Raumschiff Prokyon Band 1-18: Die ganze Serie. Harvey PattonЧитать онлайн книгу.
»Sie haben ja letzthin selbst gesehen, wie es jetzt auf Mokan aussieht. Die Regierung hat für absehbare Zeit vollauf damit zu tun, das durch die Spiegel herbeigeführte Chaos zu beheben. Die Erste Senatorin Sheila Murumba hat unser Hilfsangebot akzeptiert, sechs Schiffe voller Lebensmittel und anderer Güter befinden sich auf dem Planeten. Sie hatte nichts dagegen einzuwenden, dass wir uns nun weiter um Thorga kümmern, Mokan hat für absehbare Zeit alle Forschungsexpeditionen eingestellt.
Sie waren bereits auf Thorga, kennen sich dort einigermaßen aus, und beherrschen die Sprache der Letho-Dimonds. Die logische Konsequenz daraus ist, dass Ihre Crew bereits jene Voraussetzungen erfüllt, die andere Besatzungen erst wieder schaffen müssten. Sie werden allerdings nicht allein dorthin fliegen, denn Ihre Qualitäten liegen nicht auf dem Gebiet der Forschung. Um sie geht es aber hauptsächlich in diesem Fall. Unser spärliches Wissen um die magischen Spiegel soll erweitert werden, natürlich so, dass die Eingeborenen dabei nicht in Mitleidenschaft gezogen werden, die ihren Kult mit ihnen betreiben. Falls möglich, soll auch festgestellt werden, von wo die Spiegel nach Thorga kamen und wer die mysteriösen Dimonids waren oder noch sind.«
»Ein Geheimnis, dessen Aufklärung sich bestimmt lohnen dürfte«, stimmte Taff zu. »Schon der eine Spiegel, den ich besitze, hat uns auf dem Planeten des Plasmawesens wirklich unschätzbare Dienste geleistet. Wenn es gelingen sollte, die Schöpfer ausfindig zu machen und von ihnen zu erfahren, was sich mit den Spiegeln sonst noch alles anfangen lässt, könnte das Terra beachtliche Vorteile bringen.«
»Dieser Meinung ist auch TAC«, sagte die Admiralin. »Der Großrechner hat unsere Überlegungen vollauf bestätigt; auf seine Vorschläge geht auch die Zusammenstellung des kleinen Wissenschaftler-Teams zurück, das mit Ihnen fliegen wird. Ihre Hauptaufgabe wird es sein, sie bei den Letho-Dimonds einzuführen und für ihren Schutz zu sorgen, falls es Komplikationen geben sollte.«
»Womit, Chefin der fliegenden Festungen?«, erkundigte sich Taff. »Wir haben die uns zugesagte PROKYON X bis jetzt noch nicht einmal aus der Ferne gesehen!«
»Sie können sie bereits morgen übernehmen und den ersten Probeflug durchführen. Es gibt darin einige Verbesserungen, die Sie aber wohl kaum vor Probleme stellen werden. Wie ich Sie kenne, werden Sie kaum mehr als den einen Flug brauchen, um sich mit dem Schiff voll vertraut zu machen. Sobald das geschehen ist, können Sie zum NGC 188 aufbrechen. Ich möchte Sie aber schon jetzt mit den Wissenschaftlern bekanntmachen, die wir in Ihre Obhut geben, das erleichtert die späteren Dinge. Es sind nur drei, ich rufe sie jetzt herein.«
Sie trat zu einem Schaltpult und berührte einen Sensorkontakt. Die Tür zum Nebenraum glitt auf, und drei Personen traten ein, zwei Frauen und ein Mann.
»Ich stelle vor«, sagte Alexa van Grooten. »Dies ist Dr. Janine Latep, ihre Fachgebiete sind Exo-Linguistik und Kulturpsychologie. Die zweite Dame: Dr. Valentina Feodorowa, Exo-Archäologin und -Soziologin. Teamleiter ist Professor Carlo Lavazza, Mathematiker, Fremdtechnologe und Prähistorie-Explorator. Und dies hier ist die PROKYON-Crew, für die sich eine besondere Vorstellung erübrigt, wie ich annehme.«
Professor Lavazza nickte lebhaft.
»Sie war schon früher populär, und jetzt ist sie es in wahrhaft weltweitem Ausmaß. Mindestens zwei Drittel der Erdbevölkerung haben gestern Abend im Video die Ordensverleihung miterlebt, so auch wir. Ich erlaube mir, Ihnen auch im Namen meiner Kolleginnen die herzlichsten Glückwünsche dazu auszusprechen.«
Ein allgemeines Händeschütteln folgte, und Taff Caine musterte dabei unauffällig seine »Zöglinge«.
Carlo Lavazza war etwa Mitte der Sechzig, groß und hager. Sein Haar war noch voll und schwarz, die dunklen Augen unter der hohen Stirn funkelten in wacher Intelligenz. Sie lenkten von der extrem großen Nase ab, die wie ein Bergrücken aus dem rötlich-braunen Gesicht hervorstach.
Valentina Feodorowa bildete einen krassen Gegensatz zu ihm. Sie war nur mittelgroß, aber eckig und grobknochig, das mittelblonde Haar fiel strähnig um ein breites Gesicht mit vorstehenden Wangenknochen. Auch sie hatte ihre Jugend bereits hinter sich, Taff schätzte sie auf fünfzig Jahre.
Janine Latep war ein gänzlich anderer Typ. Schätzungsweise knapp über Vierzig, klein und dunkelhaarig, dabei mit einer unübersehbaren Neigung zur Fülle. Sie strahlte etwas Mütterliches aus, im Gegensatz zur Feodorowa, die eher männlich als feminin wirkte, was auf eine gewisse Vernachlässigung ihres Äußeren zurückzuführen war.
Taff verzichtete darauf, sich schon jetzt ein umfassendes Urteil über dieses Dreigespann zu bilden. Der erste Eindruck, auf den er viel gab, war jedenfalls nicht ungünstig. Sowohl der Professor als auch die beiden Frauen wirkten erfahren, umsichtig und zuverlässig. TAC schien also keine schlechte Wahl getroffen zu haben.
Einige unverbindliche Sätze wurden gewechselt, und damit war das erste »Beschnuppern« auch schon beendet. Alexa verabschiedete die Crew wieder, unter Hinweis auf dienstliche Obliegenheiten.
»Ich gebe Ihnen hier noch ein paar Schriftstücke mit, Taff«, sagte sie und reichte ihm eine schmale Mappe. »Studieren Sie sie im Lauf des Tages, heute haben Sie alle noch frei. Ich schlage aber vor, dass Sie gegen Abend die Werft anrufen, um für morgen einen Termin für die Übernahme Ihres neuen Schiffes zu vereinbaren. Melden Sie sich nach dem Probeflug wieder bei mir, wir legen dann die Einzelheiten für Ihre Reise nach Thorga fest.«
»Puh!«, machte Luca Ladora, als sie wieder draußen auf dem Korridor standen. »Gegen den Professor habe ich ja nichts einzuwenden, aber die beiden Frauen möchte ich nicht geschenkt.«
Dorit Grenelle feixte schadenfroh.
»Das gönne ich dir, du Multi-Casanova! Dein Einbahngehirn taxiert natürlich jedes weibliche Wesen zuerst in Bezug auf mögliche Abenteuer. Fällt dieses Urteil negativ aus, bist du sauer – warum eigentlich? Angeblich ist ja Erethreja deine große Liebe, das betonst du oft genug. Sobald dir dann jedoch eine attraktive Frau über den Weg läuft, wie zuletzt Norma Russell, balzt du sofort eifrig darauf los.«
Das Gesicht des Kybernetikers rötete sich, er setzte zu einer scharfen Erwiderung an. Taff unterband die sich anbahnende Kontroverse aber sofort energisch. Luca schluckte seine scharfen Worte hinunter, aber sein Gesicht blieb auch während des Mittagessens mürrisch, das die Crew im Speiseraum der Galaxy-Bar einnahm.
»Macht euch heute nochmal einen schönen Nachmittag«, empfahl Caine den anderen nach der Mahlzeit. »Seid aber am Abend beizeiten wieder in euren Behausungen, damit ich euch erreichen kann. Ich als euer treusorgender Commander werde zunächst die Papiere durchackern, die mir Alexa gegeben hat. Später verständige ich euch dann wegen der Übernahme der PROKYON X.«
3
»Kaffee gefällig, hoher Gebieter?«, erkundigte sich Mitani zwei Stunden später. Taff nickte zerstreut, ohne von seiner Lektüre aufzusehen. Er nahm die Tasse entgegen, trank einige Schlucke und las dann weiter.
Die Mappe, die er von der Admiralin erhalten hatte, enthielt die wichtigsten Daten über Lavazza und die beiden weiblichen Wissenschaftler. Sie waren relativ nüchtern, denn TAC hatte sie zusammengestellt. Trotzdem sagten sie alles Wesentliche über diese drei Personen aus.
Carlo Lavazza war so etwas wie ein Universalgenie. Seit Fluidum Pax nicht mehr hemmend auf die Eigeninitiative der Menschen einwirkte, hatte er sich besonders als Mathematiker hervorgetan. Doch auch seine Begabung, außerirdische Technologien trotz aller Fremdartigkeit zu verstehen, war außerordentlich groß. Außerdem beschäftigte er sich eifrig mit Forschungen auf dem Gebiet der Prähistorie-Exploration. Darunter verstand man die Durchforschung verschiedener Phänomene, die unter den Sammelbegriff »Fremde Besucher aus dem Weltraum« fielen. Gemeint waren damit das Auftauchen und Wirken überlegener Wesen irgendwann in der Vorzeit, das später seinen Niederschlag als das von »Göttern« in verschiedenen Religionen überall innerhalb der Raumkugel fand.
Seine Arbeit ging Lavazza über alles, er war förmlich verliebt in sie. Das schloss jedoch nicht aus, dass er auch den verschiedenen Freuden des Daseins durchaus nicht abgeneigt war. Er war Junggeselle geblieben, hatte jedoch eine Schwäche für schöne Frauen.