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Chefarzt Dr. Norden Staffel 6 – Arztroman. Helen PerkinsЧитать онлайн книгу.

Chefarzt Dr. Norden Staffel 6 – Arztroman - Helen Perkins


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auf und ab, lauschte auf Torbens gleichmäßige Atemzüge und wünschte sich nur, dass Mark endlich bei ihr wäre.

      Als es hell wurde, hielt es Lisa nicht länger in dem Zimmer, das ihr zunehmend wie eine Falle vorkam. Sie ging hinüber ins Badezimmer und versuchte noch einmal, ihren Bruder anzurufen. Wieder nur die Mailbox. Nun war sie überzeugt, dass etwas nicht stimmte. Panik fiel sie an wie ein wildes Tier. Tapfer kämpfte sie das Gefühl nieder, bemühte sich krampfhaft, wieder ruhig zu werden, nicht die Nerven zu verlieren. Was sollte sie tun?

      Es gab niemanden, den sie anrufen, niemanden, an den sie sich wenden konnte. Sobald Kai erfuhr, dass sie ihn verlassen hatte, durfte sie auch zu Elfriede Kramer keinen Kontakt mehr aufnehmen. Was sollte sie nur tun?

      Das Einzige, was ihr blieb, war abzuwarten. Mark würde kommen, darauf baute sie fest. Er hatte sie noch nie im Stich gelassen. Sie musste nur die Nerven behalten und abwarten.

      Als Lisa schließlich in ihr Zimmer zurückkehrte, saß Torben wach im Bett und schaute sie unsicher an. »Wo sind wir, Mama? Was machen wir hier? Muss ich denn nicht zur Schule?«, quengelte er unleidlich. »Hier gefällt es mir gar nicht …«

      »Wir fahren nach Ulm, Onkel Mark besuchen. Das habe ich dir doch gestern schon erklärt. Du hast ein paar Tage schulfrei. Freust du dich denn gar nicht darüber?«

      »Ich wäre lieber zu Hause, da ist es viel schöner.«

      »Aber bei Onkel Mark ist es auch schön. Und du magst ihn doch, nicht wahr?«

      »Ja, er ist nett.«

      Torben blinzelte scheu zu seiner Mutter auf, die sich neben ihn aufs Bett gesetzt hatte. »Warum hat Papa das gemacht? Tut es sehr weh?«, fragte er leise.

      »Wir haben uns gestritten, so was kommt vor. Aber damit ist nun Schluss, ein für alle Mal, das verspreche ich dir.«

      »Wirklich? Wird Papa dich nie wieder hauen?«

      »Er wird es nicht können, weil wir nicht mehr zu ihm zurück gehen. Mama und Papa lassen sich scheiden, Torben. Jetzt gibt es nur noch uns beide. Wir halten fest zusammen, dann wird alles gut. Und wir lassen nicht mehr zu, dass uns einer schlecht behandelt. Nie wieder.«

      Torben schwieg eine Weile, dann stellte er fest: »Das ist gut. Wir halten fest zusammen!«

      »Ja, das tun wir.« Lisa drückte ihren Sohn und küsste ihn auf die Stirn, dann bestimmte sie: »Jetzt wird aber aufgestanden, dann frühstücken wir. Und bald wird Onkel Mark uns abholen.«

      »Au fein!« Der Bub war nun wieder ganz munter, hüpfte aus dem Bett und ließ sich sogar ohne Widerrede waschen. Beim Frühstück in dem kleinen Speisesaal der Pension plapperte Torben dann unbekümmert und schien sich schon sehr auf das Wiedersehen mit seinem Onkel zu freuen.

      Lisa hingegen blieb einsilbig. Immer wieder wanderte ihr Blick über die wenigen Tische in dem nicht sonderlich großen Raum. Sie maß jeden anderen Gast mit Argusaugen, immer die Frage im Hinterkopf, ob sie schon entdeckt worden waren. Sie wusste natürlich, dass das unmöglich war. Doch das Martyrium, das sie in ihrer Ehe durchlitten hatte, ließ Kai in ihrem Kopf zu einer Art Pate werden, der wie ein großer, dunkler Schatten über der ganzen Stadt lag, der alles wusste und kontrollierte.

      Sie versuchte mit aller Kraft, ihre Ängste in den Griff zu bekommen, um keinen Fehler zu begehen, der ihre Flucht im letzten Moment vereitelte. Um nichts in der Welt wollte sie noch einmal einen Fuß in die alte Villa setzen.

      Doch je länger sie mit Torben hierblieb, umso größer wurde die Gefahr, dass Kai sie letztendlich doch wieder ausfindig machte und zurückholte. Und dass er sie bestrafte. Ihr Herz klopfte angstvoll bei diesem Gedanken. Das durfte einfach nicht geschehen! Nicht dieses Mal! Wenn nur Mark endlich eintraf. Wo mochte er bloß sein?

      *

      »Monitor anschließen, Blutdruck, EKG, Sättigung. Wir brauchen in den nächsten zehn Minuten eine Schädel- und Wirbelsäulen CT, geben Sie oben Bescheid, presto.« Dr. Erik Berger, Leiter der Notfallambulanz in der Münchner Behnisch-Klinik, untersuchte die Kopfwunde des Bewusstlosen, der gerade gebracht worden war. Schwester Anna ging ihm zur Hand, reichte ihm geduldig und präzise jedes Instrument, das er mit kurzen, bellenden Befehlen verlangte. Als ihre Kollegin Schwester Inga sagte: »Dr. Heinrich ist noch im Haus. Sollen wir …«, reagierte er unwirsch.

      »Jetzt nicht.« Dr. Bergers eisblaue Augen streiften sie mit einem unwilligen Blick, der zugleich Zurechtweisung war. »Verdammt noch mal …«

      Schwester Inga biss sich auf die Lippen. Sie konnte es nicht leiden, wenn ihr Chef verbal entgleiste. Das war bei ihm leider Dauerzustand und begleitete fast immer seine ansonsten brillante Arbeit. Angesichts der späten Stunde und der Tatsache, dass der Notfallmediziner bereits eine Doppelschicht schob, weil die Unfälle in dieser Nacht einfach kein Ende zu nehmen schienen, verkniff sie sich aber die sonst übliche Zurechtweisung.

      Dr. Berger hatte es wohl bemerkt. »Keine Abmahnung?«, hakte er nach, während er die stark blutende Platzwunde an Mark Hansens Hinterkopf behandelte. »Sie lassen nach. Müde?«

      »Ich hole den Patienten ab, wenn Sie so weit sind«, war alles, was sie erwiderte. Es waren nicht nur Dr. Bergers Kraftausdrücke, die Schwester Inga gegen den Strich gingen. Sie mochte es auch nicht, wenn er locker daher redete, während er einen Patienten in kritischem Zustand versorgte. Und der junge Mann auf der Behandlungsliege war in sehr kritischem Zustand.

      »Blutdruck 80 zu 40, sackt ab«, mahnte Schwester Anna. »Die Sättigung liegt unter vierzig. EKG-Linien alle unter Niveau. Der Blutverlust war sehr hoch.«

      »Ich werde den Verdacht nicht los, dass er noch mehr abbekommen hat«, murmelte Dr. Berger konzentriert. »Der Kollege Heinrich soll ihn mal ganz durchleuchten. Ich will nichts übersehen. Die subkutane Einblutung ist erheblich. Da könnte sich ein Ödem bilden, das müssen wir im Auge behalten.«

      Wenig später war Mark Hansen so weit stabilisiert, dass Schwester Inga ihn hinauf zur Radiologie bringen konnte. Noch immer war der Verletzte ohne Bewusstsein. Man kannte weder seinen Namen noch wusste jemand, was ihm zugestoßen war. Außer dem, was rein äußerlich sichtbar war und darauf hinwies, dass er zum Opfer eines Überfalls geworden war. Was sich in dieser Nacht tatsächlich abgespielt hatte, das sollte allerdings noch eine ganze Weile im Unklaren bleiben …

      Dr. Nils Heinrich, der Chef der Radiologie, untersuchte Mark Hansen gründlich. Bald stand fest, dass er keine inneren Verletzungen hatte, sein schlechter Zustand einzig auf das Schädel-Hirn-Trauma zurückzuführen war, das der Schlag ausgelöst hatte. Dr. Heinrich riet dazu, ihn auf die Intensivstation zu verlegen, denn die Einblutung unter der Schädelhaut, von der Dr. Berger gesprochen hatte, war schwer zu stillen.

      So wurde der junge Ingenieur noch in dieser Nacht auf Intensiv verlegt, wo sein Zustand permanent überwacht werden konnte. Bis zum Morgen kam Mark nicht zu sich. ­Seine Vitalwerte stabilisierten sich, doch sein Allgemeinzustand blieb schlecht.

      Dr. Daniel Norden, der Chefarzt und Leiter der Behnisch-Klinik, erfuhr am nächsten Morgen von dem Fall. Er besprach die Details bei der täglichen Visite mit dem Intensivmediziner Dr. Schulz.

      »Diese Einblutung macht uns Sorgen«, sagte er zu Dr. Norden und wies auf eine Stelle des Monitors, die dunkel aussah. Es handelte sich um die CT-Aufnahmen, die Dr. Berger noch in der vorigen Nacht angefertigt hatte. Dr. Norden betrachtete sie aufmerksam, dann sagte er: »Das sieht nach einem Ödem aus.«

      »Wir haben die Blutung gestoppt, aber der Pfopf ist ziemlich groß. Bei dem jetzigen Zustand des Patienten verbietet sich eigentlich eine operative Entfernung.«

      »Warten wir, bis die Schwellung abklingt.«

      Dr. Schulz nickte. »Das scheint mir momentan auch die einzige Option zu sein.«

      »Sagen Sie mir Bescheid, wenn der Patient zu sich kommt«, bat der Chefarzt noch, dann ging es weiter zum nächsten Bett.

      Dr. Daniel Norden nahm sich für jeden Patienten die Zeit, die nötig war, um den Fall ganz zu erfassen und seiner Pflicht als Mediziner gerecht zu werden. Er hatte dadurch schon oft den Unmut seiner


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