimmer angekommen, holte sie die Truhe unter dem Bett hervor. Gestern noch hatte Daena geglaubt, sie für immer geschlossen zu haben.
Lrartsnjok reagierte ein wenig verstört, als sie in Hosen und Tunika wieder auf den Hof trat, ihrer früher alltäglichen Kriegerkleidung. Der Stoff roch ein wenig muffig, doch das Leder von Hose und Wams war noch so weich und geschmeidig, als hätte sie diese Kleider niemals abgelegt.
Noch misstrauischer wurde der Drache, als er die Waffen sah, die Daena umgeschlungen hatte. Ihr Schwert ruhte an ihrer Hüfte, ein Dolch steckte in ihrem Stiefel und am Rücken trug sie einen gut bestückten Köcher zusammen mit dem dazugehörigen Jagdbogen. Die ärmellose Tunika gab den Blick auf ihre Tätowierung frei. Wenn sie Hilfe anwerben musste, dann als Kämpferin, nicht als einfache Dorfbewohnerin.
»Was hast du vor?«, fragte Lrartsnjok, als sie an ihm vorbei zum Stall ging.
»Ich reite in die Stadt. Vielleicht finde ich dort einen Magier.«
Der Jungdrache sah wenig begeistert aus, folgte ihr jedoch in geringem Abstand. »Meine Familie hat mir eingeschärft, mich von Städten fernzuhalten«, verkündete er in gewichtigem Ton.
Daena warf ihm einen kurzen Blick zu und stemmte sich gegen das Holztor. »Da solltest du auf sie hören«, sagte sie. »Deshalb reite ich auch alleine.«
Sie brauchte nur an Juseks Reaktion auf das Erscheinen des Drachen zu denken. Man konnte sich leicht ausrechnen, welche Wirkung es hätte, mit Lrartsnjok in einer befestigten Stadt wie Wesan aufzutauchen. Aufmerksamkeit würde sie damit zwar erregen, aber wohl kaum von der Art, wie sie es im Augenblick benötigte.
Ihr brauner Wallach war seit dem Morgen nicht sauberer geworden, dafür hatte er sich offensichtlich mit Trudi angefreundet, die es sich auf dem breiten Pferderücken bequem gemacht hatte. Daena hatte nicht einmal gemerkt, dass das Huhn aus dem Haus verschwunden war – soviel zu ihrer gefunden geglaubten Tierliebe. Allerdings war das sicher kein Nachteil, denn Geflügel war bekanntlich nicht gerade das, was man gemeinhin als stubenrein bezeichnete.
Aber ihre Kämpferkleidung hatte schon Schlimmeres durchgestanden, also packte sie den Sattel und stemmte ihn auf das Pferd.
»Alleine?«, fragte Lrartsnjok vom Eingang her. »Ist das eine gute Idee?«
»Ich habe keine Ahnung«, schnauzte Daena zurück. »Ich bin kein Tatzel, dass ich alles wüsste, und ich habe auch gerade keinen parat, den ich fragen könnte!«
Die Ungewissheit, was sie eigentlich tun sollte, nagte an ihren Nerven. Und Nervosität machte sie immer angriffslustig. In diesem Fall auf den ungewollten Gast, der sie mit unnötigen Fragen aufhielt.
Sie zog den Sattelgurt so abrupt fest, dass der Braune unwillig aufstampfte.
»Aber …«, die Stimme des Drachen trug plötzlich einen