Chefarzt Dr. Norden Paket 1 – Arztroman. Patricia VandenbergЧитать онлайн книгу.
musterte seine Frau in gespielter Sorge.
»Ich wusste gar nicht, welch niedere Instinkte sich hinter dieser attraktiven Fassade verbergen.«
Doch Fee war zu wütend für Komplimente.
»Dieser Kerl wollte dich mit Schimpf und Schande vom Hof jagen und die Klinik in dieses Gesundheitszentrum eingliedern«, redete sie sich immer mehr in Rage. »Und wofür? Doch nur, um einen aussichtsreichen Posten zu ergattern. Na warte, Freundchen!« Sie hielt die Faust hoch und schüttelte sie. »Dich werde ich das Fürchten lehren.«
Daniel legte den Kopf in den Nacken und lachte so laut, dass beide das Klopfen überhörten.
Erst als Andrea Sander schüchtern den Kopf zur Tür hereinsteckte, beruhigte er sich.
»Tut mir leid, wenn ich störe … Aber der Kollege Kayser ist hier. Er braucht Sie, Frau Dr. Norden.«
»Mich?«, fragte Fee sichtlich verwundert, als Carsten sich auch schon hinter Andrea ins Zimmer mogelte.
Sein Anliegen war ihm sichtlich peinlich.
»Es geht um den Patienten Caspar Jürgens.«
»Der junge Mann mit der Chikungunya-Infektion?«, erinnerte sich Daniel sofort.
Danny hatte ihm von dem Fall erzählt.
Dr. Kayser nickte anerkennend, ehe er sich wieder an Fee wandte.
»Irgendwas stimmt nicht mit ihm. Er scheint psychische Probleme zu haben. Seit gestern Abend liegt er in seinem Bett, spricht kaum, isst nicht und starrt nur aus dem Fenster. Sie sind doch psychologisch geschult. Da dachte ich, Sie könnten mal mit ihm reden.«
Felicitas zögerte nicht.
»Ich werde sehen, was ich tun kann«, versprach sie und stand auf, um den Kollegen Kayser zu begleiten.
Unterwegs erzählte er ihr die Geschichte von Leonie und Moritz, die er für das Verhalten seines Patienten verantwortlich machte.
Nur ein paar Minuten später trat sie an Caspars Bett. Er würdigte sie kaum eines Blickes.
»Mein Name ist Felicitas Norden«, stellte sie sich freundlich vor. »Ich bin Chefin der Kinderabteilung. Nachdem ich auch hin und wieder mit Tropenkrankheiten zu tun habe, wollte ich mich ein bisschen mit Ihnen unterhalten.« Diese Notlüge erlaubte sie sich. »Vorausgesetzt natürlich, Sie reden mit mir.«
Eine Weile sagte Caspar nichts. Fee dachte schon, dass auch sie keinen Erfolg haben würde, als er es sich doch anders überlegte. Allerdings hatte er nicht vor, Felicitas zu helfen.
»Wann kann ich hier raus?« Das war offenbar das Einzige, was ihn interessierte.
»Oh. Das weiß ich, ehrlich gesagt, nicht so genau«, antwortete sie wahrheitsgemäß. Sie stand am Fußende des Bettes und sah ihn an. »Ich denke, das kommt auch auf Sie an. Die eigene Einstellung spielte eine entscheidende Rolle beim Heilungsprozess.«
»Ich will lieber heute hier weg als morgen«, presste Caspar durch die Lippen. Dabei mied er ihren Blick.
Fee dachte kurz nach. Sie wusste, wie wichtig es war, die richtigen Worte zu finden.
»Weglaufen ist leider keine Lösung«, wagte sie einen vorsichtigen Einspruch. »Unsere Probleme sind fast immer schneller und warten schon am Ziel auf uns.«
Diese Vorstellung brachte Caspar zum Lachen, wenn auch nur kurz. Viel zu schnell wurde er wieder ernst.
»Wenn ich gehe, kann ich vielleicht vergessen, dass meine Mutter mich belogen und mein Freund mich verraten hat.«
»Ihr Freund konnte doch nicht wissen, dass er sich ausgerechnet in Ihre Mutter verliebt hat«, gab sie zu bedenken.
Caspar war so sehr mit seinen Problemen beschäftigt, dass er sich nicht über ihr Wissen wunderte.
»Ich glaube, dass die beiden hinter meinem Rücken ein Komplott geschmiedet haben. Sie wollten mich los werden. Oder aber, Moritz hat sich die Geschichte selbst ausgedacht und eingefädelt. Eine schöne Frau wie Mama, mit eigenem Hotel … Das ist doch mal eine gute Partie«, stieß er bitter hervor.
Auf den ersten Blick waren diese Argumente einleuchtend. Doch Fee hatte Erfahrung genug, um sich nicht täuschen zu lassen.
»Wovor haben Sie Angst?«, fragte sie direkt. »Dass Sie Ihre Mutter an einen anderen Mann verlieren? Wenn ich mich nicht irre, war es Ihr eigener Wunsch, in Kambodscha zu arbeiten, oder? Wäre es da nicht beruhigend, Ihre Mutter glücklich zu wissen? An der Seite eines Mannes, der sie liebt und für sie da ist? Ich könnte mir vorstellen, dass das eine große Entlastung für Sie wäre.«
Es war Caspar anzusehen, dass er die Sache noch gar nicht von dieser Seite betrachtet hatte. Unwillkürlich musste er an das Mädchen denken, das er in Siem Reap kennengelernt hatte. Sie war ein Grund dafür, dass er den Vertrag dort unterschrieben hatte. War es möglich, dass ihm sein eigenes schlechtes Gewissen einen Streich spielte? War er gar nicht wütend auf Moritz und seine Mutter, sondern vielmehr auf sich selbst?
Peinlich berührt, biss sich Caspar auf die Lippe.
»Ich habe mich wohl sehr dumm benommen.«
Felicitas spürte, dass das Eis gebrochen war.
»Ich würde eher sagen menschlich.«
Caspar grinste schief.
»Sind Sie immer so diplomatisch?«
»Ich versuche es zumindest.« Unwillkürlich musste Felicitas an Volker Lammers denken. Die Vorstellung eines klinikeigenen Prangers gefiel ihr immer noch. »Aber es gelingt mir nicht immer.«
»Auch sehr menschlich.« Caspar zwinkerte ihr zu, und sie lachten zusammen. Schließlich wurde es Zeit für Fee, sich zu verabschieden. Bevor sie das Zimmer verließ, sah sie aus den Augenwinkeln, wie er nach dem Mobiltelefon griff. Ein zufriedenes Lächeln auf den Lippen, kehrte sie in ihre Abteilung zurück. Es schien, als wäre ihre Mission geglückt. Daniel würde stolz auf sie sein.
*
»Können Sie nicht aufpassen!«, herrschte Leonie die junge Frau an, die mit einem Tablett in der Hand um die Ecke gebogen war. Nun prangte ein dunkelbrauner Kaffeefleck auf Leonies blütenweißer Bluse.
»Tut mir leid, aber ich kann nichts dafür. Ich habe noch gerufen, bevor ich um die Ecke gekommen bin.«
»Dann müssen Sie in Zukunft lauter zwitschern, mein Vögelchen.« Leonie hasste sich selbst für ihren Zynismus. So kannte sie sich gar nicht. Im Normalfall behandelte sie ihr Personal gut und bezahlte besser als die meisten Hotels in der Gegend.
Doch das Mädchen vom Service dachte nicht daran, sich einschüchtern zu lassen.
»Oder Sie sich ein Hörgerät anschaffen«, fauchte sie und bückte sich, um die Scherben einzusammeln.
Leonie schnappte nach Luft, spürte aber schnell, dass sie an diesem Tag nicht in der Lage war, eine Auseinandersetzung zu überstehen. Zumal die junge Frau recht hatte.
»Schon gut. Es tut mir leid«, murmelte sie und ging davon, sich des staunenden Blicks im Rücken wohlbewusst.
Auf dem Weg in ihr Büro kämpfte sie mit den Tränen, als zu allem Überfluss auch noch ihr Handy klingelte. Caspar!
Schnell wischte Leonie sich ganz undamenhaft mit dem Ärmel übers Gesicht. Dass ihre Schminke schwarze Spuren hinterließ, spielte schon keine Rolle mehr.
»Caspar, mein Schatz, was kann ich für dich tun?«, fragte sie hoffnungsvoll in den Apparat.
Ihre Stimme verriet, dass er die richtige Entscheidung getroffen hatte. Dieses gute Gefühl machte ihm Mut.
»Hast du Zeit, in die Klinik zu kommen? Ich muss mit dir reden.«
»Ja, ja, natürlich. Für dich habe ich immer Zeit«, versicherte sie. Ohne lange nachzudenken, griff Leonie nach dem Mantel an der Garderobe und machte sich auf den Weg. Wenn sie