Das Gassi-Buch für besondere Hunde. Katrien LismontЧитать онлайн книгу.
Training dahingehend zu stärken, sodass er selbst in die Lage versetzt wird, Stresssituationen zu bewältigen.
Sehr wirkungsvoll ist es auch, dem Hund Aktivitäten anzubieten, die zur Ausschüttung von Glückshormonen führen, da diese teilweise direkte Gegenspieler der Stresshormone sind. Das ist gar nicht so schwer: Spiel, Nasenarbeit, Laufen sowie Pausen und sanfte Berührungen können diese Ausschüttungen bewirken. Sicher ist jedenfalls: Im Alltagsablauf muss sich etwas verändern.
Nasenarbeit macht Hunden Spaß und bewirkt eine Ausschüttung von Glückshormonen. (Foto: Katrien Lismont)
Neben den körperlichen Schäden, die lang andauernder Stress anrichten kann, beeinflusst Stress das Verhalten und die Lernfähigkeit in negativer Weise. Wenn Sie also feststellen, dass Sie mit Ihrem Hund Tag für Tag am gleichen Thema trainieren und sich nichts oder nur wenig ändert, ist Ihr Hund nicht dumm, sondern es ist wahrscheinlich, dass Sie Ihren Alltag und das aktuelle Befinden Ihres Hundes unter die Lupe nehmen müssen, um die wahren Ursachen zu erkennen.
STRESSHORMONE
Im Wesentlichen werden in akuten Stresssituationen folgende Stoffe im Körper ausgeschüttet:
•Adrenalin: das „Action“-Hormon, das im Nebennierenmark gebildet wird. Es bewirkt, dass der Organismus in den Flucht-oder-Kampf-Modus schaltet und schnell reagieren kann. Eine Adrenalinausschüttung führt dazu, dass Appetit und Hunger reduziert oder abgestellt werden, Puls und Blutdruck ansteigen, Atemwege geweitet werden und der Blutzuckerspiegel erhöht wird. Kurzum: Der Körper ist in höchster Reaktionsbereitschaft.
•Cortisol: ein Stresshormon, dass in der Nebennierenrinde gebildet wird. Cortisol wird ebenfalls als Antwort auf eine Stresssituation produziert und versetzt den Organismus in die Lage, mit dieser umzugehen: Es erhöht den Blutzuckerspiegel, schärft die Aufmerksamkeit, reduziert die Schmerzempfindung und bremst das Glückshormon Serotonin aus.
•Noradrenalin: ist einerseits ein Neurotransmitter des Sympathikus, des aktiven Teils des vegetativen Nervensystems, wird aber auch als Hormon im Nebennierenmark ausgeschüttet. Es bewirkt vor allem eine Verengung der Blutgefäße und eine Erhöhung des Blutdrucks. Noradrenalin führt zu Erregung im Körper und bewirkt eine Verlagerung der Durchblutung weg von Körperteilen, die weniger wirksam für Flucht und Kampf sind, wie zum Beispiel Haut und Verdauungssystem, hin zu den fluchtrelevanten Körpersystemen wie Herz, Muskeln, Lunge.
All diese Stoffe versetzen den Körper in die Lage, optimal auf Stress- und Gefahrenmomente zu reagieren. Sie bauen sich auch wieder ab, nachdem die Gefahr vorüber ist. Wenn nun aber in kurzen Abständen immer wieder solche Momente auftreten, kann sich dieser Stresscocktail im Körper kaum abbauen. Der Stresshormonspiegel bleibt hoch und es wird immer schwieriger, ihn zu reduzieren. In der Folge ist der Organismus in permanenter Reaktionsbereitschaft und kann sich nicht mehr entspannen und regenerieren.
STRESSZEICHEN
Es gibt zahlreiche Stresszeichen, die einzeln oder kombiniert auftreten können. Häufig handelt es sich um Verhaltensweisen, die uns Menschen stören, darunter auch nach Mäusen buddeln oder dauerhaft mit jagdlichem Interesse nach Reizen spähen.
Im Folgenden liste ich für Sie einige Zeichen von Stress und Überforderung auf, wobei ich darauf hinweisen möchte, dass sich Stress individuell ganz unterschiedlich äußern kann, unter anderem auch abhängig von den jeweiligen Umständen.
•Zahlreiche Beschwichtigungssignale oder Zeichen der Anspannung in vielen Situationen, eventuell mehrere kurz nacheinander: blinzeln, gähnen, über die Nase lecken, schmatzen, wegschauen, den Kopf abwenden, die Pfote heben, sich auf den Rücken legen, ausweichen, sich schütteln, sich kratzen, plötzlich schnüffeln
•Vergrößerte Pupillen, rote Augen, offene Maulspalte oder komplett geschlossenes Maul, Stressfalten seitlich am Gesicht
•Haaren, Schuppen
•Zittern
•Speicheln
•Blockieren: stehen bleiben, sich hinsetzen, sich hinlegen
•Ohren angespannt: sehr stark aufgestellt oder im Nacken klebend
•Angespannte Muskeln, fester Körper
•Staksige Bewegungen, holprig und unkoordiniert
•Viel Weiß in den Augen, weil der Nacken angespannt ist
•Hektische Bewegungsmuster mit kleinem Radius (dadurch steifer Nacken, steif „tippelnde“ Pfoten, Rute, die in kleinen Bewegungen wedelt)
•Lautäußerungen: häufiges und anhaltendes Bellen, dauerhaftes Winseln
•Hecheln: ein trockenes, raues Hecheln
•Rastlosigkeit: im Zickzack laufen, schnelle, scheinbar planlose Bewegungen
•Durchfall, Erbrechen und übermäßig Gras fressen, Blähungen
•Lecken, beißen, knabbern an eigenen Körperteilen oder Gegenständen
•Übermäßige Intimpflege
•Objekte und Personen oder andere Haustiere besteigen
•Kein Futter, keine Belohnung nehmen
•Kein Interesse für Spiel
•Berührungen ausweichen oder extrem viel davon einfordern
•Erhöhter Puls, schnellere und flachere Atmung
•Unerwünschte „Hobbys“: Jagen, Buddeln, Spähen, exzessives Schnüffeln
Nehmen Sie diese Zeichen Ihres Hundes ernst. Sie verraten, wo, wann und wodurch bei ihm ein Gefühl von Überforderung entsteht. Trainieren Sie die Stressreaktionen und das nervige Verhalten nicht auf Biegen und Brechen weg, und weisen Sie Ihren Hund für solche Verhaltensweisen auch nicht zurecht, denn dies führt unweigerlich zu neuen „Baustellen“ oder gar zu gesundheitlichen Problemen. Ich persönlich finde es auch nicht sinnvoll, diese Stressverhalten als „Hobby“ zu sehen, unter Signal zu stellen und als Belohnung zu verwenden. Immer wenn der Hund darauf zurückgreift, werden sie verstärkt, und die Wahrscheinlichkeit, dass sie in Zukunft häufiger gezeigt werden, steigt, denn solche Verhaltensweisen sind selbstbelohnend.
Exzessives Buddeln ist ein ernst zu nehmendes Zeichen für Stress. (Foto: Katrien Lismont)
DAS VEGETATIVE NERVENSYSTEM: SYMPATHIKUS UND PARASYMPATHIKUS
In Stressmomenten wird der Sympathikus, der aktive Teil unseres vegetativen Nervensystems, eingeschaltet. Er macht den Organismus reaktionsbereit und steigert die Leistungsfähigkeit, indem der Körper innerhalb von 2 bis 3 Sekunden Adrenalin und Noradrenalin ausschüttet. Weicht die Gefahr schnell, reguliert sich der ganze Organismus auch schnell wieder herunter und der Gegenspieler, der Parasympathikus, kann übernehmen. Beide Teile des vegetativen Nervensystems (das die unwillkürlichen Funktionen unseres Organismus steuert), sind im Idealfall perfekt aufeinander eingespielt: Sie arbeiten nicht gegeneinander, sondern sie regulieren sich gegenseitig und wechseln sich ab, so wie es für unseren Körper und unsere Organe richtig ist.
Der Sympathikus bereitet auf körperliche und mentale Leistung vor. Er lässt in Momenten von akutem Stress, Bedrohung oder auch nur bei erforderlicher Aktivität das Herz schneller schlagen, die Atmung schneller werden, den Blutdruck steigen und drosselt die Aktivität von den Organen, die für das Bewältigen der Situation nicht relevant sind: Stoffwechsel, Verdauung, Haut.
Ist die Gefahr oder der Stress gewichen, übernimmt der Parasympathikus. Er reguliert Puls, Blutdruck und Atmungsgeschwindigkeit herunter und veranlasst wieder