Chefarzt Dr. Norden Paket 1 – Arztroman. Patricia VandenbergЧитать онлайн книгу.
gut. Seine Leber ist völlig zerstört. Wir sind gerade auf der Suche nach einem Spenderorgan.« Diese Information musste für’s Erste genügen. Alles andere hatte Zeit bis später. »Hoffentlich machst du keine Dummheiten.«
»Niemals!«, versicherte Tatjana. Sie stand in der Küche und probierte sich an neuen Kreationen, mit denen sie ihren Kunden den Kopf verdrehen konnte. Während sie telefonierte, steckte sie den Zeigefinger in den Mund. Genüsslich verdrehte sie die Augen. »Ich bin froh, wenn ich die Schüssel mit meiner Vanille-Thymian-Creme selbst ausschlecken kann.«
»Weib, dein zweiter Name ist Hexe!«
»Komm du mir nach Hause, Herr Doktor. Dann lasse ich die Hexe aus dem Schrank!«, scherzte sie gut gelaunt.
»Ich kann es kaum erwarten.« Ein paar Neckereien später verabschiedete sich Danny mit einem Kuss in den Hörer. Er wollte unbedingt zur Stelle sein, wenn Frau Quadts Schwester in die Klinik kam. Falls sie überhaupt mit Alexa gesprochen hatte.
Nur wenige Minuten später gesellte er sich wieder zu ihr. Sie stand am Fenster in einem der Aufenthaltsräume, die die ehemalige Klinikchefin Dr. Jenny Behnisch für die Angehörigen der Patienten eingerichtet hatte. Erfrischungsgetränke standen ebenso bereit wie Gebäck, um die blankliegenden Nerven ein wenig zu beruhigen. Doch Alexa schien weder das eine noch das andere angerührt zu haben. Seine Schritte im Ohr, drehte sie sich zu ihm um.
»Und? Haben Sie Ihre Schwester erreicht?«, erkundigte er sich ihr, als ihr Blick an ihm vorbei zur Tür flog.
Danny folgte ihrer fassungslosen Miene und wandte den Kopf. Eine Frau war in der Tür erschienen. Ihre Ähnlichkeit mit Alexa Quadt war nicht zu übersehen.
»Nicole«, hauchte Alexandra ergriffen. Im nächsten Moment tauchte ein Mann auf. Alexa erstarrte. »Bertram! Was machst du denn hier?«
»Wir sind hier wegen Leo.« Bertram Quadts Stimme war sachlich. Er ging auf Danny Norden zu und reichte ihm die Hand. »Ich bin Leos Vater. Und Sie sind vermutlich der Arzt, der meinen Sohn behandelt?«
»Meine Freundin und ich haben Leo unter dem Jägerstand gefunden.« Tausend Fragen brannten Danny auf der Seele. Doch dies war nicht der Zeitpunkt, sie zu stellen. Im Augenblick gab es Dringenderes zu tun. »Kommen Sie, wir gehen hinüber ins Behandlungszimmer. Dort nehme ich Ihnen beiden Blut ab. Dann sehen wir, wer als Spender geeignet ist.« Seine Miene verriet, dass neue Hoffnung in ihm aufkeimte. »Sie warten bitte hier!«, bat er Alexa, die ihre Schwester und ihren Ex-Mann noch immer fixierte.
»Ja … ja, natürlich«, stammelte sie und sah den dreien nach, wie sie das Zimmer verließen.
Kurz darauf war alles für die Blutentnahme bereit.
»Es gibt jetzt einen kurzen Pieks«, warnte Danny den Vater, der mit undurchdringlicher Miene vor ihm saß. »Gut, dass Sie so schnell kommen konnten«, fuhr Danny Norden fort, während er seine Arbeit machte.
Bertram Quadt haderte mit sich. Es gefiel ihm nicht, die Tür zur Vergangenheit aufzustoßen.
»Als Nicky mir von dem Unglück erzählt hat, gab es für mich keine Fragen«, erwiderte er schließlich zurückhaltend.
»Sind Sie wieder verheiratet? Haben Sie noch mehr Kinder?«
Bertram zog eine Augenbraue hoch. Danny verstand den stummen Vorwurf.
»Meine Fragen haben rein medizinische Gründe«, beeilte er sich zu versichern. Unter gar keinen Umständen durfte er die Hilfsbereitschaft des Vaters in Gefahr bringen.
Bertram Quadt gab sich einen Ruck.
»Nicky und ich haben vor acht Jahren beschlossen, zusammen zu bleiben. Wir haben einen Sohn und eine Tochter.«
Diesmal war es an Danny, die Augenbraue hochzuziehen.
»Sie sind mit der Schwester Ihrer Ex-Frau verheiratet?« Er legte das letzte Röhrchen in die Nierenschale, zog die Nadel aus dem Arm und warf die Spritze in den Abfall.
»Ich weiß, wie das klingt.« Bertram lächelte bitter. »Hat Alexa Ihnen alles erzählt? Die ganze Wahrheit?«
»Jede Wahrheit hat mehrere Seiten«, gab Danny zu bedenken. »Es kommt wohl immer ganz auf den Betrachter an.«
»Mag sein.« Bertram Quadt krempelte den Ärmel herunter und stand auf. Offenbar war das Gespräch an dieser Stelle, zumindest für den Augenblick, für ihn beendet. »Ich schicke Ihnen Nicky.« Er nickte dem jungen Arzt zu und verließ den Raum.
Nur ein paar Atemzüge später betrat Nicole den Raum.
»So, Frau Quadt, dann wollen wir mal.« Danny bot ihr einen Platz an.
Nicole setzte sich lächelnd. Gleichzeitig schüttelte sie den Kopf.
»Keine Sorge. Ich hatte und habe nicht vor, das Chaos perfekt zu machen. Deshalb habe ich meinen Mädchennamen behalten.« Sie hielt ihm die Hand hin. »Nicole Ursprung.«
»Dr. Danny Norden. Angenehm«, erwiderte Danny und machte sich an die Arbeit. Währenddessen unterhielt er sich mit Nicole. Er erkundigte sich nach den Kindern, und sie erzählte bereitwillig.
Als die Sprache auf Leo kam, erlosch das Leuchten auf ihrem Gesicht.
»In Ihren Augen bin ich wahrscheinlich eine Rabenmutter, die ihr Kind verlassen hat. Aber glauben Sie mir: Ich wollte nur das Beste für Leo. Deshalb habe ich ihn schließlich bei meiner Schwester und Bertram gelassen. Es hat mir das Herz zerrissen. Aber ich wollte einfach keinen zweiten Kaukasischen Kreidekreis.«
Danny erinnerte sich lebhaft an die Schullektüre des Theaterstücks von Bertolt Brecht. Damals hatte er es gehasst.
In diesem Moment schickte er aber eine stumme Abbitte an seinen Deutschlehrer.
»Mit dem Unterschied, dass Sie nicht der leiblichen Mutter das Kind überlassen haben«, erwiderte er dann.
Nicole lächelte matt. Gleichzeitig schüttelte sie den Kopf.
»Leo wird immer in meinem Herzen sein. Auch wenn Bertram und ich inzwischen zwei weitere Kinder haben, die wir ebenso lieben.«
Wie schon zuvor bei ihrem Mann, entnahm Danny Norden auch ihr ein paar Röhrchen Blut. Nicole zuckte nicht mit der Wimper, als er die Nadel aus der Vene zog und einen Tupfer auf die Einstichstelle drückte.
»Wie kam es, dass Sie und Herr Quadt …« Danny zögerte. Durfte er diese Frage stellen?
» … ein Paar wurden?«, beendete Nicole seinen Satz. »Zuerst ging es wohl mehr um Mitleid. Alexas Härte widerte Bertram an. Er wollte mich trösten. Daraus wurde irgendwann Liebe«, erzählte sie die stark verkürzte Version der Geschichte. »Natürlich war es nicht ganz so einfach, wie es jetzt klingt. Aber ich denke, wir haben keine Zeit zu verlieren.« Sie warf einen bedeutungsvollen Blick auf die Röhrchen, die Danny eben mit Aufklebern versah.
»Sie haben recht. Ich gebe die Blutproben sofort ins Labor. Bald wissen wir mehr.« Er machte Anstalten, das Zimmer zu verlassen.
»Kann ich Leo sehen?«, rief Nicole ihm nach.
Mit dieser Frage erwischte sie ihn eiskalt. Danny Norden ahnte, dass der Junge nichts von seinem verworrenen Schicksal wusste und weder Vater noch Tante je zuvor gesehen hatte.
»Im Moment ist er nicht ansprechbar«, erwiderte er. »Um seinen Körper zu schonen, haben wir ihn in ein künstliches Koma versetzt.«
»Das macht mir nichts aus.« Nicoles Gesicht sprach von der Sehnsucht in ihrem Herzen. »Ich habe meinen Sohn seit zehn Jahren nicht gesehen.«
Danny dachte kurz nach. Dann gab er sich einen Ruck.
»Elena, bringst du Frau Ursprung bitte zu Leo Quadt?«, rief er Schwester Elena zu, die gerade über den Gang eilte.
»Natürlich.« Sie lächelte freundlich und winkte die Frau mit sich. »Sind Sie eine Verwandte?«
Nicole dachte kurz nach.
»Ich bin seine Tante«, entschied