Chefarzt Dr. Norden Paket 1 – Arztroman. Patricia VandenbergЧитать онлайн книгу.
mir leid. Aber dieses Vergnügen kann ich mir wirklich sparen«, herrschte er sie an, ehe er türenknallend im nächsten Zimmer verschwand.
*
Der Eingriff bei Jakob Sperling stand kurz bevor. Der Zugang war gelegt, die Beruhigungstablette tat ihre Wirkung. Eine Schwester schob seine Liege in den Operationssaal, wo sie ihn den kundigen Händen der Anästhesistin überließ.
»Dann wollen wir mal!« Dr. Ramona Räther nickte Jakob zu und steckte eine Spritze mit einer durchsichtigen Flüssigkeit in den Zugang.
»Wenn ihr Lächeln das Letzte ist, das ich sehe, bin ich zufrieden«, murmelte er.
Es fiel ihr leicht, seinen Wunsch zu erfüllen. Ihr Lachen war Musik in seinen Ohren. Langsam spritzte sie das Narkosemittel in die Vene.
»Zählen Sie bis zehn«, forderte sie ihn auf.
»Machen Sie Witze? So schnell kriegen Sie mich nich …« Die Augen fielen dem Pfleger zu, und im nächsten Moment schlief er tief und fest. Dr. Räther kontrollierte Atmung und Temperatur. Die Geräte zur Überwachung der Vitalfunktionen piepten gleichmäßig.
Ramona sah hinüber zur Glasscheibe, die den OP vom Vorraum trennte. Das Operationsteam hatte sich versammelt. Letzte Vorbereitungen wurden getroffen. Nur zu gut kannte die Anästhesistin diese Minuten kurz vor Beginn einer OP. Sie fühlte sich wie in einer Raumkapsel. Abgeschnitten von der Außenwelt, schienen sich selbst die Zeiger der Uhr langsamer zu bewegen. Dr. Räther konnte nicht verstehen, was draußen gesprochen wurde. An den Lippenbewegungen erkannte sie nur, dass sich Dr. Merizani mit dem Kollegen Weigand unterhielt. Die Assistenzärztin Sophie Petzold stand schweigend daneben. Normalerweise das Selbstbewusstsein in Person, erinnerte sie Ramona in diesem Moment an ein scheues Reh. Immer wieder wanderte Sophies Blick durch die Scheibe hinüber zum Operationstisch. Ihre Lippen öffneten sich, als wollte sie Jakob etwas zurufen. Doch sie holte nur kurz Luft – Ramona bemerkte es an ihrer Brust, die sich hob und senkte – und schloss den Mund wieder. Als Dr. Weigand sich zu Sophie umdrehte und sie ansprach, reagierte sie nicht. Erst, als er die Hand auf ihre Schulter legte, zuckte sie zusammen und fuhr zu ihm herum. Er sagte ein paar Worte. Sie presste die Lippen aufeinander und nickte. Die Ärzte machten sich auf den Weg. Im nächsten Atemzug öffneten sich die Türen zur Raumkapsel. Wie ein Schwall Wasser spülten die Geräusche herein. Die Wirklichkeit hatte Ramona wieder. Sie sah auf die Uhr. Seit sie Jakob in den Schlaf geschickt hatte, war nur eine Minute vergangen. Die Anästhesistin nickte den Kollegen zu.
»Meinetwegen können wir anfangen.«
*
Auch die Vorbereitungen für den Eingriff bei Paola Wiesenstein waren in vollem Gang. Nachdem der Anästhesist die Patientin über die Risiken der Narkose aufgeklärt hatte, kam Dr. Norden noch einmal ins Zimmer. Aufklärung wurde in seiner Klinik großgeschrieben. Und das nicht nur aus rechtlichen Gründen. Schon in seiner Praxis hatte Daniel die Erfahrung gemacht, dass eine gelungene Aufklärung das Verständnis und die Behandlungszufriedenheit der Patienten unterstützte. Nicht zuletzt gab ein gutes Arzt-Patient-Verhältnis den Betroffenen Sicherheit und trug zu einer schnellen Genesung bei.
»Wie fühlen Sie sich?«, erkundigte er sich bei Paola, die ihm erwartungsvoll entgegensah.
»Fragen Sie nicht! Ich bin froh, wenn das hier vorbei ist.«
»Bald haben Sie es geschafft«, versprach der Klinikchef und zog sich einen Stuhl heran. »Ich habe die neuesten Aufnahmen aus der Radiologie bekommen.« Er schaltete das Tablet ein und zeigte Paola die Aufnahmen. »Das hier ist Ihr Schienbein, wie es derzeit aussieht. Der Bruch hat zwei ziemlich spitze Knochenenden hinterlassen. Das untere Stück«, er deutete auf die entsprechende Stelle auf dem Bildschirm, »bohrt sich hier ins Gewebe.«
»Schon gut. Ersparen Sie mir die Details.« Paola winkte ab. »Mich interessiert nur, wann ich wieder Theater spielen kann.«
Es klopfte, und Dieter Fuchs trat ein.
»Störe ich?«
Daniel Norden stand auf. Die Ernüchterung stand ihm ins Gesicht geschrieben.
»Kommen Sie nur. Wir waren sowieso fertig.«
»Das sehe ich anders«, begehrte Paola auf. »Wann kann ich wieder auftreten?«
Doch Daniel zog es vor, dem Verwaltungsdirektor das Feld zu überlassen.
»Nach der OP kann ich Ihnen mehr dazu sagen«, versicherte er und verließ das Zimmer.
Dieter Fuchs trat ans Bett der berühmten Patientin.
»Ich hoffe, Sie fühlen sich gut aufgehoben in unserem Haus.«
Mit verschränkten Armen saß Paola im Bett und kochte vor sich hin.
»Sparen Sie sich das Geplänkel. Was wollen Sie von mir?«
Die Miene des Verwaltungsdirektors gefror zu Eis. Was konnte er dafür, dass sie nicht die gewünschte Auskunft erhalten hatte?
»Wann wollen Sie wieder Interviews geben? Ich muss den Leuten von der Presse irgendwas sagen. Die stürmen mir sonst die Bude«, erklärte er schroff. »Sie haben ja keine Ahnung, was hier los ist.«
»Ach, denken Sie?« Paola lächelte herablassend. »Da täuschen Sie sich gewaltig, mein Lieber. Ich erlebe diesen Tumult bei jedem meiner Auftritte. Aber mir ist schon klar, dass ein Mann wie Sie von so viel Aufmerksamkeit nur träumen kann«, fuhr sie mitleidig fort. »Sagen Sie der Meute da draußen, dass ich für Interviews zur Verfügung stehe, sobald mich die Herrschaften hier wieder zusammengeflickt haben.«
Dieter Fuchs kochte innerlich vor Wut. Doch zur Not verfügte auch er über beachtliche Schauspielerqualitäten.
»Wann soll die Operation stattfinden?«
»Wenn ich Herrn Dr. Norden richtig verstanden habe, in einer Stunde.«
»Gut.« Dieter nickte. »Dann weiß ich Bescheid.« Er ging zur Tür. »Ich wünsche gutes Gelingen.« Eigentlich hatte er vorgehabt, die berühmte Schauspielerin um ein Autogramm zu bitten, um es im Internet zu Geld zu machen. Doch nach ihrer ruppigen Abfuhr verbot ihm schon sein Stolz dieses Vorhaben.
*
Der Klinikkiosk hatte sich in einen Bienenstock verwandelt. Stimmen summten und brummten unablässig. Hier und da war ein Lachen zu hören. Als der Verwaltungsdirektor vor die Presse trat, erstarben die Stimmen. Erwartungsvolle Blicke richteten sich auf ihn. Das Klicken der Kameras ging wie ein Platzregen über ihm hernieder. Dieter warf sich in die Brust.
»Der Zustand von Frau Wiesenstein ist unter den gegebenen Umständen zufriedenstellend«, erklärte er in das Blitzlichtgewitter. »Wir sind optimistisch, dass wir ihre Verletzungen optimal versorgen können.«
»Es ist durchgesickert, dass Frau Wiesenstein einen offenen Bruch erlitten hat. Werden Sie diese Verletzung selbst behandeln oder sie in eine orthopädische Spezialklinik verlegen?«, fragte eine Journalistin.
»Über Art und Umfang der Verletzung kann nur Frau Wiesenstein selbst Auskunft geben«, klärte der Verwaltungschef die Reporter auf und beglückwünschte sich insgeheim für seine Professionalität.
»Wird sie wieder laufen können?«
»Was sagt Ihr Freund Pierre dazu?«
»Wann kann sie die Klinik verlassen?« So und anders tönten die Fragen durcheinander.
Dieter Fuchs rieb sich die Hände. Sein großer Moment war gekommen.
»Ich bedaure es selbst außerordentlich, aber leider hat Frau Wiesenstein kein Interesse daran, Ihnen Rede und Antwort zu stehen. Sie lässt Ihnen ausrichten, sie hätte schon in normalen Zeiten genug mit der ›Meute‹ zu tun. Jetzt will sie Ihre Ruhe haben.«
Ein Raunen und Schimpfen ging durch die Runde.
Mit einer Verbeugung beendete Dieter Fuchs die Fragestunde und kehrte zufrieden in sein Büro zurück.
Selbst Paola Wiesenstein würde einsehen müssen, dass man sich einen