Der kleine Fürst Staffel 13 – Adelsroman. Viola MaybachЧитать онлайн книгу.
das schon sehr lange zurücklag.
»Wenn ich wüsste, wie ich dir helfen könnte, würde ich es tun«, sagte Annina leise.
»Du kannst mir nicht helfen, Annina. Niemand kann das, das ist ja das Schlimme.«
*
Florian war direkt von der Terrasse zur Übungsbahn gelaufen. Dort angekommen, hatte er gesagt: »Ich muss ein bisschen allein sein, Annabelle.«
»Ja, natürlich.« Annabelle hatte ihn angesehen und mit fester Stimme gesagt: »Sie liebt dich. Gleichgültig, was du denkst: Sie liebt dich, Flo.«
Diese Worte gingen ihm immer noch im Kopf herum, während er zusah, wie einer der Pferdepfleger eine einjährige Stute bewegte. Normalerweise hätte er etwas dazu gesagt, jetzt aber war er mit seinen Gedanken weit weg.
Annabelle glaubte also, dass Gabriela ihn liebte. Er selbst war da nicht so sicher, aber er musste auch zugeben, dass er nicht bei klarem Verstand gewesen war in diesen Minuten auf der Terrasse. Sie dort sitzen zu sehen, ein bisschen blass und still, aber fast noch schöner als zuvor, war zu viel für ihn gewesen. Er hatte all seine Beherrschung aufwenden müssen, um ihr nicht geradeheraus zu sagen, dass er vor allem ihretwegen nach Sternberg geflohen war. Dann hätte sie wenigstens endlich gewusst, wie es in ihm aussah, und er hätte ihr nicht länger den guten Freund vorspielen müssen. Oder den Mann, der sich in eine andere Frau verliebt hatte.
Aber ein guter Freund war er ja gar nicht mehr für sie. Sie hatten im Grunde genommen keinen Kontakt mehr zueinander. War sie verletzt deshalb? War sie deshalb nach Sternberg gekommen, um ihm das zu sagen? Er wusste es nicht.
»Herr von Damm?«
Er drehte sich um, einer der Pferdepfleger kam auf ihn zu. »Herr Wenger würde Sie gern kurz sprechen, wenn das möglich ist. Es geht um das Rennen in der nächsten Woche in England.«
»Ich komme«, sagte Florian, warf noch einen letzten Blick auf den Reiter, dessen Pferd gerade in guter Haltung über ein Hindernis flog, und folgte dem Pferdepfleger.
Ablenkung durch Arbeit erschien ihm in diesem Augenblick wie Rettung aus höchster Not, denn noch stand ihm ja das Abendessen bevor, gemeinsam mit Annabelle und Gabriela.
Es war die reine Horrorvorstellung.
*
»Du hörst dich ziemlich vergnügt an«, stellte René fest, als er vor dem Abendessen auf Sternberg mit Annabelle telefonierte. »Hast du mit meinem Rivalen so viel Spaß?«
Sie lachte. »Ja, aber der arme Kerl leidet wie ein Hund. Wir spielen nämlich gerade ein verliebtes Paar, weil die Frau, der sein Herz gehört, hier ist.«
»Ihr spielt das verliebte Paar?«, fragte René, hellhörig geworden.
Sie setzte ihn in aller Kürze ins Bild. »Es ist völlig eindeutig, dass sie ihn auch liebt, aber er kann es einfach immer noch nicht glauben. Jetzt müssen wir nur noch dafür sorgen, dass die beiden allein miteinander ins Gespräch kommen, dann ist er hoffentlich endlich wieder glücklich. Ich gönne es ihm, er ist ein wirklich netter Kerl, René.«
»Selbst bei uns im Büro seid ihr mittlerweile das Tagesgespräch. Ich hätte nie gedacht, dass so viele Leute auf Fotos in solchen Zeitschriften achten.«
»Bin ich froh, dass ich nicht zu Hause bin«, seufzte Annabelle. »Aber das hört bald wieder auf, wenn die Medien mitbekommen, dass sie eine falsche Spur verfolgen.«
»Hoffentlich«, brummte er. »Diese Art von Aufmerksamkeit kann ich nämlich überhaupt nicht gebrauchen.« Er räusperte sich. »Wäre es dir recht, wenn wir unsere Beziehung noch eine Weile für uns behielten?«
»Sehr sogar!«, rief sie. »Das wollte ich dir auch schon vorschlagen. Wir warten, bis sich die Wogen geglättet haben, und irgendwann interessiert sich dann kein Mensch mehr für das, was ich tue und lasse.«
»Kein Mensch ist nicht richtig. Ich werde mich immer dafür interessieren«, erklärte er.
»Das hast du sehr schön gesagt, René. Jetzt drück mir mal die Daumen, ich muss das ganze Abendessen hindurch mit Florian flirten, und ich kann dir versichern, dass das Schwerstarbeit ist. Wenn er wenigstens Spaß an der Sache hätte, dann ginge es ja noch. Aber nein, er leidet einfach nur. Ich glaube, am liebsten wäre er vorhin schon aufgesprungen und hätte ihr seine Liebe erklärt.«
»Ich fände das sehr vernünftig«, sagte René mit Nachdruck. »Je eher er das tut, desto besser, dann müsste er nämlich nicht länger mit der Frau flirten, in die ich mich verliebt habe.«
Kichernd verabschiedete sich Annabelle von ihm.
*
Zur allgemeinen Überraschung verlief das Abendessen in heiterer und entspannter Atmosphäre. Das war darauf zurückzuführen, dass Gabriela vollkommen anders auftrat als nachmittags auf der Terrasse. Sie sah sehr schön aus in einem zartblauen Seidenkleid, die dunklen Haare hatte sie aufgesteckt, ihr Make-up war perfekt und sehr zurückhaltend. Von Blässe oder bedrückter Stimmung war nichts mehr zu merken. Sie ging lebhaft auf die Teenager ein, lachte und alberte mit ihnen herum, als wäre sie schon oft auf Sternberg zu Gast gewesen.
Dieses Verhalten führte dazu, dass sich mit einem Mal niemand in der Runde mehr sicher war, ob sie tatsächlich in Florian verliebt war. Hier saß eine junge Frau, die um ihre Attraktivität wusste und vor Lebenslust nur so sprühte und die offenbar keinerlei Schwierigkeiten hatte, mit Florian so unbefangen umzugehen wie alle anderen auch.
Annabelle beobachtete Gabriela aufmerksam, ohne sich das anmerken zu lassen. Sie ist eine Kämpferin, dachte sie anerkennend, und sie hat sich entschieden, ihren Kampf zumindest mit hoch erhobenem Haupt zu verlieren. Oder wir haben uns vorhin alle getäuscht, und es gab andere Gründe für ihre Blässe und den traurigen Ausdruck in ihren Augen. Sie ließ den Blick einmal in die Runde schweifen und sah, dass die anderen ähnliche Überlegungen anstellten wie sie. Plötzlich war der Ausgang der Geschichte wieder offen.
Ihr Mitgefühl galt Florian, der ja vorhin schon Zweifel angemeldet hatte. Nun fühlte er sich natürlich bestätigt in der Vermutung, dass Gabriela nicht seinetwegen nach Sternberg gekommen war. Es war wirklich eine verzwickte Geschichte!
»Warum bleiben Sie nicht ein paar Tage länger, Gaby?«, fragte Baronin Sofia in diesem Augenblick. »Wir alle würden uns freuen.«
Annabelle konnte förmlich spüren, wie Florian neben ihr erstarrte. Doch Gabriela bedankte sich mit reizendem Lächeln für die Einladung und schlug sie dann aus. »Ich kann derzeit keinen Urlaub nehmen«, erklärte sie. »Sonst hätte ich Ihr Angebot gerne angenommen, Frau von Kant.« Sie warf Florian einen Blick zu. »Zumal ich hier mit Flo einen alten Freund wieder gefunden habe, der sich in letzter Zeit ziemlich rar gemacht hatte.«
Annabelle hörte Florians leises Ächzen, und sie kam ihm schnell zu Hilfe. Der Ärmste, er war mit seiner Kraft am Ende, so elend hatte er nicht einmal heute Nachmittag ausgesehen! »Ich muss ihn in Schutz nehmen«, sagte sie mit heiterem Lächeln. »Erstens hat Flo hier sehr viel zu tun, und dann habe ich ihn auch noch mit Beschlag belegt. Sie wissen ja, wie das ist, wenn man sich gerade erst kennen gelernt hat …«
Sie sah das Flackern in Gabrielas Augen, für den Bruchteil einer Sekunde bekam die perfekte Maske Risse, und darunter las sie nackte Verzweiflung.
Na also, dachte sie beruhigt, sie liebt ihn doch!
*
»Worüber machen Sie sich Sorgen, Herr Hagedorn?«, fragte Marie-Luise Falkner, als sie sich zu dem alten Butler an den Küchentisch setzte. Das Abendessen war vorüber, es hatte allen hervorragend geschmeckt, auch der anschließende Kognak in der Bibliothek war bereits getrunken worden. Die Familie und ihre Gäste hatten sich in ihre Privaträume oder die Suiten zurückgezogen. Das Schloss begab sich allmählich zur Ruhe. Auch die Helferinnen und Helfer in der Küche waren bereits gegangen.
»Ach«, murmelte Eberhard Hagedorn, »mir scheint, es liegen ein paar Missverständnisse in der Luft, Marie.«
»Aber Sie wollen nicht darüber