Der kleine Fürst Staffel 13 – Adelsroman. Viola MaybachЧитать онлайн книгу.
tun. Liebe ist etwas anderes.«
Sein Blick war verzweifelt, als er fragte: »Und was fange ich jetzt damit an?«
»Entweder versuchst du, ihr Herz doch noch zu gewinnen, indem du ihr beweist, dass die Gefühle, die du für sie hast, dich verändert haben oder du schlägst sie dir aus dem Kopf.«
»Aus dem Kopf, das ginge ja vielleicht noch. Aber wie kriege ich sie wieder aus meinem Herzen, Sofia?«
Diese Frage konnte sie ihm nicht beantworten. Sie hatte ihn schon immer gerngehabt, trotz seines unsteten Lebenswandels, und im Grunde war sie davon ausgegangen, dass er eines Tages, vielleicht ganz plötzlich, erwachsen werden würde. Jetzt war es also so weit.
Und wie so oft war es ein schmerzhafter Prozess, auch wenn man ihn erst mit fünfunddreißig Jahren durchmachte.
*
»Was ist denn, Herr Hagedorn?«, fragte Marie-Luise Falkner, die hochtalentierte junge Köchin im Schloss, als der alte Butler mit ernstem Gesicht die Küche betrat. »Gab es Beschwerden?«
Ihre größte Sorge war es, dass jemandem ihr Essen nicht schmeckte, obwohl das noch nie vorgekommen war. Er hatte schon oft vergeblich versucht, ihr diese Sorge zu nehmen.
»Aber nein, Marie«, versicherte er jetzt. »Ich fürchte nur, dieses Mal wird Herr von Bernau nicht wie sonst für gute Laune sorgen.«
»Und warum nicht? Geht es ihm nicht gut?«
»Er macht einen niedergeschlagenen Eindruck«, erklärte Eberhard Hagedorn zurückhaltend. Dass er genau wusste, warum das so war, erwähnte er nicht. Zwar verband ihn ein freundschaftliches Verhältnis mit Marie-Luise, trotz des großen Altersunterschieds zwischen ihnen, aber das verleitete ihn nicht dazu, sein umfangreiches Wissen über die Vorgänge im Schloss mit ihr zu teilen. Das tat er nur in Ausnahmefällen, wenn es einen Grund dafür gab. Klatsch war ihm grundsätzlich ein Gräuel.
Er hatte genug von dem Gespräch zwischen Baronin Sofia und Felix von Bernau mitbekommen, um sich über den Grund für die Melancholie des Gastes im Klaren zu sein, und er fand, dass die Baronin sehr klug reagiert hatte. Besser hätte niemand darauf eingehen können, davon war er überzeugt.
»Vielleicht hat er Liebeskummer«, kicherte Marie-Luise.
Er sah sie scharf an. Hatte sie etwas mitbekommen? Aber dann erkannte er, dass sie nur einen Scherz hatte machen wollen, denn Liebeskummer und Felix von Bernau, das passte überhaupt nicht zusammen – höchstens dergestalt, dass er seinen so häufig wechselnden Freundinnen Kummer bereitete, aber sicherlich nicht so, dass er selbst darunter litt.
»Sie scherzen, Marie«, sagte er mit einem Lächeln.
»Natürlich tue ich das. Herr von Bernau hat doch noch nie etwas anbrennen lassen, wenn ich das mal so ausdrücken darf.« Die junge Köchin wurde wieder ernst. »Ich kann Männer, die sich so verhalten wie er, eigentlich nicht leiden, aber Herrn von Bernau mag ich. Er ist immer so charmant, man kann ihm einfach nicht böse sein, selbst wenn er gerade wieder eine Frau unglücklich gemacht hat.« Sie schob Eberhard Hagedorn einen doppelten Espresso zu.
Er dankte ihr mit einem Lächeln. »Das stimmt schon«, sagte er.
Sie setzte sich einen Moment zu ihm. »Und was denken Sie, was er hat, Herr Hagedorn? Vielleicht gibt es Ärger in seinem Sender.«
»Ja, durchaus möglich, Marie.«
»Ach, er wird sich hier schon aufheitern lassen. Wer niedergeschlagen auf Sternberg ankommt, ist spätestens nach zwei Tagen wieder guter Dinge, das wird bei Herrn von Bernau nicht anders sein.«
Er stimmte ihr zu, obwohl er es besser wusste. Nachdem er seinen Espresso getrunken hatte, verließ er die Küche wieder, Marie-Luise kehrte zu ihren Kochtöpfen zurück. Das Abendessen rückte näher, und bis dahin gab es noch jede Menge zu tun.
*
»Tante Corinna!«, schrie Paul. Er strahlte über das ganze Gesicht, als er Corinna unvermutet vor der Tür stehen sah.
Maren kam aus der Küche. »Das ist ja eine schöne Überraschung«, sagte sie.
Corinna hatte sich mehrere Tage nicht blicken lassen und jedes Mal eine andere Entschuldigung für ihr Fernbleiben vorgebracht. Angeblich hatte sie wahnsinnig viel zu tun. Eigentlich hatte sie auch an diesem Freitagabend nicht kommen wollen.
»Ich bin doch schneller fertig geworden im Sender«, erklärte sie jetzt. Sie umarmte erst Maren, dann Paul und zum Schluss Lili, die auch angelaufen kam. Sie war bereits im Schlafanzug.
An diesem Abend las sie den Kindern ausführlich vor, mit unterschiedlichen Stimmen, und sie spielte auch dazu. Die Kinder lauschten mit andächtigen Gesichtern, bis sie aufstand und verkündete: »Schluss der Vorstellung, bis zum nächsten Mal.«
Als sie ihnen noch einen Gutenachtkuss gab, schlang Lili die Arme um ihren Hals und flüsterte: »Du sollst wieder öfter kommen, Tante Corinna, sonst weint Mami noch mehr.«
»Versprochen, Lili«, flüsterte Corinna zurück, obwohl diese Bemerkung ihr Herz noch schwerer machte, als es schon war.
»Es ist schön, dass du gekommen bist«, sagte Maren. »Ich habe erst in den letzten Tagen gemerkt, wie sehr ich mich daran gewöhnt habe, dich so oft zu sehen. Das war egoistisch von mir, entschuldige bitte.«
Corinna sah sie verunsichert an. »Egoistisch?«, fragte sie. »In deiner Situation kann man sicher nicht von Egoismus sprechen, wenn du Menschen brauchst, die dich stützen.«
»Die brauchst du doch auch. Olli war dein großer Bruder, du vermisst ihn genau wie ich. Trotzdem warst du meine Stütze und nicht ich deine. Ich meine es ernst mit meiner Bitte um Entschuldigung. Ich habe ja in diesen letzten Monaten nichts mehr gesehen außer meiner eigenen Trauer. Dabei bin ich nicht die Einzige, die einen geliebten Menschen verloren hat.«
Ihre Worte waren zu viel für Corinna. Sie schlug beide Hände vors Gesicht und fing an zu weinen.
Erschrocken zog Maren sie mit sich ins Wohnzimmer, drückte sie auf das Sofa und nahm neben ihr Platz. Sie legte ihr einen Arm um die Schultern und wartete, bis sie sich allmählich wieder beruhigte. Dann erst sagte sie: »Ich merke schon seit einiger Zeit, dass es etwas gibt, das dich bedrückt, Corinna, aber ich wollte dich nicht bedrängen mit meinen Fragen. Ich hatte gehofft, du würdest mir von dir aus sagen, was dir zu schaffen macht.«
Corinna fing wieder an zu weinen, sodass Maren sich ernstlich beunruhigte. Was konnte denn so schlimm sein, dass man nicht darüber reden konnte? Sie standen einander doch nahe wie Freundinnen, jedenfalls war das im letzten Jahr ihr Gefühl gewesen. Aber vielleicht hatte sie sich getäuscht?
»Ich bin so ein treuloser Mensch, Maren«, schluchzte Corinna. »Du denkst, ich trauere wie du um Olli und denke immerzu an ihn, aber das stimmt überhaupt nicht. In Wirklichkeit …, in Wirklichkeit …« Sie konnte vor Schluchzen nicht reden, jedenfalls brachte sie keine verständlichen Worte heraus.
Maren wiegte sie hin und her, wie sie es mit Lili oder Paul machte, wenn sie weinten und getröstet werden mussten. »Sag mir, was dich bedrückt, bitte«, flüsterte sie. »Wir sind doch Freundinnen, wir können über alles miteinander reden.«
»Aber darüber nicht!«, weinte Corinna. »Du trauerst, und ich …, ich verliebe mich! Wenn Olli wüsste, dass ich ihn so schnell vergesse, wäre er schrecklich enttäuscht von mir, das weiß ich. Und du bist jetzt auch enttäuscht, und … ich weiß ja, dass das nicht richtig ist, und ich werde mich auch nicht darauf einlassen, aber es ist so schwer, Maren, weil ich …« Der Rest des Satzes ging wieder in Schluchzen unter.
Maren war nicht sicher, ob sie Corinnas Gestammel richtig verstanden hatte. Sie spürte nur, wie tief unglücklich ihre Schwägerin war und dass das, was da jetzt mit aller Macht aus ihr herausbrach, schon länger in ihr arbeitete. Es war wohl höchste Zeit gewesen, dass es ans Licht kam.
Erneut wartete sie, bis Corinna ruhiger geworden war, dann bat sie: »Bitte, erzähl mir doch das, was dir auf der Seele liegt, von Anfang an, ja? Du hast dich also verliebt?«