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Chefarzt Dr. Norden Staffel 6 – Arztroman. Helen PerkinsЧитать онлайн книгу.

Chefarzt Dr. Norden Staffel 6 – Arztroman - Helen Perkins


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zu trinken, bevor er in die Agentur fuhr. Schließlich musste nach außen hin alles so weitergehen wie bisher. Kein Fleck sollte seine weiße Weste beschmutzen.

      »Was ist?«, fragte er irritiert.

      »Sie werden sie nicht finden, diesmal nicht. Selbst wenn Sie den ganzen Münchner Polizeiapperat in Bewegung setzen könnten. Sie ist fort. Und das ist gut so. Sie haben ihr lange genug das Leben zur Hölle gemacht.«

      »Der Kaffee ist zu bitter, Kramerin. Nehmen Sie das nächste Mal etwas weniger. Sonst könnte ich auf den Gedanken kommen, eine neue Haushälterin einzustellen.«

      »Tun Sie, was Sie nicht lassen können«, war alles, was sie darauf antwortete.

      Kai Wagner betrachtete sie spöttisch. »Kommen Sie lieber von Ihrem hohen Ross herunter, meine Gute. Es ist nur eine Frage der Zeit, bis ich weiß, wo Lisa ist. Und Sie sollten beten, dass es nicht allzu lange dauert. Denn je länger ich auf ihre Heimkehr warten muss, desto höher wird ihre Strafe ausfallen. Und, wer weiß, vielleicht auch die Ihre …«

      *

      »Die Commotio ist nicht das eigentliche Problem. Das sitzt nach wie vor hier.« Dr. Daniel Norden deutete auf die Einblutung unterhalb der Haut an Mark Hansens Hinterkopf. »Das Ödem hat sich noch vergrößert und beeinträchtigt diese Areale.«

      Die Neuropsychologin Dr. Amelie Gruber nickte. »Ich habe eben das erste Gespräch mit dem Patienten geführt. Er leidet unter einer retrograden Amnesie, das heißt, alles, was vor dem Trauma geschehen ist, ist zunächst einmal verloren.«

      »Sie sagen, zunächst einmal, Frau Kollegin.«

      Die dunkelhaarige Fachärztin warf einen Blick auf ihre Notizen. »Bei der Erstprüfung der Gedächtnisleistung, von Aufmerksamkeit und Exekutivfunktionen, also den gesamten höheren mentalen Prozessen, hat sich eine komplette Amnesie abgezeichnet. Dieser Zustand ist allerdings nicht von Dauer. Erfahrungsgemäß wird der Patient innerhalb von achtundvierzig Stunden grundlegende, tief eingeprägte Fähigkeiten und Fakten zurückerlangen. Klartext: Wir können damit rechnen, dass er dann wieder seinen Namen kennt, seine Adresse, seinen Beruf. Alles Persönliche.«

      »Und der Überfall?«

      »Der wird weiterhin im Dunkel bleiben. Das Trauma aufzulösen, damit die Erinnerung daran zurückkehrt, ist ein etwas längerfristiger Prozess. Und zwar therapeutisch wie medikamentös.«

      »Die Polizei wartete auf seine Aussage.«

      Dr. Grubers tiefblaue Augen begannen ironisch zu funkeln. »Sie werden warten müssen. Das Gehirn lässt sich nichts befehlen. Wir können es bitten, uns seine Geheimnisse zu verraten. Aber ein Trauma ist eine zähe Angelegenheit, die Zeit braucht.«

      Dr. Norden hatte bereits etwas Ähnliches erwartet. »Wie werden Sie behandeln, Frau Kollegin?«, wollte er noch wissen.

      »Neben der regelmäßigen Prüfung seiner kognitiven Fähigkeiten und einer Gesprächstherapie mit Donepezil und Rivastignin. Beide Wirkstoffe erhöhen die Konzentration des Neurotransmitters Acetylcholin.«

      »Gut, halten Sie mich bitte auf dem Laufenden, Frau Kollegin. Sie wissen ja, es gibt ein besonderes Interesse daran, dass der Patient sein Gedächtnis wieder erlangt.«

      »Das habe ich bei all meinen Patienten«, erwiderte Dr. Gruber mit einem kleinen, vielsagenden Lächeln. Sie verließ das Büro des Chefarztes und kehrte auf die Innere zurück. Mark Hansen war am Morgen dorthin verlegt worden, nachdem sein Zustand sich nachhaltig stabilisiert hatte. Physisch ging es langsam bergauf mit ihm, doch er hatte sich sehr verwirrt und unsicher gezeigt. Amelie Gruber war eine erfahrene Psychologin und recht schnell auf den Grund seines Verhaltens gestoßen. Der schwere Schlag auf dem Hinterkopf hatte bei Mark Hansen einen kompletten Gedächtnisverlust ausgelöst. Er hatte das Gefühl, dass sein Kopf leer sei, hatte er beim ersten Gespräch angegeben. Dieser Zustand war mehr als beängstigend, denn er konnte sich tatsächlich an nichts erinnern.

      Als Dr. Gruber nun sein Krankenzimmer betrat, schaute er ihr noch immer verstört entgegen.

      »Wie fühlen Sie sich?«, fragte sie freundlich, griff sich einen Rollhocker und ließ sich neben dem Bett nieder.

      »Mein Kopf tut höllisch weh. Außerdem ist mir übel.«

      »Sie haben eine Gehirnerschütterung.«

      »Und da ist dieser Druck, sehr unangenehm.«

      »Ein Ödem. Es ist entstanden, weil Blut unter die Haut geflossen ist. Der Bereich ist entzündet und geschwollen. Es wird ein paar Tage dauern, bis der Körper es abtransportiert hat. Danach werden Sie sich besser fühlen.«

      »Das würde ich jetzt schon, wenn ich wüsste, wer ich bin.«

      »Auch das werden Sie bald wieder wissen. Sie müssen nur ein bisschen Geduld haben.«

      »Sagen Sie das zu all Ihren Patienten?«

      »Nur zu denen, die Geduld brauchen.«

      »Was geschieht mit mir? Der Pfleger sagte, ich sei in München. Aber ich habe nicht das Gefühl, dass ich hier lebe. Was tue ich also hier? Und wie bin ich hierher gekommen?«

      »Mit dem Zug, soviel steht fest.«

      »Mit welchem Zug?«

      »Dafür kommen mehrere infrage. Die Polizei recherchiert.«

      »Und was wissen Sie noch, Frau Doktor?«

      »Nun, Sie sind mit einem späten Zug nach München gekommen und im Bahnhof überfallen worden. Man hat sie niedergeschlagen und ausgeraubt. Das ist schon so ziemlich alles. Diese Kerle haben Ihre Sachen gestohlen und nichts zurückgelassen, was einen Hinweis auf Ihre Identität ermöglichen würde. Sie werden also selbst darauf kommen müssen, wer Sie sind, woher Sie kommen und was Sie hier in München tun wollten.«

      »Ich …« Mark schloss kurz die Augen, denn plötzlich flammte etwas davor auf, das wie ein Erinnerungssplitter wirkte, wie eine matte Reflexion eines Bildes in einer trüben Pfütze, nicht länger als einen Sekundenbruchteil, dann war es fort.

      »Erinnern Sie sich an etwas?«, fragte Dr. Gruber nach.

      »Ja, ich glaube. Ich habe etwas gesehen, ein Bild.«

      »Können Sie es beschreiben?«

      Mark überlegte kurz, dann sagte er: »Es war ein hohes Bauwerk, wie eine Brücke aus Stahl. Daneben Urwald. Und weiter hinten blau, vielleicht der Ozean …«

      Die Ärztin machte sich eine Notiz. »Was könnte das gewesen sein? Haben Sie eine Ahnung?«

      »Nein, keine. Vielleicht ein Kalenderbild. Denken Sie, dass es eine Erinnerung an etwas war, was ich erlebt habe? An einen Platz, an dem ich gewesen bin?«

      »Möglich. Es ist eigentlich noch zu früh. Mehr können wir heute nicht erwarten. Versuchen Sie, sich zu entspannen. Ich sehe später wieder nach Ihnen.«

      Mark nickte und schloss die Augen. Er war erschöpft, die Schmerzen in seinem Kopf setzten ihm zu. Noch mehr setzte ihm aber die Frage zu, wer er war und was er in München hatte tun wollen. Etwas wie eine Ahnung sagte ihm, dass es wichtig gewesen war. Und ein Gefühl der Unzulänglichkeit erfüllte ihn. Es war, als hätte er jemanden im Stich gelassen, der seine Hilfe dringend brauchte, jemanden, der ihm nahe stand und sich voll und ganz auf ihn verließ. Jemanden, den sein Versagen ebenso hart treffen konnte, auch wenn es nicht seine Schuld war. Er fühlte sich wie ein Verräter an einem geliebten Menschen. So als hätte er einem Ertrinkenden nicht die Hand gereicht. Obwohl er nicht wusste, was hinter dem dunklen Schleier in seinem Kopf lag, verstärkte sich dieses ungute, bohrende Gefühl immer weiter und sorgte dafür, dass Mark Hansen sich noch schlechter fühlte.

      *

      »Mama, wann fahren wir heim? Mir ist langweilig.« Torben schaute missmutig zu seiner Mutter herüber, die den ganzen Tag nur am Fenster stand und hinaus starrte. »Gehen wir mal raus?«

      Lisa reagierte nicht, sie hörte die Worte ihres Sohnes zwar, aber ohne sie wirklich wahr zu nehmen. Ihre schlanken


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