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Elfenzeit 8: Lyonesse. Uschi ZietschЧитать онлайн книгу.

Elfenzeit 8: Lyonesse - Uschi Zietsch


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verbliebenen Funken Hoffnung lag es nicht, denn es würde niemals wieder besser werden. Eher schlimmer, wenn sich das Alter mit Zipperlein und desgleichen bemerkbar machte. Wenn er nun also ermordet würde, wäre alles überstanden, und es gab wenigstens einen kurzen Nachruf in der Zeitung. Und seine Familie in Berlin würde es erfahren, vielleicht sogar in den Abendnachrichten, wenn es bei Albert besonders grausige Details gäbe. Zur Vorsicht hatte er immer seinen abgelaufenen Ausweis dabei, damit man wusste, dass er einst einen Namen, einen Wohnsitz und ein ordentliches Leben gehabt hatte.

      Das mit dem Asyl hatte er nur so gesagt, weil es die Polizisten gern hörten. Aber das stundenlange Anstehen hatte Albert satt, vor allem, wenn dann sowieso kein Platz mehr frei war. Er döste ja irgendwie den ganzen Tag vor sich hin, da machte es nichts, wenn es nachts unbequem war. Unter Schlafmangel litt er nicht, er tat ja nichts weiter und konnte jederzeit ein Nickerchen halten, wann immer ihm danach war.

      Das Essen war es, um das er immer panisch besorgt war. Als er auf der Straße angefangen hatte, hatte Albert so unter Hunger gelitten, dass er alles gelb gesehen und sich die Galle aus dem Leib gekotzt hatte. Das sollte ihm nie wieder passieren. Da half auch kein Alkohol, aber den hatte er sowieso noch nie vertragen. Und seit er die Galle los war, wurde ihm schon übel, wenn er nur daran dachte.

      »Ach, was soll’s«, murmelte Albert und steuerte einen Straßenimbiss an. Gönnte er sich heute eben schon früher etwas, und etwas Besonderes. Döner? Bratwurst? Pizza? Eins nach dem anderen? Albert kicherte in sich hinein. Nein, das ging nicht, würde nur auffallen. Und auch gar nicht in seinen geschrumpften Magen passen.

      Besser, das Geld nach und nach auszugeben, das würde für Tage reichen. Also holte er sich zwei Leberkäsesemmeln aus dem Sonderangebot, einen großen Kaffee und ein Wasser. Während die eine Hand sich um den knisternden Schein krümmte, zählte die andere die Münzen exakt ab. Und dann gab er noch zehn Cent obendrauf und lächelte heiter dazu.

      Die Leute schauten ihn ausnahmsweise einmal nicht komisch an, weil man bei der Dunkelheit, den dahintreibenden Schneeflocken und den dick eingepackten Figuren sowieso nicht mehr erkennen konnte, ob sich da ein Penner unter die Menge mischte. Albert trug außerdem einen Hut, der seine Haare und die Hälfte seines Gesichtes verbarg.

      »Hör mal, Alter …«, fing der Mann im Fenster an, der natürlich sehen konnte, wen er da vor sich hatte, aber er winkte ab.

      »Lass man gut sein, Junge, das ist doch lächerlich, was ich dir da geb, aber gönn mir die Freude, ja? Heut war’s ein guter Tag, und ich will davon was weitergeben.«

      »Na, dann.«

      Er nahm die Tüte in Empfang und machte sich seltsam beschwingt wieder auf den Weg. Heute war ihm noch gar nichts Schlechtes passiert, und trotzdem hatte er keine Angst, dass es dafür umso geballter kommen könnte. Denn es kam sogar besser. Als er die Tüte öffnete, entdeckte er einen kleinen Schokoriegel, den der Mann am Fenster extra eingepackt hatte, ohne etwas zu sagen oder zu berechnen. Und zwar, bevor Albert ihm die Münze gegeben hatte.

      Albert stiefelte über den Karlsplatz bis hinunter zum Alten Botanischen Garten, setzte sich dort im Dämmer auf eine Bank und schmauste voller Genuss. Der kleine Park selbst war unbeleuchtet, aber der Schein der Straßenlampen ringsum fiel herein, und der Schnee reflektierte das Licht zusätzlich.

      Ab und zu knackste es im Gehölz, aber Albert fürchtete sich nicht. Er wusste, dass hier Katzen nach Ratten jagten. Er hatte schon völlig Abgestürzte mit den Katzen um die fiepende und bissige Beute kämpfen gesehen.

      Selbst wenn man sich schon ganz unten angekommen glaubte, ging es trotzdem immer noch ein Stückchen tiefer hinab. Drogen und Alkohol. Aber so tief würde Albert niemals sinken. Das nicht!

      Mit dem Kaffee zusammen kaute Albert den Schokoriegel und kam sich vor wie im Himmel. Er konnte sich fast nichts Besseres wünschen. Nun den Rest der heutigen Einkünfte noch ins Versteck bringen und dann auf zur Suche nach einem Nachtlager. Es wäre zwar ein wenig früh, aber es war dunkel, und wenn es einen guten Platz gab, warum nicht? Er konnte sich ja ein wenig im U-Bahnhof herumtreiben, außerhalb des Sichtbereichs der Kameras. Da war es einigermaßen warm, das half die Nacht besser zu überstehen. Eventuell konnte er da sogar zwei Stunden in Ruhe schlafen.

      Und dann würde er mal wieder nachzählen, was er gebunkert hatte. Vielleicht würde es ja doch mal reichen, um …

      Ja, was sollte er eigentlich damit anfangen? Eine dicke Jacke hatte keinen Sinn, die würden die Banden ihm sofort wieder wegnehmen. Desgleichen Schuhe. Hatte er alles schon einmal ausprobiert und dann nie wieder. Ein anständiges Essen, also ein Menü? Nur, wenn es nach draußen geliefert wurde, denn in ein Restaurant würde ihn keiner lassen. Also, was?

      Ein Hund, dachte Albert. Ich werde mir einen Hund aus dem Tierheim holen. Und wenn die mir keinen geben, so werde ich schon anderswo einen finden. Und dann bin ich nicht mehr allein. Ich werde mich gut um ihn kümmern, und wir werden uns im Winter gegenseitig wärmen, und im Sommer fahre ich mit ihm an den See. Von dem Gesparten kaufe ich ihm ein Halsband und Dosenfutter. Aber nur Gutes, keinen Billigdreck. Mein Hund soll es bestens haben. Er soll glänzende Augen und ein glänzendes Fell haben, und die Leute sollen sagen, wie gepflegt er ist und mich dafür bewundern.

      Alberts Herz begann aufgeregt zu pochen. Das war es! Gleich nach Weihnachten, wenn die niedlichen flauschigen Geschenke unterm Christbaum zum ersten Mal ins Haus gepisst hatten und deswegen rausflogen, würde er sich einen so armen kleinen Kerl holen und sich seiner annehmen. Wenigstens einer sollte Glück im Unglück haben.

      Er nickte heftig, stand auf und kehrte zum Stachus zurück. Ein guter Plan, ein sehr guter Plan. An ihm würde er heute Nacht noch ein bisschen herumfeilen. Unten in der Bahn, wo es wärmer war.

      Alberts gewohnter Abstieg war gesperrt, das hatte er vergessen. Das Problem war, die anderen Abgänge waren bewacht. Überall patrouillierten Polizisten und nahmen jeden genau in Augenschein, der runter wollte. Vor allem auf die Penner hatten sie es abgesehen, keiner durfte sich derzeit dort unten aufhalten. Dabei war Albert sicher, dass ihm nichts geschehen würde. Es gab ja niemanden mehr außer ihm hier, die anderen waren alle feige abgehauen. Und nun gehörte ihm dieses Revier ganz allein. Was bedeutete, die anderen brauchten sich bloß nichts einzubilden, wenn sie irgendwann zurückkamen, sobald die Luft rein war, und meinten, es ginge so weiter wie vorher. Nichts da!

      Für Albert stellte sich nun das Problem in den Weg, dass er unbedingt da hinunter musste. Denn dort war auch sein Safe, wo er das Geld bunkerte. Und das war jetzt wichtig, wo er doch bald einen Hund zu versorgen hatte.

      Da lachte ihm erneut das Glück.

      Eine Gruppe Touristen kam angestapft, in lebhafte Unterhaltung vertieft. Albert lavierte sich geschickt mit dazu und war schon in der U-Bahn unten, noch bevor sein Herz aufgeregt pochen konnte. Man lernte auf der Straße schnell, unsichtbar zu sein. Albert war inzwischen Profi, trotzdem hatte er jedes Mal Lampenfieber.

      Er steuerte zwischen den Menschen hindurch und hinter den Säulen entlang, immer am Erfassungsbereich der Kameras vorbei, zum anderen Ende des Bahnsteigs, wo es keinen Aufgang mehr gab. Er setzte sich auf die letzte Bank, ganz nach außen, und beobachtete aus der Distanz die Leute, die auf den Zug warteten. Wenn Polizei auftauchen würde, musste er schnell verschwinden. Mist, ich habe die Bahnsteigkarte vergessen!, dachte Albert ärgerlich. Dabei hätte ich sie mir heute leisten können.

      Und dann hätte die Polizei ihm nichts anhaben können. Mit einer ordnungsgemäß gelösten Bahnsteigkarte durfte er sich hier aufhalten, zumindest für eine bestimmte Zeit. In so einem Moment hatte er nicht einmal den Status des Obdachlosen. Eine oder zwei Stunden Normalität. Und er hatte es vergessen!

      Er könnte sich heute sogar eine ganz normale Fahrkarte kaufen und eine Weile kreuz und quer durch die Stadt fahren. In der U-Bahn sitzen und so tun, als wolle er irgendwohin.

       Und wenn ich den Hund habe, gehe ich mit ihm im Englischen Garten spazieren. Und unterhalte mich mit anderen Hundebesitzern und tausche Tipps …

      Die Polizei kam und ging. Albert spielte Verstecken mit ihr und gewann jedes Mal. Der Abend schritt voran, die Geschäfte schlossen, der Bahnsteig


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