Perry Rhodan-Paket 62: Mythos (Teil2). Perry RhodanЧитать онлайн книгу.
waren dezent geschnitten; er trug einen schwarzen Anzug ohne jedes Rangabzeichen.
Der Tamaron und der Resident reichten einander die Hand, und in einem merkwürdigen Moment legte der Tamaron seine linke Hand auf Bulls rechte. »Gehen wir in mein Quartier.«
Auch dieses Quartier war, was Terraner als spartanisch bezeichnet hätten: ein Kleiderschrank mit Hygienefunktion, eine mobile Servoeinheit, eine Liege, ein Tisch mit zwei Stühlen, beide aus rotem Holz, wie es auf Tefor wuchs. Beide Stühle waren ohne Lehne.
Sie setzten sich.
Bulls richtete seinen Blick auf den einzigen Luxus, den der Tamaron sich gönnte: das offenbar in Öl gemalte Porträt einer nicht mehr ganz jungen Frau in einem knöchellangen Kleid, die barfuß auf einer Wiese stand, dahinter eine Landschaft, mehr angedeutet als ausgeführt, in der eine Szenerie auf Tefor zu erkennen war. Es war Abend: Pector und Photor, Tefors zwei Monde, standen blass wie fremder Länder Münzen am Himmel; Photor, kleiner und näher, schickte sich eben an, Pector auf der Innenbahn zu überrunden. Die Frau sah den Betrachter frontal an, ein wenig nachdenklich, doch offenbar zuversichtlich. Ein Abzeichen am Kragensaum des Oberteils wies sie als Angehörige des diplomatischen Korps des Tamaniums aus.
»Wie geht es Saliana?«, fragte Bull.
»Es geht ihr gut. Das solltest du aber wissen, Reg«, sagte Vetris-Molaud mit mildem Tadel.
Saliana war im Jahr 1517 geboren, und zwar zur selben Zeit, als ihre Mutter hingerichtet wurde. Sie war nun 119 Jahre alt, eine der demokratisch gewählten Stellvertreterinnen des Tamarons. Als Kind eines Zellaktivatorträgers alterte sie deutlich langsamer. Sie war der Liga gegenüber freundlicher eingestellt als ihr Vater. Die Liga wusste, dass die Annäherung des Tamarons an das Sternenreich der Terraner maßgeblich ihr zu verdanken war, und nicht nur einmal hatte der Tamaron, auch mir gegenüber, Saliana als Bulls beste Agentin bezeichnet. Mit einem Spott, der allmählich milder geworden war.
Dass es nach ihrem Tod zur Gründung der Lemurischen Allianz kommen sollte, war nicht zuletzt ihr Letzter Wille, den der Tamaron im Jahr 1755 NGZ erfüllte.
Aber damals lebte sie noch, und ich mochte sie gerne, und Bull, obwohl er ihr selten begegnete, mochte sie auch.
»Gibt es Nachrichten von Shinae? Von Toio?«, fragte Vetris-Molaud, während der Servoroboter zwei halbkugelige Gläser mit einem dunkelroten und von haarfeinen, goldfarbenen Fasern durchzogenen Getränk füllte: Goldfadenwein von Trissner, einem der 39 Monde Laumhus.
»Nein, Caer«, sagte Bull. Caer-Cedvan lautete der Geburtsname des Tamarons; in dieser Galaxis dürfte Reginald Bull der Einzige sein, der ihn mit diesem verschollenen Namen ansprach.
Merkwürdig, wie die Zeit über uns hinweggeht, Mascant. Wie lange wir denken, die Zeit sei unser Palast, unser Haus für immer. Und dann kommt ein Windstoß und hebt das leichte Zelt auf, in dem wir in Wahrheit gewohnt haben, und weht es fort, einfach so.
»Was nun die Sonnentransmitter betrifft«, sagte der Tamaron, »so ist Vengil außer Betrieb, und, soweit wir sehen, die anderen Sonnentransmitter auch.«
»Weil?«, fragte Bull.
»Wir wissen es nicht«, sagte der Tamaron. »So wenig wie ihr.«
Auch zu den drei Transmittern im Halo der Milchstraße – dem gewaltigen Kharag-Sonnendodekaeder und dem Tellox-Duo in Omega-Centauri sowie dem weiter entfernt in der Satellitengalaxis Sagittarius errichteten Mhargo-Trio – bestand wohl noch Hyperfunk-, aber kein Funktionskontakt.
Zu den sieben bislang einsatzfähigen Sonnentransmittern zwischen der Milchstraße und Andromeda war jede Verbindung abgebrochen.
»Das ist der Stand der Dinge«, resümierte der Tamaron. »Die Milchstraße ist transmittertechnisch abgeschnitten.«
»Ob das nur die Sonnentransmitter in der Milchstraße betrifft oder auch ihre Gegenstücke in Andromeda?«, überlegte Bull laut. »Immerhin wissen wir, dass vor etwa einem Monat das Holoin-Sonnenfünfeck eine Sonde zum Ecloos-Trio in Draco verschickt hat.«
Der Tamaron nickte. »Ich weiß. Aber diese Sonde hat den Transport nicht überstanden, und seitdem schweigt Holoin, nicht wahr?«
»Ja.« Bull nippte am Goldfadenwein.
Der Tamaron beugte sich ein wenig vor und stützte die Ellenbogen auf den Tisch. »Was hieltest du davon, wenn wir einmal in Andromeda nachschauten, Reg?«
Bull starrte ihn an, mindestens überrascht, wenn nicht sogar fassungslos. »Caer, erstens fehlen uns im Augenblick alle dazu nötigen Kapazitäten. Die RAS TSCHUBAI ist, wie deiner Aufmerksamkeit kaum entgangen sein wird, nicht wieder zurück. Zweitens haben wir in der Milchstraße alle Hände voll zu tun, wenn wir den Laden am Laufen halten wollen.«
»Es wäre nicht das erste Mal, dass man, eine gegenwärtige Gefahr vor Augen, die weit größere künftige Bedrohung übersieht.«
»Jedenfalls werde ich mich nicht verzetteln.« Bull spreizte die Finger der linken Hand und zählte daran auf: »Der Verschluss des Solsystems nach dem Raptus; die Reorganisation der Liga; der fortschreitende Autoritätszerfall des Galaktikums, den doch wohl nicht nur ich sehe und den ich gerne aufhalten möchte; das Odium, das unser Denken mehr und mehr vergiftet und Terra zum Tabu erklärt; der mögliche Rückbau zahlloser Unterstädte und die Neubesiedlung Tausender Planetenoberflächen...« Bull atmete heftig aus, fünf Finger ausgestreckt.
»Brauchst du noch ein paar Finger?«, bot der Tamaron hilfsbereit an.
»Caer, wenn ich in dieser Situation das Projekt Rettet die Sonnentransmitter! ausrufe und Mittel bereitstelle für eine groß angelegte Expedition nach Andromeda, werde ich des Amtes enthoben. Und zwar völlig zu Recht. Ich kann in dieser Situation kein Schiff bauen lassen, das nach Andromeda fliegt.«
Der Tamaron setzte ein Lächeln auf, das beinahe lausbubenhaft wirkte. »Da trifft es sich gut, dass wir im Tamanium bereits über ein solches Schiff verfügen.«
*
»Warum tut er das?«, fragte Bull, nachdem wir die Space-Jet gestartet und den Hangar der VOHRATA verlassen hatten. »Warum bereitet er eine Expedition nach Andromeda vor, und das offenbar seit Jahren? Oder hat er ein intergalaktisch flugtaugliches Schiff in einer Lotterie gewonnen?«
»Viele Fragen«, sagte ich. »Das mit der Lotterie schließe ich übrigens aus. Dass die Tefroder Andromeda nie aus den Augen verloren haben, sollte dich nicht wundern.«
»Ach ja?«, brummte Reginald, während er mit einem Blick den Zugangscode zum Hangar der HEKÉNER SHAROUN überprüfte und dann mit einem Fingertipp bestätigte. »Wieso? Ist diese Sehnsucht nach Andromeda erblich bedingt? Ein tefrodischer Gendefekt? Oder lernen die kleinen Tefroderinnen und Tefroder in der Schule, dass es sich nicht lohnt, ihre Zimmer aufzuräumen, weil es bald zurückgeht nach Karahol?«
Der Hangar öffnete sich. Die Space-Jet bremste und begab sich in das Traktorfeld, das sie sanft ins Innere des Schiffes zog.
»Für euch Terraner ist die Milchstraße eine verbindliche Heimat«, sagte ich. »Vielleicht haben Tefroder eine etwas größere Perspektive. Die Lemuroiden reiften auf Lemur, fanden von dort zurück zu den Sternen. Und schließlich erreichten sie Andromeda, eine unermessliche Galaxis mit unermesslichen Möglichkeiten.«
»Hübsch«, sagte Bull. »Und du hältst es nicht für möglich, dass der gute Caer noch nicht alle Ambitionen aufgegeben hat, seinen ... hm ... Wirkungsbereich ein wenig auszudehnen und seine wohlmanikürten Finger nach dem Virthanium auszustrecken?«
»Ich halte es nicht für wahrscheinlich«, antwortete ich. Das Virthanium, das Sternenreich der Tefroder in Andromeda, war alt, gewaltig, mächtig. Ein Bissen, an dem sich nicht nur das Tamanium verschlucken würde.
Die Space-Jet setzte auf. Die Hangartore schlossen sich wieder. Damit erlosch auch das purpurne Licht, mit dem die Rote Riesensonne vom Spektraltyp M2 – die Beta-Sonne von Archi-Trans – den Raum übergossen hatte. Es machte der normalen terranischen Arbeitsbeleuchtung Platz.
Wie stiegen aus und