Perry Rhodan-Paket 62: Mythos (Teil2). Perry RhodanЧитать онлайн книгу.
nicht überschauen. Der gesamte Hydepark war gefüllt, nicht nur dessen nordöstliches Ende – es mussten Hunderttausende sein, die zusammenströmten.
Der Mann, der Terras traditionsreichsten Rednerort betreten hatte, stand dort schweigend. Er hatte nicht nur eine kleine Bühne, sondern auch eine ganze Batterie von Sonden mitgebracht, die als Lautsprecher und Holoprojektoren fungierten, sodass jeder ihm würde zuhören und ihn sehen können, bis in den letzten Winkel des mehrere Quadratkilometer durchmessenden Parks im Herzen von London.
Er hatte bereits am Vortag gesprochen, vor den wenigen Leuten, die sich zufällig vor Ort aufhielten und die Muße fanden, stehen zu bleiben und ihm zuzuhören. So verlange es die jahrtausendealte Tradition, die allerdings nicht ununterbrochen gegolten hatte, sondern erst vor etwa einem Jahrhundert von Nostalgikern erneut ins Leben gerufen worden war. Sie hatten den ursprünglichen Namen dieses Ortes wieder populär gemacht: Speakers' Corner. Jeder durfte sich dort seine eigene Bühne mitbringen, reden und Zuhörer um sich scharen.
Aber niemandem war es jemals so gut gelungen wie diesem Unbekannten, dessen Botschaft mit geradezu hypnotischer Wucht eingeschlagen war. Die Ankündigung seiner Rückkehr hatte sich überall verbreitet und nicht nur Hunderttausende angelockt, sondern auch die Residentin und ihren Advisor.
Die beiden hatten eine der schwebenden Lounges des Parks gemietet, die dem Besucher, der kräftig in die Tasche zu greifen bereit war, normalerweise eine Parkführung mit allem nur denkbaren Luxus boten. Von perfekter Verpflegung bei lückenloser Information über die Historie der Stadt und ihrer uralten Königshäuser bis hin zur Saunaschaltung hinter von außen blickdichten Dunkelfeldern.
Noch gab es nur das Holobild des Fremden zu sehen, der schweigend auf der Bühne stand und abwartete. Es blieben wenige Minuten bis zu dem Zeitpunkt, den er als Beginn seiner neuen Rede angekündigt hatte.
Es war ein Humanoide, allerdings aus einem bislang unbekannten Volk – was die Residentin und den TLD auf den Plan gerufen hatte. Wie konnte er nach Terra gekommen sein? Hatte er sich schon vor der Versetzung dort aufgehalten?
Er war etwa zwei Meter groß, hatte extrem blasse, nahezu weiße Haut und helle wasserblaue Augen. Sein Haar war blauschwarz, wirkte fast metallisch und lag eng am Kopf an. Er trug eine Ganzkörperkombination, die seinen Körper so eng umschloss, dass sich alle Muskelstränge abzeichneten. Sie bedeckte selbst die Füße, an denen sogar jeder der acht Zehen einzeln sichtbar war. Der Stoff schimmerte rötlich, und es zeichneten sich darin blaue Linien ab.
In der Menge rundum breitete sich Unruhe aus. Das Gemurmel wurde ständig lauter, bis es wie ein stetes Rauschen in den Ohren schmerzte. Aber als der Fremde redete, verstummte es abrupt.
»Ich danke euch, dass ihr gekommen seid.«
Die Stimme klang rau, die Explosivlaute wie das Knacken von Holz in einem Lagerfeuer.
»Ich freue mich, dass offenbar viele an meinen Worten interessiert sind.« Eine kurze Pause, dann: »Zu Recht. Ich habe lange beobachtet, ehe ich mich entschied, an die Öffentlichkeit zu treten. Ich werde gleich wiederholen, was ich bereits verkündet habe, aber zuvor möchte ich etwas über mich verraten. Bei meiner gestrigen Rede hielt ich das nicht für notwendig, denn nicht ich bin wichtig, sondern meine Botschaft. Mir kam allerdings zu Ohren, dass man rätselt, wer ich wohl wäre. Nun, es gibt kein Geheimnis um mich.«
Oh doch, dachte Homer G. Adams, der die Teile der ersten Rede gehört hatte, die am Vortag zufällig aufgezeichnet worden waren. Wo kam dieser Mann her? Und wieso glaubte er, eine Prophezeiung aussprechen zu können?
»Mein Name ist Jathao Vanoth, und ich bin ein Thesan. Das Volk, dem ich angehöre, nennt sich Thesanit. Wir sind nie zuvor bei euch in Erscheinung getreten. Es gibt einige von uns, die unter bestimmten Umständen einen Blick in die Zukunft zu werfen vermögen, wenn ich es ein wenig vereinfacht darstellen darf – diese Auserwählten nennen wir Lasha. Es wird euch nicht überraschen, dass ich über diese Fähigkeit verfüge. Aber nun genug von mir. Wie ihr seht ... keine Geheimnisse.«
Nur, dass sich der Thesan namens Jathao Vanoth mit seiner knappen Vorstellung noch geheimnisvoller gemacht hatte.
Erstaunlicherweise herrschte in der riesigen Zuschauermenge nach wie vor Ruhe, von einzelnen Zwischenrufen abgesehen, die ungehört verhallten. Wahrscheinlich dank der Vielzahl von Holoprojektionen, die jedem das Gefühl verliehen, nahe bei dem Redner zu stehen.
»Ihr nennt die Versetzung an diesen Ort das CEE. Ein Ereignis, das alles verändert hat. Das stimmt. Viele deuten es sogar als Katastrophe. Als Unfall. Als etwas Schreckliches.«
Er beugte sich bei diesen Worten vor, streckte gleichzeitig die Arme aus, als wollte er einen Segen über die Menschenmassen aussprechen.
»Doch das ist eine Lüge. In Wahrheit ist das CEE keine Katastrophe. Es ist die Rettung. Uns wurde ein Neuanfang geschenkt. Wir dürfen in ein Universum schauen, das neu und frisch ist. Ich weiß, welche Natur dieses Universum besitzt. Es gehört untrennbar zu dem, aus dem dieser Planet und sein Mond stammen. Es ist ein Zwilling, gemeinsam entstanden und über all die Jahrmilliarden an einem Punkt verbunden.«
Nun kehrte Unruhe in die Menge ein.
»Ich bin nicht der Einzige, der diesen Punkt kennt, den ich die Zerozone nenne. Andere kennen ihn und werden ihn in Zukunft kennen. Es wird ein Bote kommen, aus dem zweiten Teil des Zwillings, der für euch der erste war. Ich konnte den Ort sehen, an dem er ankommt – ganz nah beim Neptunmond Triton. Es wird der Mann sein, der das Schicksal dieses Planeten und seiner Menschheit bereits oft bestimmt und gelenkt hat.«
Homer G. Adams merkte auf. Die Prophezeiung war nicht neu, auch nicht die Benennung des Ortes. All das hatte dieser Jathao Vanoth schon am Vortag ausgesprochen. Aber ohne auf die Person des Boten einzugehen.
»Es wird Perry Rhodan sein«, sagte Vanoth. »Leider weiß ich nicht, wann. Der Zeitpunkt enthüllte sich mir nicht, doch eines kann ich sagen: Rhodan wird nicht müde, die Erde zu suchen, und eines Tages wird er sie finden. Bis dahin wird euch allen klar sein, dass ihr nicht in der Fremde gestrandet seid ... sondern eure neue Heimat gefunden habt.«
Adams fühlte, dass diese Worte eine Menge Zündstoff enthielten. Abgesehen davon, dass Vanoth eine kosmische Theorie entworfen hatte, stellte sich die Frage, ob er ein Schwätzer war oder tatsächlich mehr wusste.
Über dieses sogenannte Dyoversum und die Zukunft.
»Ihr werdet wieder von mir hören«, sagte der Thesan. »Ich bin überzeugt, dass viele mit mir sprechen wollen, ja, dass Vertreter der Regierung anwesend sind. Vielleicht sogar die Residentin höchstpersönlich. Ganz sicher weilen Agenten des Terranischen Liga-Dienstes unter uns. Sollte das der Fall sein, bitte ich: Verfolgt mich nicht. Ich melde mich. Freiwillig. Bald.«
Mit diesen Worten schwebte er samt seiner Bühne unvermittelt in die Höhe – und verschwand vor aller Augen, als er etwa zehn Meter über dem Boden erreichte.
Gisso Appelles fluchte.
Nur Sekunden später meldete sich Tessa Parr, die Chefin des TLD, per Funk. »Eine Schwebeplattform! Die Technologie steckt in der Bühne und war mit einem Deflektor getarnt. Er hat das Feld jetzt auf sich ausgeweitet. Wir können eine winzige energetische Streustrahlung wahrnehmen. Meine Leute bleiben dran.«
»Findet heraus, wohin er geht!«, befahl die Residentin. »Aber nehmt keinen Kontakt auf. Soll er glauben, er wäre unbeobachtet. Geben wir ihm die Möglichkeit, sein Versprechen wahr zu machen und sich freiwillig zu melden.«
»Er ist zu schlau, um anzunehmen, dass niemand ihn verfolgt.« Adams fürchtete, dass Vanoth außerdem über die Mittel verfügte, seine Verfolger abzuschütteln und unterzutauchen.
Eine Befürchtung, die sich wenige Minuten später bestätigte.
Noch am selben Tag, exakt um Mitternacht, kam eine Botschaft von Luna.
NATHAN war erwacht.
*
NATHAN.
Immer wieder führen die Linien meiner Erinnerungsbilder zu NATHAN, und bald wird die Geschichte