Dr. Norden Bestseller Box 12 – Arztroman. Patricia VandenbergЧитать онлайн книгу.
bin ich hier?« fragte sie erregt.
»In meiner Klinik«, erwiderte er ruhig. »Es ergaben sich einige Komplikationen bei der Geburt. Deshalb wurden Sie hergebracht.«
»Ich verstehe das nicht«, murmelte sie. »Was ist mit meinem Kind?«
»Sie können es gleich sehen«, erwiderte Dr. Leitner bedächtig. »Es ist eine hübsche, gesunde kleine Tochter.«
»Eine Tochter?« schrie sie auf. »Aber er hat doch gesagt, daß es ein Junge ist, ein prächtiger Junge. Ich habe es genau gehört.«
»Vielleicht haben Sie geträumt«, sagte Dr. Leitner. »Haben Sie sich einen Jungen gewünscht?«
»Götz hat sich einen Sohn gewünscht«, flüsterte sie. »Dann wird alles gut, hat er gesagt. Ich habe einen Sohn geboren. Ich habe nicht geträumt.«
Dr. Leitner setzte sich zu ihr und griff nach ihren Händen. »Frau Renz hat uns Ihr Baby gebracht«, sagte er sanft. »Es ist ein ganz besonders hübsches Mädchen. Sie werden sich freuen, wenn Sie es sehen.«
Sie entzog ihm ihre Hände. »Nein, nein«, rief sie abwehrend, »das kann nicht wahr sein. Dr. Urban hat gesagt, daß es ein Junge ist. Ich habe es deutlich gehört. Ein prächtiger Junge.«
»Sie dürfen sich jetzt nicht aufregen. Ich habe es schon manchmal erlebt, daß eine junge Mutter enttäuscht war, wenn sie statt eines Sohnes eine Tochter in den Arm gelegt bekam. Regen Sie sich jetzt nicht auf. Freuen Sie sich, daß Sie leben.«
Sandra schloß die Augen. »Ich könnte reich werden, wenn es ein Junge wird, hat sie gesagt«, murmelte sie. »Aber ich gebe mein Kind nicht her. Ich nicht. Ich bin mit Götz verheiratet. Sie war erschrocken, als ich es ihr sagte. Ich will mein Kind, meinen Sohn.«
Dann schwand ihr Bewußtsein, und Dr. Leitner war darüber sogar erleichtert. Er läutete nach der Schwester. »Eine Infusion«, sagte er.
Sie brachte die Flasche. »Dr. Norden wartet«, erklärte sie.
»Er soll hereinkommen«, sagte Dr. Leitner.
Und während er die Kanüle mit dem Schlauch verband, erklärte er Daniel Norden, was Sandra Trento eben gesagt hatte.
»Sie sagte, daß sie verheiratet sei«, erklärte er zum Schluß. »Mit einem Mann, der Götz heißt.«
»Götz von Hellbrink«, sagte Daniel staunend. »Sie hat gesagt, daß sie mit ihm verheiratet ist?«
»Genau das, und sie behauptet so bestimmt, daß sie einen Sohn zur Welt gebracht hat, daß ich es in Anbetracht der Umstände glaube. Da sind wir in eine merkwürdige Geschichte hineingeraten, Daniel.«
»Ich habe dich hineingezogen«, sagte Daniel beklommen.
Schorsch legte ihm die Hand auf die Schulter. »Wir werden in manches hineingetrieben, Daniel«, sagte er nachdenklich. »Das haben wir schon oft genug erfahren.«
Und dieser Überzeugung war Daniel dann auch, als Elisabeth Roth in seiner Praxis auf ihn wartete.
*
Wo Dr. Urban und Hilde sich aufhielten, wußte niemand, und daß sie das Baby bei sich hatten, ahnte nur Anna Renz. Allerdings mußte man jedoch sagen, daß auch sie nicht genau wußte, was geschehen war und ob sie zusammen waren. Anna glaubte, daß Hilde die Gelegenheit genutzt hatte, das Haus zu verlassen. Hilde war ihr schon während der letzten Tage ziemlich eigenartig erschienen. Daß sie das Baby mitgenommen hatte, glaubte Anna nicht, und Hilde wäre auf diesen Gedanken auch nicht gekommen.
Sie war bestürzt gewesen, als Dr. Urban das Baby in einen Korb legte und sie zur Eile trieb. Sie hatte Fragen gestellt, aber er hatte nur immer wieder »später« gesagt. Hilde hatte es sogar mit der Angst bekommen, als er sie dann in seinen Wagen drängte, denn er hatte auf sie einen sehr verwirrten Eindruck gemacht.
Aber als er dann den Wagen durch die Nacht steuerte, schwand ihre Angst. Er fuhr ganz konzentriert.
»Warum haben Sie das Baby mitgenommen?« fragte sie beklommen.
»Ich erkläre es Ihnen später«, erwiderte er.
»Wohin fahren Sie?« fragte Hilde weiter.
»An einen Ort, wo uns niemand finden wird.«
»Aber das Kind ist so winzig«, flüsterte sie.
»Ihm wird nichts geschehen. Säuglinge sind zäher, als man denkt«, erwiderte er. »Sandra wird uns dankbar sein, wenn sie ihr Kind wiederbekommt.«
»Sandra? Sie meinen, daß das Sandras Kind ist?« fragte Hilde atemlos.
»Ich meine es nicht, ich weiß es. Ich habe es in den Händen gehalten, und ich bin nicht blind. Es ist ein Junge, was Anna auch immer sagt.«
»Sandras Baby«, flüsterte Hilde.
»Sie kennen Sandra?« fragte Dr. Urban ruhig.
»Wir sind befreundet, aber ich hatte keine Ahnung, daß ich sie in diesem Heim wiedersehen würde.« Sie atmete jetzt schwer. »Wir haben zusammen gewohnt und in der Papierfabrik zusammen gearbeitet.«
»Weiß Anna, daß Sie befreundet sind?« fragte Dr. Urban.
»Nein. Wir haben uns nicht verraten.«
»Das ist gut«, sagte er erleichtert. »Sie wird sich jetzt den Kopf zerbrechen, wo das Baby ist und wo ich bin, aber von Ihnen wird sie annehmen, daß Sie ausgerissen sind.« Er lachte vor sich hin. »Sie meint, daß ich total verkalkt bin, aber sie täuscht sich. Ich kann immer noch klar denken. Ich habe Ihnen geholfen, Hilde, jetzt müssen Sie mir helfen. Wollen Sie das?«
»Ja.«
»Wir werden zu einem Bauernhof fahren. Sie werden sagen, daß es Ihr Kind ist. Alles andere können Sie mir überlassen. Sie tun das nicht für mich, sondern für Ihre Freundin Sandra, verstehen Sie. Sie würde sonst ihr Kind nie wiedersehen. Sie weiß vielleicht gar nicht, daß sie einen Sohn hat. Ich traue es Anna zu, daß sie die Nerven hat, ihr das Mädchen unterzuschieben.«
»Das Kind von Cornelia?« fragte Hilde bebend.
»Was wissen Sie davon?« fragte Dr. Urban.
»Ich weiß, daß sie gestern eine Tochter bekommen hat. Sie hat so geweint, und niemand ging zu ihr, und da bin ich in ihr Zimmer geschlichen. Sie hat mir alles gesagt.«
»Was hat sie gesagt?« fragte Dr. Urban.
»Daß ihr Kind weggegeben worden ist. Cornelia wollte es nicht, aber Frau Renz hat zu ihr gesagt, daß sie den Vertrag unterschrieben und schon sechs Monate im Heim gelebt hätte, ohne einen Pfennig zu bezahlen. Frau Renz hat zehntausend Mark von Cornelia verlangt, wenn sie das Kind behalten wollte, aber Cornelia hat kein Geld, und das wußte Frau Renz genau. Stimmt das wirklich, Dr. Urban?«
»Ja, es stimmt. Ich alter Narr habe Anna nur zu spät durchschaut. Sie ist ein raffiniertes Biest. Aber jetzt sind wir gleich da. Luise wird nicht viel fragen, wenn sie dabei bleiben, daß der Kleine Ihr Kind ist.«
»Ich bleibe dabei, Sie können sich darauf verlassen«, sagte Hilde.
»Warten Sie, bis ich mit Luise gesprochen habe«, sagte er eindringlich, als er den Wagen zum Stehen gebracht hatte.
Er ging auf das Haus zu, von dem nur die Umrisse in der Dunkelheit zu erkennen waren, aber bald wurde es hinter drei Fenstern hell.
Das Baby begann zu weinen, und Hilde beugte sich über den Korb. »Nicht weinen, Baby«, flüsterte sie. »Es wird ja alles gut.« Sie lauschte ihrer eigenen Stimme nach. Mit Verwunderung verspürte sie mütterliche Gefühle.
Ihre Hände umschlossen winzige Fingerchen.
Dann kam Dr. Urban zurück. »Es ist alles in Ordnung«, sagte er. »Luise wird sich um das Baby kümmern.«
Luise war eine stämmige, untersetzte Frau. Sie sah jetzt ein bißchen verschlafen aus, hatte aber doch frische rosige Wangen.
»Sie