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Elfenzeit 7: Sinenomen. Susanne PicardЧитать онлайн книгу.

Elfenzeit 7: Sinenomen - Susanne Picard


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      »Er ist schneller als du«, sagte die Muse. »Du wirst ihn nicht einholen.«

      »Er hat Talamh!« Nadja riss sich los. »Ich werde ihn finden, und du wirst mich nicht …«

      Anne unterbrach sie. »Ich weiß, wohin Catan deinen Sohn bringen wird.« Sie streckte den Arm aus und zeigte auf einen Punkt hinter den Hügeln. »Dorthin.«

      Nadja schirmte ihre Augen mit einer Hand ab und folgte der Geste. Sie standen in einem kleinen Tal zwischen einigen Hügeln. Gras bedeckte den sandigen Boden, irgendwo plätscherte ein Bach. Es war warm und trocken.

      Der Punkt, auf den Anne zeigte, lag weit jenseits der Hügel. Es war ein Berg, der mächtig und grau in den Himmel aufragte. Nadja konnte seine Höhe nicht schätzen, aber der obere Teil war schneebedeckt und von Wolken umgeben. Der Gipfel fehlte, so als habe eine gewaltige Macht ihn weggesprengt und nur einen Krater hinterlassen.

      Nadja kannte Bilder des Bergs, trotzdem zögerte sie, bevor sie seinen Namen aussprach. »Der … Olymp?«

      Anne nickte. »So nennen ihn viele.«

      Robert trat neben sie. Er richtete seinen Blick nicht auf den Berg, sondern auf eine Herde Dromedare, die in einiger Entfernung durch das Tal zog. Sie fraßen Gras und Blumen, die so gelb waren, dass sie zu leuchten schienen.

      »Sind wir in der Anderswelt?«, fragte Robert, während er sich ins Gras hockte und mit der Hand über die Halme strich. »Alles ist so viel klarer als bei uns.«

      Nadja wusste, dass sie nicht dort waren, sonst hätte sie über dem Boden geschwebt.

      »Das ist nicht die Anderswelt.« Anne seufzte. »Jedenfalls nicht ganz.«

      Sie sah sich um. »Wir befinden uns zwar in einer Sphäre der Anderswelt, aber was ihr hier seht, ist ein Traum, eine Vision, eine Welt innerhalb einer Welt.«

      »Heißt das, sie ist nicht real?«, fragte Nadja.

      »Wir sind darin, also ist sie real«, sagte Anne. Sie warf einen Blick in den makellos blauen Himmel. »In der Menschenwelt ist sie nur ein Traum. Ihr kennt sie vielleicht als das Reich des Priesterkönigs Johannes.«

      Robert stand auf. »Die Legende aus dem Mittelalter? Natürlich kenne ich die. Sie stammt aus …«

      »Können wir weiterreden, während wir gehen?«, unterbrach ihn Nadja. Seit sie wusste, was er war, brachte sie es nicht mehr über sich, Robert anzusehen.

      »Natürlich.« Er wischte sich die Hände an der Hose ab. Die Wunden, die von Dornen und Zweigen gerissen worden waren, verheilten bereits.

      »Sie stammt aus dem zwölften Jahrhundert«, fuhr er fort, als sie den Hügel hinaufgingen. Die Dromedare im Tal hoben kurz die Köpfe, als der Wind Roberts Stimme zu ihnen hinüber trug, grasten dann jedoch weiter. »Es begann mit Gerüchten über eine großes christliche Domäne im Osten. Dann tauchte ein Brief auf, in dem jemand, der sich Presbyter Johannes nannte, von diesem seinem Reich erzählte. Es sollte sich von Indien bis zum Sonnenuntergang erstrecken und über immense Reichtümer und wundersame Bewohner verfügen. Die Quelle der Unsterblichkeit vermutete man dort.«

      Nadja wurde hellhörig. Die Geschichte des Priesterkönigs war ihr nicht fremd, aber sie hatte sich nie damit beschäftigt. Robert anscheinend schon.

      »Mehrere Päpste rüsteten Expeditionen aus, um das Reich des Johannes zu finden«, erzählte Robert weiter. Er klang aufgeregt. »Keine hatte Erfolg. Man vermutete es in Indien, Afrika, China. Sogar Marco Polo suchte danach. Irgendwann erklärte man den Brief zur Fälschung und Priesterkönig Johannes zu einem Mythos.«

      Er sah Anne an. »Aber er war kein Mythos, oder?«

      Sie schüttelte den Kopf. »Nein, aber er war auch nicht Priesterkönig Johannes. Diesen Namen nahm er erst an, nachdem er in der Menschenwelt so genannt wurde. Ich war damals seine Muse und half ihm bei der Erschaffung des Reichs.«

      »Wer war er?«, fragte Robert.

      »Ich weiß es nicht. Mir fehlt die Erinnerung an seine Identität.«

      Immer dasselbe, dachte Nadja frustriert. Jede Antwort, die Anne ihnen gab, warf weitere Fragen auf, die sie nicht beantworten konnte oder wollte. Robert schien sich damit zufriedenzugeben, denn er nickte nur und ging weiter den Hügel hinauf.

      Die Pranken des Panthers hatten tiefe Spuren im sandigen Boden hinterlassen. Sonnenstrahlen brachen sich in kleinen Steinen, die verstreut im Gras lagen. Nadja bückte sich und hob einen von ihnen auf. Es war ein Smaragd, so groß wie ein Daumennagel.

      »Nett«, sagte Robert. »Wir hätten ein paar Taschen mitnehmen sollen.«

      »Hier ist jeder reich«, erklärte Anne. »Niemand muss hungern, es gibt keine Armut. Das war eines der Dinge, die dem König bei der Erschaffung seines Reichs sehr wichtig war. Daran kann ich mich noch erinnern. Er wollte über ein Paradies herrschen, in dem niemandem etwas fehlte.«

      Nadja ließ den Smaragd fallen. Sie hatten die Hügelkuppe fast erreicht. »Wenn niemandem etwas fehlt«, sagte sie, »was wollen sie dann mit meinem Sohn?«

      »Nicht sie«, widersprach Anne, »er. Bei allem Reichtum: ein Kopfgeld, höher als das von Bandorchu, kann sich auch hier nur der König leisten.«

      »Und ich weiß, was er will«, sagte Robert. Er stand bereits auf der Kuppe und blickte über das Land, das vor ihm lag. Nadja überwand die letzten Meter und trat neben ihn. Überrascht stieß sie den Atem aus.

      Die Hügel fielen sanft hinab bis zu einer Ebene, die in der Sonne glitzerte. Nadja sah Bäume, die kahle Äste in den Himmel streckten und gelb verdorrtes Gras. Gewaltige Staubwolken wehten durch die Weite. In der Ferne stieg Rauch auf. Skelette lagen zwischen Diamanten und trockenem braunen Laub. Einige wirkten menschlich, andere animalisch, manche einfach nur fremd. Ein verrostetes Schwert steckte im Boden, daneben lag ein Helm.

      Robert griff nach dem Schwert, aber es zerfiel in seiner Hand. Rost rieselte zwischen seinen Fingern hindurch.

      »Die Zeit hat das Paradies erreicht.«

      Sie erreichten die Ebene, als es dunkel wurde. Anne entdeckte einen kleinen Fluss mit kristallklarem Wasser. Sie trank zuerst daraus und bat Nadja, beim Trinken an etwas zu denken, das sie gern essen würde. Robert grinste, als Nadja den ersten Schluck Wasser ausspuckte, dann aber vorsichtig ein zweites Mal trank.

      »Wasser, das nach Chili con carne schmeckt, ist etwas gewöhnungsbedürftig«, sagte sie und stand auf.

      Er lachte. »Bist du satt geworden?«

      »Ja, aber vielleicht hole ich mir gleich noch einen Nachschlag. Was willst du?«

      »Danke, ich brauche nichts.« Er sah, wie sich ihr Gesichtsausdruck änderte. Einen Moment lang hatte sie wohl vergessen, was er war.

      »Nadja.«

      Sie schüttelte den Kopf und setzte sich einige Meter entfernt auf einen Felsen. Robert seufzte leise. Er zuckte zusammen, als Anne ihre Hand auf seinen Rücken legte.

      »Ihr werdet nie wieder Freunde sein«, sagte Anne. Bei einem Menschen hätte das grausam geklungen, bei ihr klang es wie eine Tatsache. »Sie wird in dir immer den Vampir sehen. Sie kann dir nicht mehr vertrauen, und ohne Vertrauen gibt es keine Freundschaft:«

      Ich bin mir nicht sicher, ob ich dir vertraue, dachte Robert, aber trotzdem liebe ich dich. Erkläre mir das.

      Beinahe hätte er die Worte ausgesprochen, doch im letzten Moment fing er sich. »Eine simple Gleichung«, sagte er stattdessen.

      Anne nickte sichtlich zufrieden, zog ihre Jacke aus und legte sie sich um die Schultern.

      »Wir sollten Holz sammeln für ein Feuer, bevor es ganz dunkel wird«, sagte Nadja. Sie hatte die Knie angezogen und sah auf die Ebene hinaus.

      »Nicht nötig. Es wird nicht kälter werden.« Anne zog ihre Stiefel aus. »In diesem Reich muss niemand frieren.«

      Robert


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