Der kleine Fürst Staffel 13 – Adelsroman. Viola MaybachЧитать онлайн книгу.
hatte sich alles so einfach angehört. So, als müsste sie sich nur ins Auto setzen, nach Sternberg fahren, die Augen offenhalten und dann das Richtige tun, und schon wären ihre Probleme gelöst. Nur wusste sie nicht, was das Richtige war. Wahrscheinlich kamen ihr die Tränen, wenn sie Florian sah.
Sie fuhr weiter, das prächtige Gebäude auf seiner Anhöhe verschwand wieder aus ihrem Blickfeld. Wenig später sah sie einen schlichten Wegweiser zum Schloss, dem sie folgte. Sie gelangte auf eine schmale Straße, die sich in engen Kurven nach oben schlängelte, durch dichten, schönen Mischwald. Als er sich lichtete, gelangte sie auf einen langen Zufahrtsweg, der direkt vor dem Hauptportal des Schlosses endete. Aus der Nähe wirkte es nicht weniger beeindruckend.
Hier also arbeitete Florian seit einigen Wochen. Hierher hatte er sich zurückgezogen und dadurch im Grunde genommen ihre Freundschaft beendet. Zwar hatte er das so nie gesagt, aber so war es. Er rief nicht mehr an, er ließ sich nicht mehr blicken. Er war ganz einfach aus ihrem Leben verschwunden, und darauf hatte er sie nicht einmal vorbereitet.
Sie hatte versucht, böse auf ihn zu sein, aber lange durchgehalten hatte sie nicht. Vor allem empfand sie Schmerz und Trauer über den Verlust seiner Freundschaft, wenn sie an ihn dachte. Er fehlte ihr. Als Freund, als Ratgeber, als Mensch. Und, ja, das auch, als Mann. Auch wenn ihr das erst mit einiger Verspätung aufgegangen war.
Sie hielt vor dem Hauptportal und wunderte sich nicht wenig, als es in dem Augenblick geöffnet wurde, da sie den Motor ausstellte. Ein älterer Herr erschien, der mit freundlich-zurückhaltendem Lächeln langsam die Stufen vor dem Portal herunterkam, direkt auf sie zu. »Willkommen auf Sternberg, Frau von Szanten«, sagte er. »Ich bin Eberhard Hagedorn. Um Ihr Gepäck und den Wagen wird sich gleich jemand kümmern. Die Frau Baronin erwartet Sie. Wenn Sie mir bitte folgen würden? Oder möchten Sie zuerst Ihre Suite sehen?«
»Ja …, ja, bitte«, sagte Gabriela. »Ich bin ein bisschen verschwitzt und würde mich gern zuerst frisch machen.«
»Selbstverständlich.«
Er ging vor ihr eine breite Treppe hinauf, die sich aus der Eingangshalle nach oben schwang. Im Vorbeigehen nahm sie die Ahnengalerie an den Wänden rechts und links wahr, stellte fest, dass der Marmorboden der Halle in einem wunderschönen Mosaik verlegt war und fühlte sich so beklommen wie schon lange nicht mehr.
In diesen Sekunden, da sie dem alten Butler nach oben folgte, war sie ganz sicher, dass es ein schwerer Fehler gewesen war, nach Sternberg zu reisen. Sie würde sich lächerlich machen, wenn sie versuchte, Florian die Wahrheit zu sagen. Es war doch durch diese Veröffentlichung alles so klar geworden, wie es nur sein konnte. Wahrscheinlich war Annabelle von Ehrenstein der eigentliche Grund für seinen Umzug hierher. Sie selbst hatte ihm ja nie Fragen gestellt. Hätte sie es getan, dann hätte er ihr vielleicht sogar erzählt, wie verliebt er in die schöne Blonde war …
Eberhard Hagedorns Stimme riss sie aus ihren Gedanken. »Bitte sehr, Frau von Szanten. Wenn Sie so weit sind, klingeln Sie bitte, ich werde Sie dann zur Frau Baronin bringen.«
»Ist …, ist sonst niemand da?«, fragte Gabriela mit stockender Stimme.
»Alle anderen sind noch unterwegs«, antwortete der Butler liebenswürdig, »aber Sie werden ja alle beim Abendessen kennen lernen. Ich wünsche Ihnen einen schönen Aufenthalt.«
Er schloss die Tür, und sie sah sich erst einmal um. Die Einrichtung der Suite war von unaufdringlicher Eleganz. Der große Wohnraum hatte drei hohe Fenster, von denen aus man den gesamten Schlosspark überblickte. Es war ein überwältigender Anblick. Auch das Schlafzimmer war geräumig, das Badezimmer verfügte über eine riesige Badewanne auf goldenen Füßen. Sie wusch sich das Gesicht, zog die Lippen nach, tuschte noch einmal die Wimpern, bürstete ihre Haare, bis sie glänzten und meldete sich dann, wie vereinbart, bei Herrn Hagedorn.
»Ich bin so weit«, sagte sie.
Auf in den Kampf, dachte sie, als sie ihm die Treppe hinunter zur Bibliothek folgte.
*
»Sie ist da«, sagte Anna atemlos. »Seid ihr bereit?«
»Ich weiß gar nicht mehr, ob das so eine gute Idee ist«, sagte Florian mit matter Stimme. »Als Schauspieler bin ich eine glatte Niete, da könnt ihr meinen alten Lehrer fragen, der immer die Theater-AG geleitet hat. Außerdem bin ich mittlerweile fest davon überzeugt, dass ihr euch irrt, was Gabys …«
Konrad unterbrach ihn. »Du schaffst das schon«, sagte er. »Ich bin ein ziemlich guter Schauspieler, ich kriege immer die Hauptrollen bei uns an der Schule. Denk nicht so viel nach, mach dir nur klar, dass du in Annabelle verliebt bist. Bilde dir ein, du hast Gabriela vor dir, wenn du mit Annabelle sprichst. Der Rest kommt dann von ganz allein.
»Aber keine Zärtlichkeiten, Annabelle«, sagte Florian mit einem Anflug von Panik. »Ehrlich, das geht nicht. Von mir aus flirten wir miteinander, aber mehr schaffe ich nicht.«
Annabelle lächelte. »Jetzt mach dich mal locker«, sagte sie. »Konny hat Recht, denk nicht so viel nach, Flo. Oder denk an dein Ziel. Du willst herausfinden, ob Gabriela in dir wirklich nur einen Freund sieht oder ob da mehr ist. Und dieses Ziel ist es doch wohl wert, dass du dir ein bisschen Mühe gibst, oder?«
»Du hast leicht reden. Es ist mehr als ein bisschen Mühe. Ich habe jetzt schon Schweißausbrüche vor Angst. Was ist überhaupt mit euren Eltern, Anna und Konrad?«
»Sie wissen Bescheid«, antwortete Anna.
»Und sie sind einverstanden«, setzte der kleine Fürst hinzu. »Das haben wir dir doch alles schon erzählt, Florian.«
»Ich kann nicht mehr richtig denken, deshalb hatte ich das vergessen.« Florian war blass. »Ehrlich, ich glaube, ich kann das nicht.«
»Dann überlass alles mir«, schlug Annabelle vor. »Und jetzt komm.«
»Nein, halt!« Florian sah von einem zum andern. »Geht ihr zuerst. Es ist doch blöd, wenn wir alle zusammen da auftauchen.«
»Das stimmt«, sagte Christian, »aber dann machen wir es andersherum, und ihr geht zuerst.«
»Dann kriegen wir doch nicht mit, wie sie reagiert!«, protestierte Anna. »Also, das ist wirklich eine blöde Idee, Chris.«
Annabelle hatte genug von den Debatten. Sie ergriff beherzt Florians Hand und zog ihn mit sich. Den anderen blieb nichts übrig, als ihr zu folgen.
*
»Weißt du, was ich gerade herausgefunden habe?«, fragte Renés Kollege Bernd Steising.
»Was?«, fragte René, ohne von der Akte aufzublicken, die er in diesem Augenblick studierte.
»Dass wir neulich eine prominente Zeugin hatten« erklärte Bernd. Er war ein netter Kerl, René arbeitete gern mit ihm zusammen. Zwar redete Bernd manchmal zu viel, aber er hatte das Herz auf dem rechten Fleck, man konnte ihm vertrauen.
»Du hast sie doch sogar gesehen, glaube ich. Annabelle von Ehrenstein«, fuhr Bernd fort. »Wenn mich nicht alles täuscht, warst du derjenige, dem sie die Tour vermasselt hat, weil sie dich für einen Kriminellen gehalten hat, der sich an Jungen heranmacht.«
Längst hatte René den Blick von der Akte gehoben. »Prominent?«, fragte er, wobei er sorgfältig darauf achtete, seine Stimme beiläufig klingen zu lassen. »Ich kannte sie jedenfalls nicht, so viel steht fest und wenn sie prominent wäre, hätte ich sie doch erkennen müssen, oder?« Bis jetzt hatte er kein einziges unwahres Wort gesagt, worauf er stolz war. Er log nicht gern.
Eine Illustrierte flog auf seinen Schreibtisch. »Unten rechts, René. Sie steht sogar auf der Titelseite, auch wenn das Foto nur klein ist. Schade, dass ich sie nicht gesehen habe, sie sieht ziemlich gut aus.«
René warf einen langen Blick auf das Foto, das er ja längst kannte und nickte schließlich. »Stimmt, sie sieht gut aus«, gab er zu. »Aber nur weil sie da abgebildet ist, ist sie ja noch nicht prominent. Oder hattest du ihren Namen vorher schon einmal gehört?«
»Das nicht, aber das ändert sich jetzt sicher