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Der Archipel in Flammen. Jules VerneЧитать онлайн книгу.

Der Archipel in Flammen - Jules Verne


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Auf die­sen Ge­wäs­sern war er, eine Beu­te des Win­des und der Strö­mun­gen, so viel um­her­ge­fah­ren. Hier gab es kei­ne Ein­buch­tun­gen, de­ren Was­ser­tie­fe und Lan­dungs­plät­ze er nicht ge­kannt hät­te; kein Riff, kei­nen Grund, kei­nen Un­ter­was­ser­fel­sen, des­sen Lage ihm ver­bor­gen ge­blie­ben wäre; kei­ne Win­dung des Kanals, wel­che er selbst ohne Lot­sen und ohne Kom­pass nicht hät­te in Si­cher­heit be­fah­ren kön­nen. Das er­klärt denn auch leicht, warum er trotz der falschen Si­gna­le sei­ner Lands­leu­te die Sa­co­le­ve im­mer hat­te mit ru­hi­ger Hand lei­ten kön­nen. Da­ne­ben wuss­te er, wie we­nig den Vi­ty­li­nern Ver­trau­en zu schen­ken war. Er hat­te sie schon gar zu oft in Tä­tig­keit ge­se­hen. Und im Grun­de miss­bil­lig­te er viel­leicht nicht ein­mal ihre räu­be­ri­schen Ge­wohn­hei­ten, we­nigs­tens so­bald er per­sön­lich ge­si­chert war, nicht da­von zu lei­den.

      Doch wenn Ni­co­las Star­kos sei­ne Leu­te kann­te, so war er nicht min­der bei ih­nen be­kannt. Nach dem Tod sei­nes Va­ters, der un­ter den tau­sen­den von Op­fern fiel, wel­che die Grau­sam­keit der Tür­ken hin­schlach­te­te, lechz­te sei­ne von Ra­che er­füll­te Mut­ter nur nach der Stun­de, wo sie sich bei der ers­ten Er­he­bung ge­gen das tür­ki­sche Joch auf­leh­nen konn­te. Er selbst hat­te Ma­gne mit acht­zehn Jah­ren ver­las­sen, um zur See zu ge­hen, wo­bei er vor­züg­lich im Archi­pel um­her­fuhr, und sich da­bei nicht al­lein zum vor­treff­li­chen See­mann, son­dern auch in dem Hand­werk des Räu­bers aus­bil­de­te.

      Nie­mand hät­te wohl zu sa­gen ver­mocht, an Bord wie vie­ler Schif­fe er seit­dem ge­dient, wel­che Fli­bus­tier- oder See­räu­ber­füh­rer ihn un­ter ih­rem Be­fehl ge­habt, un­ter wel­cher Flag­ge er zu­erst ge­kämpft, wie viel Blut sei­ne Hand schon ver­gos­sen, Blut der Fein­de Grie­chen­lands eben­so wie sol­ches sei­ner Ver­tei­di­ger – das­sel­be, wel­ches auch in sei­nen Adern roll­te. Wie­der­holt hat­te man ihn schon in ver­schie­de­nen Hä­fen des Bu­sens von Co­ron ge­se­hen. Man­che sei­ner Lands­leu­te hät­ten wohl ver­schie­de­ne Groß­ta­ten von ihm be­rich­ten kön­nen, wenn er sich mit ih­nen ver­bün­det hat­te, Han­dels­schif­fe zu über­fal­len und zu ver­nich­ten, um die rei­che Beu­te mit ih­nen zu tei­len. Den­noch um­gab den Na­men Ni­co­las Star­kos ein ge­wis­ses Ge­heim­nis. Je­den­falls war er aber in den Pro­vin­zen von Ma­gne so be­kannt, dass sich alle vor sei­nem Na­men ver­neig­ten.

      Da­mit er­klär­te sich auch der Empfang, den die­ser Mann bei den Be­woh­nern von Vi­ty­lo fand, eben­so der Um­stand, dass schon sei­ne An­we­sen­heit ge­nüg­te, alle auf die ge­plan­te Plün­de­rung ver­zich­ten zu las­sen, so­bald sie nur er­kannt hat­ten, wer die Sa­co­le­ve be­feh­lig­te.

      So­bald der Ka­pi­tän der »Ka­rys­ta« ein we­nig hin­ter dem Quai den Ha­fen be­tre­ten hat­te, bil­de­ten die zu sei­nem Empfang her­bei­ge­lau­fe­nen Män­ner und Frau­en ehr­er­bie­tig eine Ket­te, um ihn hin­durch­zu­las­sen. Als er ans Land stieg, wur­de kein Aus­ruf laut. Es schi­en, als ob Ni­co­las Star­kos hier einen hin­rei­chen­den Ein­fluss aus­üb­te, um an­de­ren schon durch sein Er­schei­nen Ruhe zu ge­bie­ten. Die Leu­te war­te­ten, bis er spre­chen wür­de, und wenn das – wie wahr­schein­lich – nicht der Fall war, hät­te sich ge­wiss nie­mand er­laubt, ein Wort an ihn zu rich­ten.

      Nach­dem Ni­co­las Star­kos sei­nen Ma­tro­sen der Gig be­foh­len, an Bord zu­rück­zu­keh­ren, be­gab er sich nach dem Win­kel, den der Quai im Hin­ter­grund des Ha­fens bil­de­te. Kaum hat­te er aber zwan­zig Schrit­te in die­ser Rich­tung ge­tan, als er plötz­lich ste­hen­blieb. Dann wand­te er sich an den al­ten See­mann, der ihm nach­folg­te, als er­war­te er von ihm noch ir­gend­wel­che Be­feh­le.

      »Goz­zo«, be­gann er, »ich wer­de noch zehn kräf­ti­ge Bur­schen brau­chen, um mei­ne Be­sat­zung zu ver­voll­stän­di­gen.«

      »Du wirst sie ha­ben, Ni­co­las Star­kos«, ant­wor­te­te Goz­zo.

      Hät­te der Ka­pi­tän der »Ka­rys­ta« hun­dert zur Aus­wahl un­ter der see­fah­ren­den Be­völ­ke­rung des Or­tes ver­langt, so wür­de er die­se auch ge­fun­den ha­ben. Und die­se hun­dert Mann wür­den, ohne zu for­schen, wo­hin sie ge­führt wür­den, wozu sie be­stimmt sei­en, für wes­sen Rech­nung sie fah­ren oder kämp­fen soll­ten, ih­rem Lands­mann ge­folgt sein, be­reit, sein Los zu tei­len, da sie recht gut wuss­ten, dass ih­nen auf die eine oder die an­de­re Wei­se dar­aus zu­letzt Vor­teil ent­sprin­gen müs­se.

      »Jene zehn Mann«, fuhr der Ka­pi­tän der »Ka­rys­ta« fort, müs­sen bin­nen ei­ner Stun­de an Bord sein.

      »Sie wer­den da sein«, ver­si­cher­te Goz­zo.

      Ni­co­las Star­kos deu­te­te ihm durch eine Hand­be­we­gung an, dass er sei­ne Beglei­tung nicht wei­ter wün­sche, ging längs des Quais, der sich an den Molo an­schloss, wei­ter und ver­schwand in ei­ner der en­gen, am Ha­fen mün­den­den Stra­ßen.

      Der alte Goz­zo kehr­te, sei­nem Wil­len ge­hor­chend, zu den Ge­fähr­ten zu­rück und ging so­fort dar­an, die zehn Bur­schen aus­zu­wäh­len, wel­che die Mann­schaft der Sa­co­le­ve zu ver­meh­ren be­stimmt wa­ren.

      In­zwi­schen klomm Ni­co­las Star­kos im­mer hö­her den Ab­hang des stei­len Ufers em­por, auf dem der Fle­cken Vi­ty­lo er­baut ist. Hier oben hör­te man wei­ter nichts als das Ge­bell der wil­den Hun­de, wel­che den Rei­sen­den oft nicht we­ni­ger ge­fähr­lich sind als die Scha­ka­le und Wöl­fe, Hun­de mit ge­wal­ti­gem Ge­biss und dem brei­ten Ge­sicht der Dog­ge, die vor kei­nem Stock zu­rück­wei­chen. Mit lang­sa­mem Schla­ge der lan­gen Flü­gel flat­ter­ten noch ei­ni­ge Seemö­wen um­her, wel­che ihre Schlupf­win­kel am Strand auf­such­ten. Bald hat­te Ni­co­las Star­kos die letz­ten Häu­ser von Vi­ty­lo hin­ter sich ge­las­sen. Er schlug jetzt den be­schwer­li­chen Fuß­pfad ein, der um die Akro­po­lis von Ke­ra­pha her­um­führt. Nach­her kam er an den Rui­nen ei­ner Be­fes­ti­gung vor­über, wel­che hier zu je­ner Zeit von Vil­le-Har­douin an­ge­legt wor­den war, als die Kreuz­fah­rer ver­schie­de­ne Punk­te des Pe­lo­pon­nes be­setzt hiel­ten, und dann um­schritt er noch den Fuß ei­ni­ger al­ter Tür­me, die sich noch jetzt hier auf dem Fel­se­nu­fer er­he­ben. Bei die­sen blieb er ste­hen und wen­de­te sich zu ei­nem Rück­blick um.

      Am Ho­ri­zont, jen­seits des Kap Gal­lo, neig­te sich der zu­neh­men­de Mond sei­nem Un­ter­gang im Io­ni­schen Meer zu. Da und dort flamm­ten ei­ni­ge Ster­ne durch die zer­ris­se­nen Wol­ken, wel­che der fri­sche Abend­wind über den Him­mel jag­te. Wenn die­ser ein­mal nachließ, herrsch­te To­ten­stil­le rings um die Zi­ta­del­le. Zwei oder drei kaum sicht­ba­re klei­ne Fahr­zeu­ge durch­furch­ten das Was­ser im Golf, nä­her­ten sich Co­ron oder wen­de­ten sich Kala­ma­ta zu. Ohne die La­ter­nen, wel­che an ih­rer Mast­spit­ze leuch­te­ten, hät­te man die­sel­ben viel­leicht kaum er­ken­nen kön­nen. An an­de­ren Punk­ten der Küs­te brann­ten sie­ben bis acht Feu­er, wel­che sich im Meer zit­ternd wie­der­spie­gel­ten. Wa­ren dies Licht von Fi­scher­fahr­zeu­gen oder sol­che in Woh­nun­gen am Strand? Das hät­te man schwer­lich un­ter­schei­den kön­nen.

      Ni­co­las Star­kos ließ den schon an die Dun­kel­heit ge­wohn­ten Blick über die un­ge­heu­re Flä­che schwei­fen. Das Auge des See­manns hat oft eine un­be­greif­li­che Schär­fe und ge­stat­tet ihm da noch et­was zu un­ter­schei­den, wo an­de­re gar nichts se­hen wür­den. Im jet­zi­gen Au­gen­blick schi­en es aber nicht, als ob die


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