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Elfenzeit 8: Lyonesse. Uschi ZietschЧитать онлайн книгу.

Elfenzeit 8: Lyonesse - Uschi Zietsch


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deinen Diensten«, antworteten die göttlichen Brüder höflich, doch der Nebel hatte sich bereits aufgelöst.

      »Also, wohin nun?«, forderte Boreas seinen Bruder neugierig zur Preisgabe auf.

      »Gib ihn mir.« Zephyr wollte nach dem Fetzen greifen, doch Boreas blies ihm einen wirbelnden Wall entgegen.

      »Kommt nicht in Frage! Du willst dich allein auf den Weg machen!«

      »Ja. Denn du musst hierbleiben, Boreas, und Wache halten.«

      »Wofür denn?«

      »Für alles, bei den Olympiern!«

      »Die sind fort, schon vergessen?«

      »Aber wir sind noch da, auch vergessen?«

      »Wir sind ja schließlich Winde, wir währen ewig.«

      Zephyr seufzte mit einem pfeifenden warmen Windstoß. »Schütze einfach die Sphären«, sagte er schließlich.

      »Ach so!«, rief Boreas viel zu laut und löste versehentlich einen weiteren trockenen Donnerschlag aus.

      »Ein Überschallknall von einem Militärflieger«, sagten die Menschen unten und sammelten die Scherben ihrer Gläser ein, die aus den Regalen gesprungen waren.

      Zephyr konnte sich kaum mehr zurückhalten, er rotierte schon wie ein Tornado. Doch bevor er den Mund öffnen konnte, wiederholte Boreas flüsternd:

      »Ach so.«

      Er grinste seinem Bruder verlegen zu, hob die Schultern und brauste davon, wobei er gerade noch einem Airbus auf dem Weg in weite Ferne auswich. Es kam zu mäßigen Verwirbelungen, aber dergleichen waren die Piloten gewöhnt, sie manövrierten das Flugzeug sicher hindurch.

      Zephyr nahm den Fetzen und trug ihn weiter zu seinem Bestimmungsort. Über der Sahara, an einem bestimmten Punkt, sprang das Tuch plötzlich aus seinem Arm und sank zu Boden hinab.

      »Na schön«, säuselte Zephyr achselzuckend, »deine Wahl. Mach das mit deinem Bruder aus – ich habe getan, was ich sollte. Gib mir nicht die Schuld, wenn es schiefgeht!« Er blies die Backen auf, schlug um und wehte davon.

      Sanft schaukelte das Tuch hernieder. Kreisrunde Felder breiteten sich unten über die Wüste aus, die graugelb bis mattgrün waren. Die künstlichen Oasen von Al Kufrah, die die Wüste Libyens einstmals grün machen sollten.

      Ein Erinnerungsfetzen im Tuch wusste davon. Und wusste auch, warum gerade hier die Menschen den Versuch erneut unternahmen, fruchtbares Gebiet der Wüste abzutrotzen. Ein rot leuchtendes Band zog sich unter dem gigantischen Wasserspeicher unterhalb des Wüstenbodens hindurch. Kein Wasserbohrer konnte es jemals erreichen, denn es lag zu tief. Und doch bezogen alle Quellen ihre Energie davon und hatten einst das kostbare Reservoir erzeugt.

      Sie war die mächtigste Ley-Linie von allen, die erste, die aus der Geistersphäre entstand, als die Erde noch jung gewesen war.

      Am Rande der bewirtschafteten Kufrah-Oasen gab es Relikte alter Palmengründe, verlassen und nicht von wirtschaftlichem Interesse. Doch sie führten Wasser, und alte Palmen boten Schatten für scheue Tiere.

      In einer solchen kleinen Wassersenke, die am Ufer von mattem Grün überzogen war, gesäumt von einem leise raschelnden Palmenhain, ging das Tuch nieder. Lag halb im Sand, halb im Wasser und saugte sich voll, bis das Gewebe schwarz glänzte.

      Eine unscheinbare graubraune Schlange züngelte aus einem Sandloch nahe dem Wasser hervor, dann glitt sie heraus und auf das im Schatten liegende Tuch zu. Die gespaltene Zunge tastete über den Stoff, der mehrmals kurz zuckte. Die Schlange versenkte den Schwanz im Sand, öffnete den Rachen, dass die mächtigen Giftzähne hervorsprangen, und hauchte ihren kalten Atem über den Fetzen. Eine milchige Flüssigkeit tropfte von den Zähnen herab und sickerte zischend in das Gewebe ein. Dampf stieg daraufhin auf, ein rotes Glühen umgab Tuch und Schlange, das sich zuletzt in glitzernden Nebel auflöste.

      Als dieser sich verzog, lag der Schattenmann am Ufer. Er war nicht körperlich, wirkte durchscheinend, aber sein Brustkorb hob und senkte sich im Atmen. Noch war er nicht viel mehr als eine dunkle Kontur, kaum greifbar, ohne erkennbare Strukturen. Ein diffuser Schatten …

      Die Schlange zischelte leise, dann glitt sie lautlos zurück in ihr Loch.

      Der Schattenmann verharrte still. Er war sich seiner selbst noch nicht bewusst und konnte nur fühlen. Die Ader, die tief unter ihm glutrot pulsierte. Seine Erinnerungen, die bruchstückhaft, in Lichtblitzen, durch seine Finsternis huschten. Sie ergaben keinen Sinn, konnten sich nicht zusammensetzen. Doch sie waren wichtig, jede Einzelne von ihnen.

      Schmerz empfand er keinen, ebenso wenig konnte er eine Verbindung zu dieser stofflichen Hülle aufbauen, die versuchte, sich zu stabilisieren. Wofür war sie da? Um ihn aufzunehmen? Er wusste es nicht mehr.

      Er spürte die Feuchtigkeit des Wassers, die durch seine Hülle strömte und ihr half, sich aufzubauen. Er wusste von der Schlange, die ihm geholfen hatte, und von dem Sandteufel, der heute Nacht auf sie lauern würde. Er fühlte den Wolkenschatten, der eilig über ihn hinwegglitt, und hörte das Flüstern des Windes. Doch er konnte ihn nicht verstehen.

      War es denn überhaupt von Bedeutung? Weshalb blieb er? Warum waren die Erinnerungen wichtig?

      Halte dich fest, flüsterte etwas in ihm.

       Warum?

       Nur du kannst es.

       Was bedeutet Festhalten?

       Du musst verstehen.

       Was bedeutet Verstehen?

       Begreife den Sinn.

       Wie kann ich das?

      Das Flüstern verstummte. Was brauchte es einen Schatten zu kümmern? Er war nur ein Umriss, eine leere Hülle. Etwas, das überflüssig war. Er war es zuvor niemals gewesen … ein Schatten.

      Wieder eine Erinnerung, die er nicht verstand.

      Er war schwer vom Wasser, schien hinabgesogen zu werden in einen tiefen Abgrund. Unmöglich, sich dagegen zu wehren; er würde verschwinden, für immer.

      Ein sandfarbenes Wesen kam herangetrippelt, winzig, mit riesigen Hinterfüßen und großen Ohren. Es hüpfte mehr, als dass es lief, und würde wahrscheinlich in den Rachen der Schlange passen, wenn sie das Maul weit genug aufriss. Die kleine schwarze Nase zuckte. Das Wesen schnüffelte ihn ab, leckte Wassertropfen auf. Welch eine Erleichterung. Er spürte die zarten Füßchen, als das kleine Tier über ihn hinweglief und die Tropfen aufnahm. Dann war es plötzlich verschwunden, und er fühlte sich besser. Leichter.

      Die Helligkeit ließ nach. Der Schattenmann spürte die Wanderung der Sonne und die Veränderung ihrer Farben. Der Zustand um ihn herum änderte sich. War es … Kälte?

      Ja. Kälte war ihm vertraut, ebenso wie ihr Gegenteil, die Wärme, die ihm jetzt begreiflich wurde. Es war etwas Ursprüngliches, ein Teil seines Selbst.

      Das Licht war fort, Dunkelheit hüllte ihn ein. Sie war nicht so tief wie die Finsternis in ihm, durchsetzt von glitzernden Punkten. Er konnte sie wie kleine Funken wahrnehmen, und auch sie waren ein Teil von ihm.

      Die Kälte kroch in das Gewebe, ließ das Wasser erstarren, vermittelte ihm neue Eindrücke, die er schon lange vergessen hatte.

      Der Schattenmann ruhte.

      Am Morgen stand ein Mann, der ein weißes Dromedar am Zügel führte, neben ihm. Er ließ den Strick los und kniete bei dem Schattenmann nieder. Nachdem er ihn ausgiebig in Augenschein genommen hatte, griff er in eine Tasche seines dunkelblauen Übergewandes und förderte ein Döschen zutage, das er behutsam öffnete. Hauchfeiner Staub befand sich darin, von dem der Mann eine Prise zwischen Daumen und Zeigefinger nahm und diese über die schemenhafte, wie Nebel wabernde Gestalt blies.

      Der Staub fiel auf stoffliches Gewebe und sickerte dann ein. Der Schattenmann atmete tiefer. Dann schlug er die Augen auf. Langsam


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