Chefarzt Dr. Norden Paket 1 – Arztroman. Patricia VandenbergЧитать онлайн книгу.
Blicke der vorbei eilenden Kollegen zu achten. »In all den Jahren hatte er es nicht nötig, sich bei mir zu melden. Aber kaum geht es ihm schlecht, schon fällt ihm ein, dass er eine Tochter hat.« Sie atmete schwer. Ihre Gedanken eilten weiter. Ihr fragender Blick ruhte auf Matthias. »Wird er es schaffen?«
»Ich weiß es nicht«, antwortete er ehrlich. »Aber ich finde, ihr solltet euch aussprechen, ehe es zu spät ist.«
Im nächsten Moment wusste er, dass er sich mit diesem Ratschlag zu weit aus dem Fenster gelehnt hatte. Schlagartig veränderte sich Sandras Miene.
»Ein Glück, dass dich niemand um Rat gefragt hat«, fauchte sie wie eine wütende Katze und stapfte davon.
Ratlos sah Matthias Weigand ihr nach.
»Abfuhr einkassiert?«, fragte ihn Schwester Elena, die gerade des Wegs kam und, ganz Frau, sofort ahnte, dass Sandra der wahre Grund für die schlechte Laune ihres Lieblingskollegen war. »Mach dir nichts draus. Auch andere Mütter haben schöne Töchter.«
»Ein Glück, dass dich niemand um Rat gefragt hat«, wiederholte er den Satz, den Sandra ihm eben um die Ohren gehauen hatte, und ging davon, ehe Elena eine passende Antwort eingefallen war.
*
»Können Sie sich das bitte ansehen und unterschreiben, wenn Sie einverstanden sind?«, fragte Andrea Sander und drückte Daniel – er war auf dem Weg in sein Büro – eine Akte in die Hand.
»Wird gemacht«, versprach er und verschwand mit den Unterlagen in seinem Büro. Er warf die Akte auf den Schreibtisch und schenkte sich einen Tee aus der Thermoskanne ein. Im selben Moment klopfte es.
»Svenja!« Beim Anblick des Mädchens wurde ihm das Herz schwer. Er stellte die Tasse auf den Tisch. »Auch einen Tee?«
Sie schüttelte den Kopf.
»Nein, danke.«
Daniel ging um den Schreibtisch herum und nahm Platz.
»Bitte, setz dich doch.«
»Ich will nicht lange stören«, erwiderte sie. »Ich wollte nur mit Ihnen über meine Mutter reden. Mama …« Svenja schluckte. Die Angst vor der Zukunft hatte sich wie ein schwarzes Tuch auf ihr Gemüt gelegt. Sie fühlte sich bedroht. Die Krankheit war ein wildes Tier, das ihr glückliches Leben aufzufressen drohte. Doch ein Entrinnen gab es nicht. Sie musste sich der Gefahr stellen. »Stimmt es, dass Mama einen Gehirntumor hat?«
Daniel unterdrückte ein Seufzen. Er liebte seinen Beruf über alles. Doch es gab Dinge, auf die hätte er gut verzichten können. Solche Gespräche gehörten eindeutig dazu. Oder war das, was er im Moment noch nicht sagen durfte, schlimmer?
»Deine Mutter leidet unter einer sogenannten Neurofibromatose Typ 2. Charakteristisch für diese Erkrankung ist die Bildung gutartiger Tumore, die im Gehirn und im Bereich des Rückenmarks liegen«, versuchte er, die Krankheit in möglichst einfachen Worten zu erklären. »Besonders häufig entwickeln sie sich am achten Hirnnerv, dem Hör- und Gleichgewichtsnerv.«
Svenja nickte langsam. Blicklos starrte sie auf das Bild, das hinter Daniel an der Wand hing.
»Deshalb hört Mama schlecht und schwankt manchmal, als ob sie getrunken hätte«, murmelte sie vor sich hin. Endlich kehrte ihre Aufmerksamkeit zurück. »Und was kann man dagegen tun?«
»Wir werden deine Mutter operieren. Die weitere Behandlung hängt vom Erfolg des Eingriffs ab.« Daniel Nordens Blick fiel auf den Flyer, der vor ihm auf dem Schreibtisch lag. Dieses Gerät könnte die Rettung für Viola bedeuten. »Ich werde noch heute den Kauf eines Geräts beantragen, mit dem wir die Reste des Tumors nach der OP punktgenau bestrahlen können«, versuchte er, Svenja Mut zu machen. »Es ist das beste Gerät auf dem Markt und wäre bisher einzigartig in Deutschland.«
»Sind Sie denn sicher, dass sie den Eingriff überhaupt überlebt?«, stellte Svenja eine berechtigte Frage.
Nur mit Mühe gelang es Daniel, ein bekümmertes Seufzen zu unterdrücken. Er wusste, dass das nicht ihre einzige Sorge bleiben würde.
»Ich will dir nichts vormachen. Eine Operation, noch dazu am Kopf, birgt immer ein Risiko«, gestand er schweren Herzens.
Svenja presste die Lippen aufeinander und sah zu Boden. Er meinte, ihre Gedanken lesen zu können.
»Selbstverständlich kannst du so lange bei uns wohnen, wie du willst.« Ein anderer Gedanke kam ihm in den Sinn. »Du hast gestern nach deinem Vater gefragt …«
»Ja?« Svenjas Kopf fuhr hoch. »Wissen Sie doch etwas über ihn?«
Daniel stand auf und kam um den Schreibtisch herum. Vor Svenja blieb er stehen.
»Leider nicht. Aber ich denke, dass du deine Mutter noch einmal auf ihn ansprechen solltest. Gerade jetzt, in dieser Situation, wäre es angebracht, dir die Wahrheit zu sagen. Immerhin bist du erwachsen. Meiner Ansicht nach hat jeder Mensch ein Recht darauf zu erfahren, woher er kommt.«
»Bis jetzt hat Mama immer abgeblockt, wenn ich sie nach Kai gefragt habe«, gestand Svenja leise.
Daniel legte seine Hände auf ihre Schultern und fing ihren Blick ein.
»Vielleicht denkt sie jetzt anders darüber. Gib Viola noch eine Chance.«
Tapfer erwiderte Svenja seinen Blick.
»Also gut. Ich versuche es noch einmal.« Mit diesen Worten wandte sie sich ab und verließ Daniels Büro.
Mit gemischten Gefühlen sah er ihr nach. Schließlich kehrte er an seinen Schreibtisch zurück. In einer Hand den Flyer, in der anderen den Telefonhörer, lehnte er sich zurück und wartete auf die Antwort des Vertriebsmannes. Er ahnte nicht, dass Dr. Lammers am Schreibtisch seiner Sekretärin stand. Während er sich mit Andrea über einen Antrag unterhielt, den sie für ihn stellen musste, spitzte er die Ohren.
*
»Wenn Sie sich schon in solchen Etablissements herumtreiben, sollten Sie wenigstens aufpassen, dass Ihre Verehrerinnen Ihnen nicht an den Arbeitsplatz folgen.« Ärgerlich marschierte Felicitas Norden vor ihrem Stellvertreter Volker Lammers auf und ab. »Was sollen die Eltern unserer kleinen Patienten nur von uns denken?«
Volker Lammers winkte lässig ab.
»Die sollen sich mal nicht so anstellen. Da lernen die Gören endlich mal ein Stück Realität kennen. Das Leben ist kein rosafarbenes Zuckerschloss, meine Prinzessin.«
Fee schnappte nach Luft. Mit immer neuen Frechheiten gelang es ihrem Stellvertreter, sie ein ums andere Mal aus der Reserve zu locken.
»Das verbitte ich mir! Ich bin nicht Ihre Prinzessin.«
»Da habe ich aber Glück gehabt«, erwiderte er trocken. »Wenn Sie mich jetzt bitte entschuldigen. Ich habe zu tun.« Er ging zur Tür und war schon halb aus dem Zimmer, als er den Kopf noch einmal hereinsteckte. »Ihr Mann hat übrigens angerufen. Er muss Sie dringend sprechen.«
»Wann?«
»Vor einer halben Stunde.« Grinsend sah er ihr zu, wie sie zum Telefon eilte.
Dann machte er sich endlich auf den Weg zu Dieter Fuchs.
Das Gespräch mit seiner Chefin hatte es wieder einmal mehr als deutlich gemacht: Der Plan, die Nordens loszuwerden, musste dringend in die Tat umgesetzt werden. Und das, was er in Andrea Sanders Büro mitgehört hatte, lieferte ihm die Steilvorlage dazu. Ohne Vorankündigung stürmte er in Dieter Fuchs’ Büro.
»Jetzt weiß ich endlich, wie wir dem Klinikchef das Handwerk legen.«
Der Verwaltungschef stand am Schreibtisch und hielt den Telefonhörer in der Hand. Bei Lammers’ Anblick legte er auf.
»Bist du schwer von Begriff?«, fragte er ärgerlich. »Ich habe dir bereits gesagt, dass dieses Thema vom Tisch ist.«
Volker Lammers ignorierte das gefährliche Funkeln in den Augen seines vermeintlichen Verbündeten.
»Was macht dich so sicher?« Ein