Audiovisuelles Übersetzen. Heike E. JüngstЧитать онлайн книгу.
of Translation Studies findet man unter lip-synchronized dubbingLippensynchronitätlip-sychronized dubbing, um diese Form der audiovisuellen Übersetzung vom Voice-overVoice-over abzusetzen; Pérez González zitiert die allgemein anerkannte Definition von Luyken:
In the field of audiovisual translation, dubbing denotes the re-recording of the original voice track in the target language using dubbing actors’ voices; the dubbed dialogue aims to recreate the dynamics of the original, particularly in terms of delivery pace and lip movements (Luyken et al. 1991) (Pérez González 2011 [2009]: 17)
Pérez González geht im weiteren Verlauf der Definition auf den Synchronisationsprozess und die Vor- und Nachteile des Verfahrens ein.
Im Handbuch Translation findet sich zwar ein Eintrag zum Thema Synchronisation, aber keine Definition des Verfahrens. Vielmehr handelt es sich um eine recht bittere Abrechnung mit der Situation der Übersetzer in der SynchronisationsindustrieSynchronisationsindustrie (Manhart 1999 [2006]: 264-266).
Es gibt einen kulturbedingten fließenden Übergang der Definition von Synchronisation, Voice-overVoice-over und FilmdolmetschenFilmdolmetschen. Dieses Phänomen wird im Unterkapitel zu Sonderfällen der Synchronisation angesprochen sowie bei der Definition des Voice-over-Verfahrens.
Im Unterkapitel zum Arbeitsablauf wird erläutert, wie die typische Arbeitsverteilung bei der Synchronisation aussieht. Diese ist für Übersetzer ziemlich enttäuschend und macht Manharts Einlassungen verständlich.
Forschungsfragen gibt es jedoch zu allen Aspekten der Filmsynchronisation. So haben auch Übungen zu Teilaspekten der Synchronisation, an denen man als Übersetzer nie beteiligt sein wird, ihren Sinn. Sie tragen dazu bei, dass man die Abläufe und Restriktionen bei diesem Verfahren erkennt und versteht und sich eine fundierte Meinung bilden kann.
Im Gegensatz zu allen anderen Verfahren der AV-Übersetzung, mit Ausnahme des Filmdolmetschens, gibt es zum Thema Synchronisation eine große Menge an Anekdoten und Einblicke in den Ablauf der Synchronaufnahmen. Viele DVDs bieten Bonus-Tracks an, in denen man die SynchronsprecherSprecherSynchronsprecherSynchronsprecher im Studio sehen kann. Leider gibt es bisher keine Bonus-Tracks, bei denen man die Übersetzer beim Spotten und Splitten bzw. bei der Übersetzung eines Synchronbuches schwitzen sieht.
3.2 Geschichte
Deutschland ist ein SynchronisationslandSynchronisationsland, d.h. Filme und TV-Serien werden, wie in den anderen deutschsprachigen Ländern, in der Regel synchronisiert. Noch in den 1990ern war es in Deutschland schwierig, an untertitelte Filme heranzukommen; fremdsprachige Videokassetten „bestellte“ man bei Freunden im Ausland. Nur Programmkinos oder Filmfestivals boten den Zuschauern OmUs, also den Film im „Original mit Untertiteln“. „Nur die hartgesottensten Enthusiasten genießen Filme in Sprachen, von denen sie kein Wort verstehen.“, wie Metz und Seeßlen zu Recht bemerken (Metz / Seeßlen 2009). Und Pruys merkt an: „Schlecht gemachte lippensynchrone Fassungen dürfen nicht als Argument für Untertitel gelten.“ Und:
Eine nachlässige Synchronisation, bei der nicht lippensynchron gesprochen wird, die Dialoge unverständlich bleiben, hölzern klingen oder die Untertitel unangemessen erscheinen, kann zwar von jedem Zuschauer direkt wahrgenommen werden. Ohne genaue Kenntnis der Ursprungsfassung bzw. der Ausgangssprache bleibt aber die Unsicherheit, ob die Originaldialoge nicht noch unverständlicher oder hölzerner sind. (Pruys 2009 [1997]: 20 und 11)
Das heißt nicht, dass Kritik am Synchronisationsverfahren eine völlig neue Erscheinung ist. Auch als die ersten synchronisierten Filme auf die Leinwand kamen, waren viele Zuschauer alles andere als begeistert:
Die Schauspieler mit fremden, ,eingeschmuggelten‘ StimmenStimme sprechen zu lassen, kollidierte mit den tradierten Seh- und Hörgewohnheiten. Die zeitgenössische Kritik beschrieb die Synchronisation als ‚Hexerei‘, ‚Homunculus‘, als ‚Amputation‘, bei der auf den ‚blutigen Stumpf‘ eine ,künstliche Stimm-Prothese‘ aufgeschraubt würde. (Bräutigam 2017)
Näheres dazu, warum ein Land zu einem Synchronisationsland wird, steht in Kapitel 1.4.
Auf dem Weg zum Synchronisationsland wurden ab der Entstehung des Tonfilms verschiedene Wege gegangen. Zunächst waren weder Synchronisation noch Untertitelung dem stummfilmgewohnten Publikum zu vermitteln:
Man hat auch eine Synchronisation versucht, die war aber technisch so unzulänglich und das wurde auch überhaupt nicht akzeptiert. Man muss sich ja vorstellen: Es war schon ein Schock, seinen StummfilmstarStummfilmstar plötzlich mit Stimme zu hören. Das lag, wie immer kolportiert wird, nicht zuletzt wegen Singinʼ in the RainSinging in the Rain, weniger daran, dass die Stummfilmstars keine vernünftigen Stimmen hatten. Die hatten zum Teil halt andere Stimmen als man erwartete. Die Stummfilmstars waren irgendwie von der Realität entrückt, und jetzt wurden sie plötzlich ganz konkret mit ihrer Stimme. Ich glaube, das war es, was die Leute gewaltig irritiert hat. (Drößler in Metz/Seeßlen 2009).
Neben Synchronisation und Untertitelung gibt es die Möglichkeit, einen Film gleich in mehreren Sprachfassungen zu drehen (die so genannte VersionVersion, Bräutigam 2009: 12, Wahl 2003, Berry 2018). Das Verfahren wird heute zwar nicht mehr eingesetzt, macht als Laienprojekt aber Spaß. Bei der Version wird nicht die gleiche Bildspur mit unterschiedlichen Tonspuren kombiniert, sondern es gibt für jede Sprachversion auch eine neue Bildspur. Das heißt, der Film wird mehrmals gedreht.
Mal kurz nachdenken … Ist es dann noch derselbe Film?
Selbst der beste Schauspieler kann eine Rolle nicht ganz exakt noch einmal spielen, so dass sich die Versionen unterscheiden, eben wirklich Versionen eines Ausgangsfilms sind. Zusätzlich gab es Versionen, bei denen andere Schauspieler eingesetzt wurden, nämlich Muttersprachler der betreffenden Versionssprache (ausführliche Analysen zu einer Reihe von Filmen in Berry 2018).
In Deutschland wurden Filme für den Export als Versionen gedreht, bis sich etwa 1932 die Synchronisation durchsetzte (Pahlke 2009: 28, Wahl 2003: 31). Versionen wurden aber auch für den deutschen Markt produziert (siehe unten). Für uns klingt das Verfahren heute wie ein höchst absurdes Unternehmen. 1930/31 wurden aber mehr als ein Drittel von 137 deutschen Tonfilmen in Versionen in mehreren Sprachen produziert (Kreimeier 1992: 231, zitiert nach Bräutigam 2009: 12; eine Statistik findet sich in Wahl 2003: 20-22, wo auch Filme in unterschiedlichen Versionen diskutiert werden). Versionen konnten in allen Sprachen durchgehend mit denselben Schauspielern besetzt werden; oft setzte man jedoch für die unterschiedlichen Sprachversionen beliebte Schauspieler aus dem jeweiligen Zielland ein:
Allerdings markierte dies gleichzeitig den größten Schwachpunkt der Filme, denn für 5 verschiedene Sprachversionen von einem Film mussten auch 5 komplette Schauspielerensembles bezahlt werden, ganz zu schweigen von dem benötigten Filmmaterial, den Mieten usw. Dieses extrem hohe Maß an Aufwand wird allgemein als der Hauptgrund für die Aufgabe der Versionenproduktion angesehen. (Wahl 2003: 19)
Der Hauptgrund für das Drehen von Versionen, nämlich durch eine Verteilung des Films in unterschiedlichen Sprachräumen finanziellen Gewinn zu machen, wurde also nicht erreicht. Als Variante der Version kann man das noch heute übliche Hollywood RemakeRemake definieren, bei dem in anderen Ländern erfolgreiche Filme mit beliebten US-Schauspielern neu gedreht werden.
Auch NamensänderungenNamensänderung bei den Rollen, KürzungenKürzung und inhaltliche Veränderungeninhaltliche Veränderung waren bei Versionen üblich. Die Filme konnten sich also deutlich unterscheiden, während bei untertitelten und synchronisierten Filmen die Bildspur zumindest theoretisch identisch mit dem Original ist (vgl. Wahl 2003: 16 und Berry 2018 passim).
Bekannt bei Fans sind die Laurel and HardyLaurel and Hardy (Dick und DoofDick und Doof)-Filme in deutscher Sprache, bei denen die beiden Stars auch in der deutschen Version auftreten und sprechen. Ein schönes Beispiel dafür ist die DVD Dick und Doof sprechen deutsch – Spuk um MitternachtDick und Doof sprechen deutsch – Spuk um Mitternacht. Beide konnten allerdings gar kein Deutsch. Gerade das macht die Filme heute so beliebt bei Fans; bei der Produktion sah man das anders:
Ein Problem konnte nun bei Filmen entstehen, deren Hauptdarsteller nicht